03/12/21

Saisonales Schreiben und seine Bedeutung

Obwohl ich dieses Blog schon einige Zeit führe und ziemlich genau zeige, womit ich mich beschäftige, fällt es vielen Menschen schwer, zu begreifen, was ich tue. Im Grunde genommen fällt es ihnen eher schwer zu begreifen, was ich nicht tue. Ich frage mich manchmal, wie oft in den vergangenen Jahren ich berichtigend die Sätze aussprechen musste: „Ich bin aber nicht Texterin“, „Nein, ich schreibe keine Werbeclaims“. Wenn ich jedes Mal einen Euro dafür bekommen hätte … Nun ja, Sie wissen schon …

Künstlerisches Schreiben ist eine Grenzdisziplin und wird als solche missverstanden, ja unverstanden. Es hat sicher damit zu tun, dass immer das Bekannte und Naheliegende angenommen wird. Das Ungewöhnliche braucht Erklärungen.

Ein wichtiger Aspekt, der meinen Arbeitsprozess gut verdeutlicht, ist das saisonale Schreiben.
Im Gegensatz zu Textern brauchen Künstler die sinnliche Anregung, den Augenblick, die Unmittelbarkeit der Erfahrung.
Natürlich schreibe ich zuweilen auch aus der Erinnerung an diese sinnliche Wahrnehmung heraus, aber dennoch bleibt selbst in diesem Fall die Unmittelbarkeit wichtig, und es gibt immer einen konkreten Anlass, einen Auslöser, der die Erinnerung wieder regelrecht fühlbar, spürbar zum Leben erweckt und so die Unmittelbarkeit wiederherstellt: Es kann ein Licht, eine Farbe, ein Geruch, ein Zufall, ein Erlebnis, eine Begegnung sein – ja, so lächerlich und abgedroschen es klingen mag: eine Art Madeleine.
Texter sind in der Lage – und das ist mehr als nur bewundernswert –, über „tote“ Dinge zu schreiben, d.h. über Dinge, zu denen sie keinen sinnlichen Bezug haben und für die sie sich nicht einmal interessieren. Künstler dagegen brauchen die Lebendigkeit und die Echtheit der Erfahrung, um zu malen oder zu schreiben. Daran ändert auch die Notwendigkeit von Auftragsarbeit nichts.

Saisonales und damit künstlerisches Schreiben bedeutet in erster Linie, dass dem Schreiben ein Kontext gegeben werden muss: ein Raum, ein Ort, eine Stimmung, ein fassbarer Gegenstand, ein Wunsch, eine Situation, eine eindrucksstarke Erinnerung, ein Bild, ein Gefühl.
Der Unterschied zum Texter ist dem zwischen impressionistischer Malerei und moderner kaufmännischer Illustration oder Sketchnotes sehr ähnlich. Deshalb ist der Titel meiner Website „Impressionistische Texte“*. Während ein Maler auch bei Kommissionen ab einem Foto weiterhin in einem sehr erkennbaren Stil malt, kommt der Illustrator mit dem einfachen Befehl „Malen Sie mir ein paar Tomaten“ auch ohne lebendige Vorlage zurecht und greift dabei kontextfrei auf die Sicherheit seines handwerklichen Könnens und auf in seinem (Hirn-, aber auch Muskel-)Gedächtnis gespeicherte Muster und Schablonen zurück. Auch deshalb malt der Impressionist einen situativen Hintergrund, während der moderne kaufmännische Illustrator für die Bebilderung einer Speisekarte oder eines Supermarktprospekts etwa dies nicht braucht. Dies bedeutet nicht, dass einige Illustratoren nicht auch großartige Kunstwerke schaffen, bei denen der Unterschied zwischen Malerei und Illustration mitunter schwer zu erfassen ist oder sogar verschmilzt und die dem Betrachter zu Recht größte Bewunderung und Ehrfurcht abnötigen. Die Grenzen zwischen Tierporträts, botanischer Malerei und Illustration sind je nach Qualität in der Tat sehr fließend – hier wären viele Namen bemerkenswerter Künstler zu nennen. Aber in den meisten Fällen unterscheidet sich das Anliegen eines Illustrators, dessen Aufgabe es ist, Sushi-Häppchen auf eine Preisliste zu bringen, von demjenigen eines Kunstmalers in Auftragsarbeit.

Wenn potentielle Auftraggeber begreifen, dass ein wichtiger Teil meiner Arbeit saisonal ist, dann verstehen sie besser, was ich für sie tun kann und was nicht. Ich schreibe nicht auf Knopfdruck. Das können andere sehr viel besser. Ich fühle mich in den Textraum ein und gestalte ihn so, wie ich ihn erspüre. Ich erzähle von Stimmungen, Atmosphären – und sie sind nie von ihrem Kontext gelöst. Ein Hotelfenster im Winter erzählt nicht die gleichen Geschichten wie der Liegestuhl im Sommer oder die Frühstücksterrasse im Herbst. Die Gerüche des Weihnachtsmarkts sind nicht die des Apfelsaftfestes. Auch die Geräusche vor dem Hofladen folgen dem Rhythmus der Jahreszeiten.

Alles, was das Leben – auch meiner Auftraggeber – verändert, verändert auch die Texte, die ich für sie schreibe. Weil jeder Moment an einem bestimmten Ort einzigartig ist. Das ist saisonales, impressionistisches Schreiben. Nicht Texten.

*Dieser Satz bezog sich auf den Websitestand von 2021.

02/14/16

Zeit-Räume

Im TextLoft ist oft von Raum die Rede: von Text-Räumen, also reellen und virtuellen Räumen, in denen Text entsteht, vom leeren Raum einer Seite, der durch Strukturen und Worte zu einem Text eingerichtet wird … Die Analogie von Text und Raum ist auf der Website allgegenwärtig.

Räume sind auch ein wesentlicher Bestandteil nicht nur meiner Textauffassung, sondern meiner Arbeitsweise.
Wenn ich für das Projekt eines Auftraggebers intensiv in seine Themenwelt eintauche und selbstvergessen über Tage und Wochen hinweg nur noch in seinem Universum mit all seinen Farben, Bildern und Stimmungen lebe, schließe ich mich im Grunde in seinen Räumen ein. Außenwelt, Kalender, der Alltag und seine Erfordernisse, Gesundheit und Wohlbefinden treten zurück, und das Leben findet nur noch in diesem entrückten Auftragsraum statt. Es ist keineswegs die ruhige Zurückgezogenheit einer klösterlichen Klausur, sondern viel mehr eine erforschende Besessenheit. „Zum Raum wird hier die Zeit“ heißt es in der vermutlich schönsten Zeile von Wagners Parzifal. Tatsächlich entsteht durch die Suche nach dem Text, nach seinem Duft, seinem Licht und seinem Wesen, ein kleiner hermetischer Bereich, der ein wenig an die stereotypische Vorstellung der mythischen Schriftstellerhütte erinnert.

Still und entspannt dagegen sind die Zeit-Räume, in denen ich für dieses Blog oder die Musterbücher – und natürlich vor allem auf Kunst:Text schreibe. Wie ein Urlaub sind sie eine winzige, fast private und genüssliche Enklave aus Wahrhaftigkeit. Wohltuende Unwesentlichkeiten und perfekte Selbstbestimmtheit erfinden Stunden und Ziele neu.

Die Gesprächszeiten, die auf der Website angegeben sind, begrenzen ihrerseits einen weiteren Zeit-Raum. Er ist ein Patio, ein kleiner und einladender, etwas öffentlicherer Platz voller Begegnung und sommerlicher Leichtigkeit.

In all diesen verschiedenen Facetten gefällt mir der Gedanke, dass meine Arbeitswelt in gewisser Hinsicht einem englischen Garten gleicht, in dem sich die Vielfalt und der Reiz aus der Strukturierung eines riesigen Raums in viele kleine, subtil definierte und völlig unterschiedliche thematische Bereiche mit eigener Nutzung und eigenem Charakter ergeben. Und wer hat schon das Glück, einen Garten zu leben?

09/13/15

Schreiben lernen?

Es beginnt mit einem schwärmerischen Kompliment und endet mit einer Frage: „Ich wünschte, ich könnte auch so schreiben wie du. Kann man das lernen?“ Diese Satzfolge ist mir so vertraut, dass hier ein Klischee angebracht ist: Würde ich jedes Mal, wenn ich diese Bemerkung höre, einen Euro bekommen, würde mein Bankkonto … Nun ja.

Der Wunsch, „gut“ – was dies auch immer heißen mag – schreiben zu können, ist weit verbreitet, auch wenn ich wohl nie ganz begreifen werde, wieso. Für mich ist das Schreiben etwas Normales, Alltägliches, eine Tätigkeit wie jede andere auch, nichts Besonderes eben, und vielleicht entgeht mir deshalb der Grund für diese Sehnsucht. Die Antwort auf die Frage jedenfalls ist widersprüchlich und eines klaren Jeins würdig.

Tatsächlich ist Schreiben in erster Linie ein Handwerk, und als solches erlernbar. Es gibt in dieser Sache keinen nennenswerten Unterschied zwischen einem Tischler, einem Goldschmied, einem Mechaniker oder einem Schreibenden.
Wie in den meisten Bereichen auch, gründet Können auf dem Wechselspiel von Lernen und Üben, und wie bei fast allen erlernbaren Fertigkeiten auch, ist ein früher Beginn bereits in sehr, sehr jungen Jahren für das Erreichen eines hohen Niveaus unerlässlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der erst mit vierzig zum Sport findet, eine Goldmedaille bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen gewinnt, ist eher gering, und dies trifft auch auf das Schreiben zu.
„Lernen“ bedeutet hier weniger die Aneignung konkreter Techniken – diese ergibt sich eher aus dem Üben –, als vielmehr Lesen. Liest ein Kind früh sehr viel und sehr hochwertige Literatur, wobei Qualität und Quantität in diesem Fall gleichermaßen entscheidend sind, bekommt es ganz automatisch das nötige Rüstzeug.
Selbstverständlich ist es in jedem Alter möglich, sich an Neuem zu versuchen, oder vernachlässigte Fähigkeiten weiterzuentwickeln oder zu verbessern. Es sollte demjenigen allerdings immer bewusst bleiben, dass „besser“ nicht notwendigerweise mit „herausragend“ gleichzusetzen ist. Ob beim Musizieren, Malen oder Schreiben: Nur jahrelanges Üben und ein sehr großer täglicher Arbeitsaufwand ermöglichen es, zu einer gewissen Virtuosität zu gelangen, und deshalb lässt sich Zeit nur bedingt nachholen, auch wenn der Versuch auf jeden Fall löblich und zu unterstützen ist.

Handwerkliche Tätigkeiten und Sport haben jedoch eine weitere Gemeinsamkeit, und an diesem Punkt offenbart sich der tückische Charakter der anfänglichen Frage: Interesse, Begeisterung und Einsatzbereitschaft genügen nicht, wenn nicht eine grundsätzliche naturgegebene Basis vorhanden ist. Wer zwei linke Füße hat, wird es sicher niemals zu einem Tennisspieler von Weltrang bringen, wer zwei linke Hände hat, wird unwahrscheinlich zu einem neuen Monet erwachsen – und wenn er noch so verbissen übt.
Doch woraus besteht Schreibtalent überhaupt? Welche Eigenschaften muss man „mitbringen“, um gut schreiben zu können? Es gibt vermutlich Millionen von Definitionen, und ich kann nur versuchen, meine eigene hinzuzufügen.

Im Gegensatz zu dem, was viele anführen, wird der berühmte „besondere Sinn für das Wort“ durch reichliche frühkindliche Lektüre vermittelt und zählt aus meiner Sicht daher zum Erlernten und nicht zum Angeborenen. Sprachgefühl ist die Fähigkeit zu wissen, wann man mit welchem Wort welche Wirkung erzielt – ähnlich wie ein Maler weiß, welche Farbe in seinem Gemälde welche Stimmung wiedergibt. Es geht lediglich um die richtige Verwendung des richtigen Werkzeugs am richtigen Platz im richtigen Augenblick. Dieses Wissen wird zum Teil bewusst, zum Teil intuitiv erworben. Der Maler studiert hierzu die Werke anderer, der (künftige) Schreibende liest.
Zu den Faktoren, auf die Lernen und Üben keinen Einfluss haben, die also das eigentliche Talent darstellen, gehören vor allem eine übersteigerte Sinneswahrnehmung und ein abnormales Gespür für Dinge und Stimmungen. Beide haben durchaus eine psychologische Komponente. Diese Fähigkeiten gehen weit über eine sehr hohe Beobachtungsgabe hinaus und können als rezipierende Überempfindlichkeit und Scharfsichtigkeit bezeichnet werden. Sie betreffen das gesamte Spektrum natürlicher und menschlicher Erscheinungen: Licht, Farben, Düfte, Formen, Strukturen, Wetter, Geräusche, Bildkompositionen, Ästhetik, Situation, Zusammenhänge, Details, Ungesagtes, Verschwiegenes, Angedeutetes, Unbewusstes.
Diese übersteigerte, überspitzte, empathisch-seismographische Blickschärfe, diese andere Art, die Dinge zu sehen, ist meiner Meinung nach das, was als „Talent“ bezeichnet werden kann, denn sie ist allgegenwärtig, ungewollt und unkontrollierbar.

Auch wenn man Talent nicht steuern kann, kann jeder bis zu einem gewissen Grad alles erlernen – ob Schwimmen, Schreinern oder Schreiben. Seinen Schreibstil zu verbessern und einen neuen Zugang zum Text zu finden, ist immer eine belohnende und bereichernde Erfahrung. Fortschritte und Erfolg sind eine relative Angelegenheit, und der einzige Maßstab sollten die eigenen Ziele sein, nicht die Texte anderer.

04/12/15

Ausgleich und Regeneration

Schon einige Male habe ich hier im Blog erwähnt, wie intensivere Arbeitsphasen, insbesondere im Falle von komplexeren Blockaufträgen, den Alltag verändern, ja ganz und gar abschalten, und Körper und Geist auf eine harte Probe stellen können.

Geht eine solche Zeit zu Ende, ist dementsprechend Regeneration nötig. Es gibt viele Wege, wieder zu Kräften zu kommen. Manche finden im Sport, im Faulenzen oder schlicht in einem Kurzurlaub den nötigen Ausgleich, andere bevorzugen Haushalts- und Gartenarbeiten oder die Pflege eines bestimmten Hobbys. Ausschlafen, gesunde Ernährung und viele Stunden an der frischen Luft sind natürlich wünschenswert.
Doch der Idealfall ist nicht immer zu verwirklichen – sei es, dass die freie Zeit bis zum nächsten Auftrag sehr begrenzt ist, dass das Wetter nicht mitspielt oder das Bankkonto sich vehement und unversöhnlich gegen den Traum eines Tapetenwechsels ausspricht.
Freie und erst recht schreibende Freie wissen nur zu gut, dass Aufträge keinem idealen theoretischen Zeitplan folgen und Selbstbestimmung bis zu einem gewissen Grad als illusorisch betrachtet werden muss. Jeder muss deshalb Strategien entwickeln, die ihm die bestmögliche Erholung mit den einfachsten Mitteln bieten.

Wenn ich Hunderte von Stunden unaufhörlich und mit der mir höchstmöglichen Geschwindigkeit tippend vor dem Laptopbildschirm verbracht habe, gibt es viele Dinge, nach denen ich mich sehne. Es sind hauptsächlich einfache Freuden: Zeit, meinen Töpfchengarten zu pflegen, einem Rotkehlchen beim Baden zuzuschauen, das Spiel eines Sonnenstrahls in den Zweigen eines erblühenden Baumes zu beobachten, am Abend ein gutes Buch zu lesen, gehört zu diesen harmlosen Wünschen. Doch so anspruchslos sie klingen mögen, auch sie sind nicht immer zu erfüllen.

Die körperliche und geistige Regeneration aber beginnt mit einem schlichten Schritt: analoges Schreiben.
Das Notizbuch, der Kugelschreiber und der Bleistift in meiner Hand bringen Ruhe in meine Gedanken, entspannen den Körper. Die Freiheit, mich vom unbestritten nützlichen und effizienten, jedoch ungeliebten Computer fernzuhalten und der sinnlichen, genussvollen Art des Schreibens hingeben zu dürfen, schenkt mir den intimen Rückzug, der wirkliche Erholung bedeutet. Neudeutsch heißt das: „Entschleunigen“. Tatsächlich fühlt es sich wie Urlaub an. Mit der Hand zu schreiben, ist schlichtweg „das Gegenteil von Arbeit“, und selbst wenn ich dabei einen Blogartikel entwerfe, nehme ich vor allem die Leichtigkeit des Privaten wahr.

Altmodisches Papier, Stift und Handschrift sind für mich Werkzeug und Ausdruck des Selbstbestimmten. Und nichts tut einem so gut, wie die Möglichkeit, zu tun und zu lassen, was man möchte. Ist es nicht gerade die Definition von Urlaub?

01/13/15

Vom Malen und Schreiben

Die enge Verwandtschaft zwischen Schreiben und Malen thematisiere ich gleichermaßen auf TextLoft und auf meiner Künstlerseite und ich spreche sie auch in vielen Blogartikeln immer wieder ausführlich an.
Dieser unmittelbare Vergleich ist ein wichtiger, vielleicht der wichtigste Bestandteil meines Selbstverständnisses. Er ist mein künstlerisches Statement, mein Programm, mein Glaubensbekenntnis und somit ein Leitmotiv meiner Selbstvorstellung.
Doch wie vielschichtig die Ähnlichkeit der Prozesse in beiden Medien tatsächlich ist, wird auch mir manchmal erst auf Umwegen und fast überraschend bewusst.

In letzter Zeit ist mir bei dem Entwurf einiger Artikel für das Musterbücher-Blog aufgefallen, dass die Farbe Braun zur Zeit quantitativ einen erheblichen Platz in meinen Artikeln einnimmt.
Bedenkt man, wie Schreiben entsteht, ist es allerdings nicht verwunderlich.

Künstlerische Arbeit bedeutet in erster Linie eine über längere Zeit ungewöhnlich intensive Auseinandersetzung – sei es mit einem Motiv, sei es mit einem technischen schöpferischen Mittel.
Bei bildenden Künstlern impliziert dies eine zuweilen anstrengende, nicht selten quälende bis selbstzerstörerische Erforschung. Cézanne malte unentwegt denselben Berg, Giacometti verzweifelte an der Darstellung des menschlichen Kopfes, Picasso hatte seine Blaue Periode.
Werkzyklen sind in den meisten Fällen nicht geplant. Sie ergeben sich auf sehr spontane und natürliche Weise aus der unauslöschlichen Neugier, dem Durst nach Perfektion, dem kindlichen Heißhunger nach Details, dem innigen Bedürfnis, zu begreifen, zu erfassen, zu entschlüsseln und zu zeigen. Ist das Interesse einmal geweckt, verändert sich die Sicht aller Dinge und wird themenzentriert, d.h. immer einseitiger und immer vielseitiger zugleich. Facetten gewinnen an Selbständigkeit, es beginnt eine Sucht nach der Suche und eine Suche nach der Sucht. Wie in einem Wahn meint der Künstler, das Thema überall zu finden und zu entdecken. Diese obsessive Verzerrung des Blicks und der Wirklichkeit schenkt ihm im Gegenzug eine enthüllende Schärfe und Weitsicht. Es ist der Weg des Verstehens und der Erkenntnis über die dornigen Pfade der Leidenschaft.

Wenn also die Farbe Braun in diesen Wochen häufiger in meinem Kopf ist, dann zeigt dies vor allem, wie nah Schreiben und Malen einander doch sind, und wie sehr das theoretische Prinzip, das als mein Credo und meine Triebkraft bezeichnet werden kann, manchmal ganz unbewusst gelebt werden kann.
Es ist für mich ein besonders schöner Gedanke, der mich mit den Gleichgesinnten verbindet, die sich wie ich bemühen, festzuhalten und darzustellen, der meiner Arbeit also Sinn und Halt gibt.

12/23/14

Wie ein Arzt ohne Fernseher

In diesem Blog bin ich schon des öfteren auf die Vorurteile und irrigen Vorstellung eingegangen, die viele Menschen mit dem Beruf des Schreibens verbinden. Gleich zwei dieser belustigenden Fehlschlüsse durfte ich in den letzten Wochen erleben – beide nicht zum ersten Mal.

Schreiben zu „können”, ist eine Fähigkeit, die ein breites Spektrum an Einfallsreichtum zu beflügeln scheint.
Einerseits umweht den Schreibenden der Hauch des Allwissenden und Allmächtigen, andererseits ist sein (ja „naturgegebenes”) Können ein gutes Argument, um seine Leistung kostenlos in Anspruch zu nehmen. Seine Situation ist dahingehend mit derjenigen eines Arztes vergleichbar, der auf der Straße, im Supermarkt, im Theater oder auf dem Golfplatz gebeten wird, sozusagen zwischen Tür und Angel Wehwehchen zu kurieren, Symptome zu beurteilen oder sogar Ferndiagnosen zu stellen. Ungeachtet der Themenschwerpunkte wird davon ausgegangen, dass es jemandem, der von Berufs wegen schreibt, nicht schwerfallen kann, alles zu retten, was irgendwie textlicher Art ist, und er „mal eben” ohne Weiteres eine Diplomarbeit im Fachbereich Physik oder Rechtswissenschaften zu begutachten, zu lektorieren und idealerweise auf mögliche Plagiatvorwürfe zu prüfen vermag. Schließlich sind Wörter Wörter, und wer damit umgehen kann, so die vorherrschende Meinung, wird das nebenbei auf die Schnelle erledigen können – natürlich kostenlos, denn wenn man Texte liebt, ist es bekanntlich keine Arbeit.
Einen dieser verblüffenden Momente erlebte ich neulich bei einer Bekannten neueren Datums, die die Antwort auf ihre Frage nach meinem Beruf mit der Bemerkung quittierte, es sei schade, dass wir uns nicht ein paar Jahre zuvor kennen gelernt hätten, ich hätte ihr dann bei ihrer Doktorarbeit helfen können. Pikant wird die Anekdote erst, wenn man weiß, dass die junge Dame im Fach Medizin promoviert hat.

Mit einem weiteren und ebenfalls beliebten Vorurteil beglückte mich kurz darauf eine ältere Dame, die spontan, nachdem sie erfahren hatte, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, als erstes anmerkte: „Ach, dann haben Sie ja gar keinen Fernseher!” Auch dieses Bild scheint in den Köpfen fest verankert zu sein. Menschen des Textes und infolgedessen des Buches können sich unmöglich für triviale Dinge interessieren. Sie beziehen ihre Informationen ausschließlich aus den renommiertesten Zeitungen – oder aber sie nehmen von der bodenständigen Wirklichkeit um sich herum keinerlei Kenntnis – so das Klischee. Im Falle dieser konkreten Geschichte habe ich auf eine ausführliche Aufklärung verzichtet, obwohl die Bemerkung mich sehr schmunzeln ließ. Die Dame wäre sicherlich sehr verunsichert gewesen, wenn ich ihr eröffnet hätte, dass ich nicht nur einen Fernseher besitze, sondern bei weitem nicht nur Kultursendungen schaue, dass das Fernsehen für Schreibende sogar ein wichtiges Arbeitsinstrument sein kann, und dass ich oft vor dem Fernseher schreibe.

Amüsant und kennzeichnend ist die Tatsache, dass sich beide Vorstellungen nicht widersprechen, sondern vielmehr ergänzen: Überschätzung und völlig unrealistische Verherrlichung bedingen geradezu die Erwartung einer ständigen und kostenlosen Einsatzbereitschaft – wie eben bei den „Göttern in Weiß”.

12/16/14

Gute Partner

Eine Bekannte fragte mich vor kurzem, warum ich gezielt Kooperationen mit Grafikdesignern suche.
Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Ganz allgemein ausgedrückt ist es natürlich immer angenehm, mit Menschen zusammenzuarbeiten, mit denen ein grundsätzliches gegenseitiges Verständnis vorhanden ist.
Grafiker, Typographen, Setzer und Webgestalter leben in ihrer Arbeit den gleichen Ansatz wie ich: die Umsetzung eines ästhetischen Konzepts. Ihr Ziel ist es – wie meins auch –, eine Verbindung zwischen den Bedürfnissen und Wünschen ihres Auftraggebers und ihren eigenen Vorstellungen dessen, was sie als geschmackvoll und angemessen empfinden, zu schaffen. Sie sind wie ich Mittler zwischen Idee, Material und Kunden.

Designer sind sich außerdem in besonderem Maße dessen bewusst, dass zwischen einem Text und seinem Erscheinungsbild oder Vorstellungsrahmen eine enge und geeignete Beziehung vorhanden sein muss, damit ein Projekt als Ganzes gelungen, sinnig und erfolgbringend ist. Sie wissen, dass zwischen Text und Layout eine gegenseitige Abhängigkeit besteht und beide nur dann ihre jeweilige volle Wirkung entfalten können, wenn sie miteinander harmonieren. Es ist nur verständlich: Ein edles Juwel in einer Vitrine kann verzaubern und faszinieren. Eine schöne Frau ist ihrerseits ebenso ein beglückender Anblick. Bringt man beide zusammen, unterstreicht das Schmuckstück die Schönheit der Frau, und die Schönheit der Frau hebt erst die Kostbarkeit des Schmuckstücks hervor. Dies ist in etwa die Beziehung, die Text und Layout im Idealfall eingehen: Durch ihre gemeinsame Inszenierung erfahren sie eine gegenseitige Aufwertung. Und genau wie das falsche Kleid auch ein Supermodel zur Witzfigur auf dem Roten Teppich werden lassen kann, kann das falsche Layout die Wirkung eines guten Textes fast zunichtemachen.
Grafiker wissen das, und so ist der Dialog mit ihnen immer fruchtbar und konstruktiv.

Ein weiterer angenehmer Aspekt einer solchen Zusammenarbeit ist der Zeitfaktor. Designer sind ebenfalls Freie, die also auch kaufmännisch „dieselbe Sprache” sprechen und die üblichen Praktiken und Vertragsbedingungen von Kreativen kennen. Es ist nicht erforderlich, sie langatmig und mühselig über Begriffe wie „Nutzungsrecht” oder „Meilensteinzahlungen” aufzuklären, sie nutzen sie auch für ihre eigenen Aufträge. Es spart Zeit und Nerven.

Mit Gestaltern zusammenzuarbeiten, bedeutet für Schreibende zum einen einen Austausch zwischen eng verwandten Welten, zum anderen die Sicherheit, dass Professionalität und zielgerichtetes Handeln eine entspannte und sinnschaffende Projektabwicklung ermöglichen werden – eine ideale Situation.

12/7/14

Home Office & Nachbarschaft

Während der Begriff des „Home Office” mittlerweile in aller Munde ist, ist die Arbeit in den eigenen vier Wänden paradoxerweise noch immer alles andere als selbstverständlich und wird nach wie vor als Kuriosum betrachtet – nicht zuletzt von Nachbarn.

Bei der älteren Generation sind Argwohn und Verdacht die ersten üblichen Reaktionen. Wer den ganzen Tag zu Hause ist, kann kein anständiger Mensch sein. Das Missverständnis kann allerdings und meist dank unverhohlener bis bohrender Neugier im allgemeinen schnell aufgeklärt werden, und gerade dann erweisen sich die Klischees, die sich um den Beruf des Schreibens ranken, als ungeheuer hilfreich. Als „Wortvirtuose”, der in der Tat in der Lage ist, mit dieser schweren Kunst seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, genießt man von da an sogar ein gewisses Maß an Anerkennung, was ein wenig zum Schmunzeln verführt.
Jüngere Menschen kennen solche Vorurteile zwar nicht mehr, aber auch für sie ist die Situation offenbar nicht alltäglich und sie wird unterschiedlich bewertet. Die Palette erstreckt sich von Neid – Geld verdienen zu können, ohne bei Regen und Schnee das Haus verlassen zu müssen, erscheint als äußerst erstrebenswert – bis Mitleid – ein Leben ohne den täglichen Umgang mit den Kollegen an der Kaffeemaschine können sich viele überhaupt nicht vorstellen.

Unabhängig von der Akzeptanz oder Rezeption dieser für die meisten noch immer ungewöhnlichen Arbeitsbedingungen ist das Home Office in Wirklichkeit eine sehr fruchtbare Grundlage für angenehme und interessante nachbarschaftliche Beziehungen.
In unserem Haus, in dem die Mieter sehr häufig wechseln, haben wir schon eine Reihe spannender Bekanntschaften machen dürfen – darunter eine sympathische und entwaffnend chaotische junge Familie, eine alleinstehende Dame mit Hang zur öffentlichen Darstellung ihres Sexuallebens, verirrte Nordlichter, heimwehgeplagte Schwaben, trinkfreudige Studenten und viele Pärchen aller Art … Mit einigen ehemaligen Nachbarn pflegen wir heute noch, lange nach ihrem Auszug, Kontakt.

Tatsächlich wird unser Home Office von unseren Nachbarn als Glücksfall betrachtet, und sie genießen es offenkundig: Kein Paket muss an den Absender zurückgeschickt oder vom Postamt abgeholt werden; während der Urlaubszeit ist jemand da, der den Briefkasten regelmäßig leert, die Blumen gießt oder die Katzen füttert; niemand muss an einem Arbeitstag zu Hause bleiben, weil Handwerker oder Schornsteinfeger ihren Besuch angekündigt haben.
So haben wir unsererseits die abwegigsten Geschichten erlebt: Wir wurden einmal vom Flugzeug aus angerufen und gebeten, eine vergessene Kaffeemaschine auszuschalten; ein anderes Mal mussten wir Briefe mit langersehnten Prüfungsergebnissen öffnen und am Telefon vorlesen.

Auch wenn es nicht immer einfach ist, so unfreiwillig in das Privatleben Anderer eindringen zu müssen, so hat dieses besondere nachbarschaftliche Verhältnis einen sehr schönen Aspekt. Ob wir eine ungeduldig erwartete Bestellung, ein bunt dekoriertes Überraschungspäckchen, einen abgegebenen Blumenstrauß überreichen oder einen für einen Tag hinterlegten Schlüssel zurückgeben – wir bekommen jedes Mal, wenn wir die Tür öffnen, das Geschenk eines aufrichtigen Lächelns. Manchmal – so gestern am Nikolaustag – ist auch ein süßes Dankeschön dabei.

09/7/14

Der Kreative und das Pflichtbewusstsein

Zu meinen ausgeprägten Charaktereigenschaften gehört ein außergewöhnliches Maß an Selbstdisziplin und ein sehr hartnäckiges Pflichtbewusstsein. Während ich Erstere als meine wichtigste Waffe empfinde und dankbar dafür bin, dass sie mir in sehr schweren und dunklen Zeiten immer geholfen hat, trotz gesundheitlicher Behinderung unbeirrt meinen Weg zu gehen, ist Zweiteres eher kontraproduktiv. Zugegeben: Ich hatte nie Probleme, einen Abgabetermin einzuhalten und bin meistens reichlich zu früh mit einem Auftrag fertig, aber von dieser praktischen Seite mal abgesehen, muss ich in dieser Hinsicht jeden Tag aufs Neue lernen, gegen meine eigene Natur zu kämpfen. Schließlich gibt es für Selbständige immer etwas zu tun. Sind Aufträge und Buchhaltung erledigt, geht die Suche nach neuen Auftraggebern weiter. Ich bin zwar alles andere als ein Workaholic, aber solange mir mein Kontostand keine absolute Sicherheit für mindestens ein Jahr signalisiert, plagt mich das schlechte Gewissen, wenn ich auch nur daran denke, mir ein paar Stunden freizunehmen. Rekreative und regenerierende Tätigkeiten wie Malen, Lesen oder Sozialleben bleiben auf der Strecke, und ich kann mich auch nicht mit der Ausrede überlisten, sie würden der weiteren Arbeitsfähigkeit dienen. Das schlechte Gewissen ist lauter als die Vernunft.
Es war in früheren Zeiten anders  – nicht zuletzt, weil mir sogar Kunden vor Augen führten, dass ich zu viel arbeite, und es nicht normal sei, dass ich Tag und Nacht am Schreibtisch zu erreichen sei. Damals war es auch kein Problem, einen Arzt- oder Frisörtermin oder einen Einkaufsbummel mitten am Nachmittag einzurichten. Diese Zeiten sind vorbei. Begünstigt durch technische Mittel, deren Nutzen längst das richtig Maß verloren hat, hat sich Leistungsethik immer stärker in unsere Gesellschaft eingeschlichen. Dieselben Kunden, die mich einst regelrecht dazu aufforderten, frische Luft schnappen zu gehen, sind heute ungehalten, wenn ihre eMail wegen eines kleinen Abstechers über die Toilette nicht klickwendend beantwortet wird. Die schlechte Presse, der Freie und Künstler immer mehr und immer aggressiver ausgesetzt werden, tut ihr Übriges. Ist man „von Haus aus“ ohnehin für eine strenge Arbeitsmoral anfällig, wird es heikel. Das Gefühl, immer zu wenig zu tun, wird zum Dauerzustand.
Für Trost und gute Laune sorgte ganz unverhofft ein zufällig entdecktes Interview mit dem Comiczeichner Giorgio Cavazzano, der auf die Frage nach seinem Tagesablauf ausführlich erklärte, wie er konsequent die Pausen einhält, die sowohl zur Erhaltung seiner kreativen und physischen Leistungsfähigkeit als auch eines ausgeglichenen Sozial‑ und Privatlebens nötig sind. Seine Arbeitszeiten von 9 bis 13 Uhr und von 15 bis 17 Uhr bieten Raum für Golfpartien und Treffen mit Freunden am Mittag, und der nicht verhandelbare Feierabend ermöglicht ihm, sich seiner Familie zu widmen.
Tatsächlich entsprechen diese sechs Stunden sehr konzentrierter Kreativität ziemlich genau dem, was meiner Erfahrung nach als gesundheitlich wünschenswert betrachtet werden kann. Hier darf nicht vergessen werden, dass das selbstvergessene, ablenkungsfreie Arbeiten eines Kreativen nicht mit einer normalen Bürotätigkeit verglichen werden kann und darf. Sie ist wesentlich intensiver und dadurch geistig und körperlich deutlich anstrengender. Es ist etwa so, als würde man Leistungssport auf höchstem Niveau betreiben oder aber hobbymäßig joggen.
Auch wenn es mir im Gegensatz zu Herrn Cavazzano nicht so bald gelingen wird, mich ab und zu zu einer freien Stunde zu überreden oder meinen Auftraggebern gegenüber einen erstrebenswerten Rhythmus durchzusetzen, so hat mich doch dieser Artikel bestätigt, getröstet, bestärkt und mir auf erfrischende Weise Mut gemacht. So müsste es wirklich sein  – und ich halte mich zur Zeit ein wenig an seinen Worten fest.

07/1/14

Die Bezeichnung „Textkünstlerin“

Eine gute Freundin zeigte sich neulich darüber überrascht, dass ich auf meiner Website als Berufsbezeichnung nunmehr „Textkünstlerin“ eingetragen habe. Sie schickte sich schon an, mich für ein ganz atypisches und möglicherweise neu entdecktes Selbstwertgefühl zu loben – vorschnell und ungerechtfertigterweise allerdings, denn es handelt sich dabei um eine sehr pragmatische und offen gestanden ungeliebte Entscheidung und den Versuch, Klarheit zu schaffen.

Als ich das Projekt „TextLoft“ ins Leben rief, ging es vor allem darum, Texten und Textkäufern einen Raum zu geben, in dem die ästhetischen Werte, also die Schönheit des Produkts „Text“, im Vordergrund stehen. Was für mich ganz selbstverständlich ist, muss für andere aber nicht notwendigerweise einleuchtend sein – erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass ich damit einen sehr eigenwilligen und im deutschen Sprachraum erstmaligen Weg gehe.
Eine Berufsbezeichnung ist nichts an sich Wichtiges, sie ist nur ein Wort. Nichtsdestotrotz kann sie hilfreich sein, um eine bestimmte Art von Leistung von anderen, mit ihr eng verwandten, abzugrenzen und das eigene Selbstverständnis in kurzer und prägnanter Form darzulegen.
Ich bin nicht Schriftstellerin, denn ich schreibe und veröffentliche nichts, was annähernd literarischen Kriterien entspräche.
Ich bin auch nicht Autorin – auch wenn ich in der Vergangenheit an einigen Publikationen mitgearbeitet habe. Dass ich Kriminalromane schreibe, ist eine Freizeitbeschäftigung, die nichts mit einer bezahlten Tätigkeit zu tun hat.
Ich bin auch nicht Texterin, Copywriter oder Werbetexterin. Ich entwickle keine Claims und schreibe nicht nach Vorgaben und einer kurzen Einarbeitungszeit alltagstaugliche Texte zu jedem beliebigen Thema.

Für mich ist das Schreiben die Fortsetzung der Innenarchitektur, der Malerei, der Bildhauerei, der Fotografie mit anderen Mitteln.

Wenn ich im Auftrag schreibe, dann in meinem eigenen, erkennbaren Stil und innerhalb einer bestimmten Auswahl an Themen, die mit diesem Stil harmonieren. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Maler oder ein Bildhauer gebeten werden, ein Porträt oder eine bestimmte Dekoration anzufertigen. Im fertigen Werk bleibt im Rahmen der Auftragsbeschreibung und der Wünsche des Kunden ihre Handschrift immer präsent, deutlich und unverwechselbar – auch Jahrzehnte später werden das Bild oder die Skulptur mühelos dem Künstler und nicht seinem Auftraggeber zugeordnet. Der Sinn von TextLoft ist es, genau diese Art von Arbeiten zu erschaffen, und in dieser Hinsicht ist mein Ansatz kein primär kaufmännischer, sondern ein künstlerischer – sei es als Artketing für Unternehmen oder als Texte für Künstler oder Kunst- und Kulturorganisationen oder in meiner Eigenschaft als Kunstschriftstellerin.

Dass ich mich also als Textkünstlerin bezeichne, ist zum einen nur ein Wort, weil Berufsbezeichnungen in einer positionssüchtigen Welt nur einmal verlangt und erwartet werden. Im Inhalt ist diese Bezeichnung wiederum vor allem der Ehrlichkeit geschuldet und soll Interessenten helfen, zu verstehen, was ich ihnen anbieten kann und was sie bei mir nicht bekommen. Künstlerische Arbeit ist nämlich auch immer mehr oder weniger genregebunden. Ich schreibe keine Sockenbeschreibungen für einen Versandkatalog, blogge nicht über elektronische Geräte oder Investment. Sehr wohl aber kann ich einem Restaurantbesitzer helfen, seine Spezialitäten so vorzustellen, dass der Leser sie zu schmecken meint, Touristen die Stimmen eines ganzen Landes plastisch und greifbar vermitteln. Ich (be)schreibe Stimmungen, lasse Assoziationen entstehen.
Ich tue also genau das, was Künstler eben tun: Augenblicke und Bilder einfangen und teilen. Und ja: Ein Hinweis auf meine Preisvorstellungen ist diese Berufsbezeichnung auch, denn für 0,02 €/Wort arbeite ich nicht.

Außerdem hat meine Arbeit andere Aspekte. Wie auf meiner anderen Website zu sehen ist, arbeite ich auch an Projekten, die weder der Textarbeit im üblichen Sinne noch der Schriftstellerei zuzuordnen wären. Es sind zweckfreie Texte, die als in sich (ab)geschlossen zu betrachten sind, die ausgestellt oder einzeln als „l’art pour l’art“-Miniaturen oder Sammlung erworben werden können, die keine Geschichte erzählen, nicht veröffentlicht werden, sondern die kleinen und schönen Dinge des Lebens einfach festzuhalten versuchen.

So fügt sich ein Mosaik zu einem Begriff zusammen. Wohl fühle ich mich damit zugegebenermaßen ganz und gar nicht. Er klingt merkwürdig und hochtrabend. Vielleicht sogar ein wenig lächerlich. Aber er trifft den Kern der Sache.

06/26/14

Zurück in den Alltag

Erstreckt sich eine Auftragsarbeit über einen längeren Zeitraum und erfordert sie besondere Ausdauer und intensive Konzentration, gehört es zu den schwierigeren Aufgaben, nach ihrem Abschluss physiologisch und gedanklich ins Leben zurückzufinden.
Nachtschichten, vernachlässigte Mahlzeiten und völlige Abgeschiedenheit haben den Biorhythmus durcheinandergebracht, und es entsteht eine Art „Jetlag“. Bis der Körper wieder funktioniert, wie er es sollte, kann es durchaus einige Tage dauern. Die vielgepriesene „Mütze voll Schlaf“ genügt hier nicht. Eine erhöhte Flüssigkeits- und Vitaminzufuhr ist hilfreich – und sei es hauptsächlich subjektiv.
Vor allem aber muss der Geist zur Ruhe kommen, und es muss wieder an die Wirklichkeit angeknüpft werden. Ersteres kann sich manchmal von allein ergeben: Ist man vollkommen erschöpft, fällt es nicht schwer, Abstand zwischen sich, den Texten und dem Kunden zu schaffen. Der Weg zurück zur Normalität kann auch über bodenständige Tätigkeiten führen: Putzen, Aufräumen und zu beseitigende Wäscheberge haben eine recht heilsame Wirkung. Diese kleinen Pflichten sind zwar ein befriedigender und positiver Ausgleich, der das schöne Gefühl eines Neuanfangs vermittelt, allerdings sind sie bei weitem nicht hinreichend, um wieder Fuß im „echten Leben“ zu fassen.
Einige Dinge müssen regelrecht neu erlernt werden. Hierzu gehört die Wahrnehmung der „Welt da draußen“, deren Existenz über Tage oder Wochen weniger verleugnet denn gänzlich vergessen wurde. Es gilt, Nachrichten nachzulesen, sich wieder auf den neuesten Stand dessen zu bringen, was inzwischen passiert ist. Es ist nicht immer ganz leicht, die enge Zelle des Auftrags, die weder Licht noch Töne hereinließ, zu verlassen und sich vor Augen zu führen, dass andere in dieser Zeit, die einem selbst wie ein milchiger Raum jenseits aller Dimensionen vorkommt, tatsächlich unverändert ihren üblichen Beschäftigungen nachgegangen sind.
Paradoxerweise verlängern solche Arbeitsphasen durch ihre Wirklichkeitsferne die Zeit, verformen sie, ziehen sie ins Unendliche auseinander und können dadurch eine Art Entfremdung selbst zu nahestehenden Menschen schaffen. Wie nach einer langen Krankheit, während derer alles still steht, fällt die Rückkehr zur Selbstverständlichkeit, zu den einfachsten Gewohnheiten mitunter schwer, erfordert Geduld und Maß. Die wiedergewonnene Selbstbestimmtheit und die Erleichterung sind zunächst kaum zu genießen – zu kompromisslos und brutal wurden Körper und Geist traktiert, zu irreal scheint in diesen ersten Stunden das Ende der Kasteiung.
Während dieses Übergangs, in dem nichts mehr so wichtig wirkt, wie Erholung und Freiheit, legt sich jeder Sonnenstrahl, der überraschend durchs Fenster tritt, pflegend auf das geschundene Hirn, jedes Vogelgezwitscher führt ein wenig zurück. Zu dem, was sich so Leben nennt.

05/6/14

FAQ für Schreibende

Hat man erst einmal erzählt – wenn auch ungern -, dass man schreibt, gibt es eine Reihe von Fragen, die mit schlafwandlersicher Sicherheit lawinenartig auf einen zukommen: „Seit wann schreibst Du denn?“ „Wie kamst Du zum Schreiben?“ und „Und wieso kannst Du denn so gut schreiben?“.
Diese FAQ kommen vorzugsweise gerade dann ans Licht, wenn man sie nicht gebrauchen kann: auf einer Party; wenn der Verwalter einen neuen Nachbarn vorstellt und sich befleißigt fühlt, gleich darauf hinzuweisen, was die anderen Mieter im Haus beruflich denn so anstellen; wenn Menschen aus dem Viertel, die man zum Beispiel zufällig bei der Gartenarbeit kennengelernt hat und mit denen man ab und zu Small Talk pflegt, irgendwann auffällt, dass man den lieben langen Tag zu Hause verbringt und nicht ersichtlich ist, womit man sein Geld verdient … Es gibt so viele Gelegenheiten dazu. Zu viele.
Selbst dann, wenn die Situation bekannt und bereits erwartet wird, ist sie nicht ohne Weiteres zu meistern. Der Umstand, in den unpassendsten Momenten urplötzlich unter gaffenden bis bewundernden Blicken im Mittelpunkt stehen zu müssen, ist nur ein Aspekt dieser Peinlichkeit. Viel schlimmer ist die Tatsache, dass es darauf keine Antworten gibt –  genauer gesagt keine, die als solche empfunden und akzeptiert würden.

Erfahrungsgemäß haben sich im ersten Fall „Schon immer“ oder „Soweit ich zurückdenken kann“ als für das Gegenüber wenig befriedigend erwiesen. Die nächste Frage folgt auf dem Fuße: „Was meinst Du mit: ‚schon immer’?“ Dann wird es heikel. Erwartet derjenige etwa wirklich Einzelheiten? Die ganze Geschichte in aller Ausführlichkeit? Soll ich vielleicht, damit er Ruhe gibt, erzählen, dass ich schon als Kleinkind Bücher für meine Puppen schrieb und es für meinen Schreibdrang nie genug Papier im Haus geben konnte, und damit mitten auf einer Hochzeit, Beerdigung oder einer Geburtstagsfeier, die nicht einmal meine ist, eine Aufmerksamkeit, die ich auf keinen Fall will, auf mich ziehen? Es ist eher nicht meine Art, und der Satz „Ich habe schon als Kind geschrieben“ ist in den meisten Fällen nachweislich kein kluges Ausweichmanöver, denn ein bohrendes „Ach ja? Was denn? Und wie alt warst Du da?“ lässt nie lange auf sich warten. Das selbstironische und abwinkende „Ach, schon ewig“ hingegen vermag es zwar hie und da, eine gewisse abwehrende Haltung und Distanz zu vermitteln, aber nur bedingt, und dies ist nicht von langer Dauer. Ist der Zeitpunkt schon nicht zu ermitteln, dann muss ja wohl zumindest das „wie und warum“ herauszubekommen sein. Womit die zweite häufig gestellte Frage erreicht ist.

Der Erfolg einer ehrlichen Antwort hängt hier stark vom Bildungsgrad und Feingefühl des jeweiligen Gesprächspartners ab. Ein ernstgemeintes „Ach, ich kann gar nicht anders“ setzt manchmal durchaus den ersehnten Schlusspunkt – sei es, weil derjenige aufgrund seines akademischen Hintergrunds in der Tat nachvollziehen kann, was gemeint ist, sei es, weil er mich dann für eine kauzige und überhebliche Verrückte hält und um sein Leben fürchtend das Weite sucht. Schlimmstenfalls aber geht das Verhör unbeirrt weiter, und minutenlang schaue ich in leere, fragende Augen, bis endlich eingesehen wird, dass von mir wohl keine vernünftige, für alle verständliche und als gültig zu betrachtende Erklärung zu erwarten ist und ich vermutlich der langweiligste oder exzentrischste Mensch – was im Grunde ja das Gleiche ist – auf der Veranstaltung bin. Hilfreicher ist die achselzuckende Variante, es habe sich so ergeben, nach der man nur noch als öde, aber zumindest nicht als seltsam betrachtet wird.

Bei der dritten FAQ ist es ein wenig anders. Kennt derjenige meine Arbeiten nicht, ist das Thema schnell ausgeräumt: Mit der von einem verschmitzten bis charmanten Lächeln unterstrichenen Bemerkung, ich könne es eigentlich gar nicht so gut, täte es aber trotzdem, ist die Sache in der Regel erledigt.
Bezieht sich die Frage konkret auf meine Texte, wird es wieder recht unangenehm. Ganz gleich, für welchen Weg ich mich entscheide – er ist der falsche. Sage ich, dass ich schon immer so schreiben konnte und nicht weiß, warum, umgibt mich die unangenehme Aura des überheblichen Genies, dem alles zufliegt und das unfair spielt, weil die Natur ihm etwas gegeben hat, was andere nicht haben können. Und das mag niemand. Erzähle ich, dass ich schon als Kind Tausende von Büchern gelesen habe und ich darin einen Zusammenhang sehe, gehöre ich in die Schublade der rechthaberischen Streber, der obendrein noch etwas verschweigt, denn so einfach kann die Lösung ja nicht sein. Das mag auch keiner. Erkläre ich, dass ich Dinge schlichtweg gern beobachte und festhalte, so wie andere eben eine Kamera zücken, und ich deswegen das dazu nötige Werkzeug immer wieder und jeden Tag zu verbessern versuche, klingt es abgehoben und reichlich verschroben. Als Begründung kommt es nicht durch und auch nicht gut an. Erzähle ich, dass Schreiben nichts als Handwerk ist, bin ich ein lästiger Oberlehrer oder wahlweise falsch bescheiden. Das ist ebenso wenig vorteilhaft.

Ob mich diese FAQ deutlich in Verlegenheit bringen oder ich sie lediglich als lästig empfinde, hat hauptsächlich mit Tagesform und Laune zu tun. Im Nachhinein muss ich nicht selten schmunzeln und frage mich, ob auch Kunstmaler oder -fotografen ähnliche auch erdulden müssen. Interessanterweise fragt so gut wie niemand, was ich eigentlich so schreibe …

04/29/14

Im Rhythmus der Landschaft

Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung können bekanntlich recht unterschiedlich ausfallen. Letztere kann Korrektiv sein … oder einfach auf gegensätzlichen Vorlieben beruhen.

Aus meiner Sicht plätschert mein Leben gleichmäßig dahin. Es ist nicht besonders aufregend, vielleicht sogar etwas eintönig. Dass ich mit dieser Meinung relativ alleine da stehe, vergesse ich meistens, und erst Fragen oder Bemerkungen in meinem Umfeld erinnern mich daran, dass das, was ich als unspektakulären Alltag und – von den kleinen und großen Katastrophen, die jeden mal heimsuchen können, abgesehen – ereignislose Normalität bezeichnen würde, für andere nichts als Chaos und unzumutbare Achterbahnfahrten ist.
Tatsächlich gleicht ein Schreiberleben in vielerlei Hinsicht einer Autofahrt auf Landstraßen durch die Alpen im Hochsommer. Anstrengende, endlos scheinende Streckenabschnitte zwischen unerbittlich überhitzten Steinwänden, die jeden Lufthauch verschlingen, fordern bei aller Schönheit höchste Wachsamkeit und Konzentration. Gerade dann aber, wenn die Erschöpfung greifbar wird, erbarmt sich die Landschaft. Die haaarnadelartigen Kurven werden seltener, die Straße nach und nach breiter, der Asphalt glatter, die Atmung ruhiger. Malerische Ortsdurchfahrten vermitteln Sicherheit und Geselligkeit. Körper und Geist entspannen und erholen sich, tanken Kraft vor dem nächsten Anstieg.

Dieser ständige und stetige Wechsel zwischen arbeitsreichen und ruhigen Phasen, zwischen Zeiten, in denen nicht einmal Nachtschichten reichen wollen, um Herr der Auftragsflut zu werden, und schreibtischfreien Tagen, gehört für mich zu den angenehmsten Seiten meines Berufs. Ich empfinde ihn als gesund, weil regenerative Abschnitte bewusster und tiefer erlebt werden, der Biorhythmus spürbarer ist und das subjektive und objektive Wohlbefinden individueller gesteuert werden können. Er ist außerdem bereichernd, weil im Tal die Luft frischer, die Farben leuchtender werden. Das Leben scheint vervielfacht, überschwänglich, großzügig, verschwenderisch sogar. Wenn sich dann der nächste Berg am Horizont abzeichnet, wird seine steinerne Übermacht nicht mehr zur Last, sondern zur spannenden Herausforderung.

Nur wenige können offenbar diese Art des Lebens und Arbeitens nachvollziehen, die nicht selten mit mitleidvollen Blicken quittiert wird, als wäre ich in einem Horrortrip gefangen und gezwungen, ihn durchzustehen. Was die meisten als undurchschaubare Belastung betrachten, ist mein Weg in die Freiheit – in den sonnigen Süden.

12/9/13

Und das Chaos bleibt aus

Berufsbilder werden weniger von tatschlichen Informationen, Fakten und Zahlen geprägt als von hartnäckigen Gerüchten, die sich nicht selten über Jahrhunderte halten. So sollen Schreibende, die etwas auf sich halten, in mit allerlei Unrat vollgestopften Wohnungen hausen, verwahrloste fleckige Kleidung – vorzugsweise Schlafanzüge, Morgenmantel oder schlicht Unterwäsche – tragen, sich hauptsächlich von Kaffee und Alkohol ernähren, und schon gar nicht in der Lage oder willens sein, die einfachsten praktischen Dinge zu organisieren und zu meistern, geschweige denn Termine einzuhalten. Interessanterweise ist diese Vorstellung auch unabhängig von Bildungsgrad oder gesellschaftlichem Hintergrund verbreitet.
Ich habe andernorts geschildert, wie verblüfft manche Besucher sind, wenn sie ein sauberes, aufgeräumtes und recht puristisch eingerichtetes TextLoft betreten. Ähnliche Reaktionen beobachte ich auch immer wieder, wenn jemand zufällig die Gelegenheit bekommt, einen Blick auf meinen Terminkalender zu werfen, der offen ausgebreitet auf meinem Schreibtisch liegt und für viele offenbar eine Art Faszinosum darstellt.
Es handelt sich um einen XL-Moleskine-Wochenkalender mit Notizbuch, wie er hier zu sehen ist. Dieses Format verwende ich schon seit geraumer Zeit, weil es eine gute Verbindung von Terminen, Aufgaben und Projekten und die parallele Verwaltung von konkreten Daten und Zeitleistenabläufen ermöglicht.
Der Kalender wird streng und ausführlich geführt. Feste Termine, Projektphasen und Unumgängliches werden links eingetragen, während die Notizbuchseite rechts eine flexiblere To-Do-Liste aufnimmt: Korrespondenz, Blogartikelplan, zu erledigende Recherchen, aber auch ganz praktische haushalts- und gartenbezogene Aufgaben werden nach einem konsequenten System aus Farbkennzeichnungen, doppelten, einfachen und gestrichelten Unterstreichungen notiert und in einem kurzen Text präzise erläutert. Diese durchgehende Strukturierung des Alltags passt in der Vorstellung der meisten in keiner Weise zu einem vermeintlich „spontan inspirierten“ „Kreativen“, dem ja per se jede Form von Pflichtgefühl und Selbstdisziplin fehlen müssen, und es ist immer wieder äußerst amüsant, zu beobachten, mit wie viel Enttäuschung die Entzauberung mitunter einhergeht.
Dabei funktioniert der kausale Zusammenhang genau umgekehrt. Schreiben ist eine ganz und gar sinnliche Tätigkeit, die als solche zwei Dinge erfordert: innere Ruhe und grenzenlose Freiheit. Ohne diese beiden Bedingungen ist es nicht möglich, sich gedanklich einzulassen und unbelastet den Zugang zu dem zu erspüren, woraus Text werden soll. Das nur scheinbar grenzenlose und prosaische Regiment einer kleinlich-zwanghaften Zeitplanung schafft erst die Unbeschwertheit, ohne die nicht geschrieben werden kann.

07/28/13

Sommerzeit

Der Sommer ist im TextLoft wider Erwarten immer eine aufregende Zeit.
Dabei deutet zunächst nichts darauf hin. Viele Stammkunden gönnen sich eine Pause und entfliehen für ein paar Wochen dem Alltag, der eingespielte Rhythmus aus Aufträgen und Anfragen wird langsamer – als ließe er sich von Wärme und Sonne anstecken und wollte er sich herausnehmen, nach eigenem Gutdünken dahinzuplätschern und der allgemeinen Trägheit zu folgen. In der Tat könnten es ihm die Tage gleichtun und niemand würde sich darüber wundern. Am Abend, wenn Meisen und Amseln des Badens müde sind und die Terrasse freigeben, die für die kommenden Stunden zum Schreibplatz werden darf, tragen allenthalben fröhliche Stimmen, Gelächter und Musik den Duft von Holzkohle, noch heißem Kuchen und Gegrilltem ins Loft, Leben und Schreiben fühlen sich leicht an. Federleicht.
Doch die euphorische Unbeschwertheit verführt nicht nur zum Träumen. Es ist der richtige Moment, Bilanz zu ziehen, die kommenden zwölf Monate zu überblicken, Ideen niederzuschreiben, Projekte bis ins kleinste Detail durchzuplanen, Terminkalender auszufüllen, mit Überschwang Neues in Angriff zu nehmen. Akten werden umsortiert, neue Mappen beschriftet, Buchhaltung und Kundenverwaltung umorganisiert, Ordnerstrukturen auf der Computer-Festplatte gestrafft, Schreibwaren bestellt. Im Loft herrscht Aufbruchsstimmung.
Diese energiegeladenen Tage lassen durch das abergläubisch gepflegte Versprechen besserer Zeiten ein wenig vergessen, wie lange der letzte Urlaub zwischen Lavendel und blauen Wellen doch schon zurückliegt.