02/14/16

Zeit-Räume

Im TextLoft ist oft von Raum die Rede: von Text-Räumen, also reellen und virtuellen Räumen, in denen Text entsteht, vom leeren Raum einer Seite, der durch Strukturen und Worte zu einem Text eingerichtet wird … Die Analogie von Text und Raum ist auf der Website allgegenwärtig.

Räume sind auch ein wesentlicher Bestandteil nicht nur meiner Textauffassung, sondern meiner Arbeitsweise.
Wenn ich für das Projekt eines Auftraggebers intensiv in seine Themenwelt eintauche und selbstvergessen über Tage und Wochen hinweg nur noch in seinem Universum mit all seinen Farben, Bildern und Stimmungen lebe, schließe ich mich im Grunde in seinen Räumen ein. Außenwelt, Kalender, der Alltag und seine Erfordernisse, Gesundheit und Wohlbefinden treten zurück, und das Leben findet nur noch in diesem entrückten Auftragsraum statt. Es ist keineswegs die ruhige Zurückgezogenheit einer klösterlichen Klausur, sondern viel mehr eine erforschende Besessenheit. „Zum Raum wird hier die Zeit“ heißt es in der vermutlich schönsten Zeile von Wagners Parzifal. Tatsächlich entsteht durch die Suche nach dem Text, nach seinem Duft, seinem Licht und seinem Wesen, ein kleiner hermetischer Bereich, der ein wenig an die stereotypische Vorstellung der mythischen Schriftstellerhütte erinnert.

Still und entspannt dagegen sind die Zeit-Räume, in denen ich für dieses Blog oder die Musterbücher – und natürlich vor allem auf Kunst:Text schreibe. Wie ein Urlaub sind sie eine winzige, fast private und genüssliche Enklave aus Wahrhaftigkeit. Wohltuende Unwesentlichkeiten und perfekte Selbstbestimmtheit erfinden Stunden und Ziele neu.

Die Gesprächszeiten, die auf der Website angegeben sind, begrenzen ihrerseits einen weiteren Zeit-Raum. Er ist ein Patio, ein kleiner und einladender, etwas öffentlicherer Platz voller Begegnung und sommerlicher Leichtigkeit.

In all diesen verschiedenen Facetten gefällt mir der Gedanke, dass meine Arbeitswelt in gewisser Hinsicht einem englischen Garten gleicht, in dem sich die Vielfalt und der Reiz aus der Strukturierung eines riesigen Raums in viele kleine, subtil definierte und völlig unterschiedliche thematische Bereiche mit eigener Nutzung und eigenem Charakter ergeben. Und wer hat schon das Glück, einen Garten zu leben?

04/12/15

Ausgleich und Regeneration

Schon einige Male habe ich hier im Blog erwähnt, wie intensivere Arbeitsphasen, insbesondere im Falle von komplexeren Blockaufträgen, den Alltag verändern, ja ganz und gar abschalten, und Körper und Geist auf eine harte Probe stellen können.

Geht eine solche Zeit zu Ende, ist dementsprechend Regeneration nötig. Es gibt viele Wege, wieder zu Kräften zu kommen. Manche finden im Sport, im Faulenzen oder schlicht in einem Kurzurlaub den nötigen Ausgleich, andere bevorzugen Haushalts- und Gartenarbeiten oder die Pflege eines bestimmten Hobbys. Ausschlafen, gesunde Ernährung und viele Stunden an der frischen Luft sind natürlich wünschenswert.
Doch der Idealfall ist nicht immer zu verwirklichen – sei es, dass die freie Zeit bis zum nächsten Auftrag sehr begrenzt ist, dass das Wetter nicht mitspielt oder das Bankkonto sich vehement und unversöhnlich gegen den Traum eines Tapetenwechsels ausspricht.
Freie und erst recht schreibende Freie wissen nur zu gut, dass Aufträge keinem idealen theoretischen Zeitplan folgen und Selbstbestimmung bis zu einem gewissen Grad als illusorisch betrachtet werden muss. Jeder muss deshalb Strategien entwickeln, die ihm die bestmögliche Erholung mit den einfachsten Mitteln bieten.

Wenn ich Hunderte von Stunden unaufhörlich und mit der mir höchstmöglichen Geschwindigkeit tippend vor dem Laptopbildschirm verbracht habe, gibt es viele Dinge, nach denen ich mich sehne. Es sind hauptsächlich einfache Freuden: Zeit, meinen Töpfchengarten zu pflegen, einem Rotkehlchen beim Baden zuzuschauen, das Spiel eines Sonnenstrahls in den Zweigen eines erblühenden Baumes zu beobachten, am Abend ein gutes Buch zu lesen, gehört zu diesen harmlosen Wünschen. Doch so anspruchslos sie klingen mögen, auch sie sind nicht immer zu erfüllen.

Die körperliche und geistige Regeneration aber beginnt mit einem schlichten Schritt: analoges Schreiben.
Das Notizbuch, der Kugelschreiber und der Bleistift in meiner Hand bringen Ruhe in meine Gedanken, entspannen den Körper. Die Freiheit, mich vom unbestritten nützlichen und effizienten, jedoch ungeliebten Computer fernzuhalten und der sinnlichen, genussvollen Art des Schreibens hingeben zu dürfen, schenkt mir den intimen Rückzug, der wirkliche Erholung bedeutet. Neudeutsch heißt das: „Entschleunigen“. Tatsächlich fühlt es sich wie Urlaub an. Mit der Hand zu schreiben, ist schlichtweg „das Gegenteil von Arbeit“, und selbst wenn ich dabei einen Blogartikel entwerfe, nehme ich vor allem die Leichtigkeit des Privaten wahr.

Altmodisches Papier, Stift und Handschrift sind für mich Werkzeug und Ausdruck des Selbstbestimmten. Und nichts tut einem so gut, wie die Möglichkeit, zu tun und zu lassen, was man möchte. Ist es nicht gerade die Definition von Urlaub?

12/16/14

Gute Partner

Eine Bekannte fragte mich vor kurzem, warum ich gezielt Kooperationen mit Grafikdesignern suche.
Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Ganz allgemein ausgedrückt ist es natürlich immer angenehm, mit Menschen zusammenzuarbeiten, mit denen ein grundsätzliches gegenseitiges Verständnis vorhanden ist.
Grafiker, Typographen, Setzer und Webgestalter leben in ihrer Arbeit den gleichen Ansatz wie ich: die Umsetzung eines ästhetischen Konzepts. Ihr Ziel ist es – wie meins auch –, eine Verbindung zwischen den Bedürfnissen und Wünschen ihres Auftraggebers und ihren eigenen Vorstellungen dessen, was sie als geschmackvoll und angemessen empfinden, zu schaffen. Sie sind wie ich Mittler zwischen Idee, Material und Kunden.

Designer sind sich außerdem in besonderem Maße dessen bewusst, dass zwischen einem Text und seinem Erscheinungsbild oder Vorstellungsrahmen eine enge und geeignete Beziehung vorhanden sein muss, damit ein Projekt als Ganzes gelungen, sinnig und erfolgbringend ist. Sie wissen, dass zwischen Text und Layout eine gegenseitige Abhängigkeit besteht und beide nur dann ihre jeweilige volle Wirkung entfalten können, wenn sie miteinander harmonieren. Es ist nur verständlich: Ein edles Juwel in einer Vitrine kann verzaubern und faszinieren. Eine schöne Frau ist ihrerseits ebenso ein beglückender Anblick. Bringt man beide zusammen, unterstreicht das Schmuckstück die Schönheit der Frau, und die Schönheit der Frau hebt erst die Kostbarkeit des Schmuckstücks hervor. Dies ist in etwa die Beziehung, die Text und Layout im Idealfall eingehen: Durch ihre gemeinsame Inszenierung erfahren sie eine gegenseitige Aufwertung. Und genau wie das falsche Kleid auch ein Supermodel zur Witzfigur auf dem Roten Teppich werden lassen kann, kann das falsche Layout die Wirkung eines guten Textes fast zunichtemachen.
Grafiker wissen das, und so ist der Dialog mit ihnen immer fruchtbar und konstruktiv.

Ein weiterer angenehmer Aspekt einer solchen Zusammenarbeit ist der Zeitfaktor. Designer sind ebenfalls Freie, die also auch kaufmännisch „dieselbe Sprache” sprechen und die üblichen Praktiken und Vertragsbedingungen von Kreativen kennen. Es ist nicht erforderlich, sie langatmig und mühselig über Begriffe wie „Nutzungsrecht” oder „Meilensteinzahlungen” aufzuklären, sie nutzen sie auch für ihre eigenen Aufträge. Es spart Zeit und Nerven.

Mit Gestaltern zusammenzuarbeiten, bedeutet für Schreibende zum einen einen Austausch zwischen eng verwandten Welten, zum anderen die Sicherheit, dass Professionalität und zielgerichtetes Handeln eine entspannte und sinnschaffende Projektabwicklung ermöglichen werden – eine ideale Situation.

12/7/14

Home Office & Nachbarschaft

Während der Begriff des „Home Office” mittlerweile in aller Munde ist, ist die Arbeit in den eigenen vier Wänden paradoxerweise noch immer alles andere als selbstverständlich und wird nach wie vor als Kuriosum betrachtet – nicht zuletzt von Nachbarn.

Bei der älteren Generation sind Argwohn und Verdacht die ersten üblichen Reaktionen. Wer den ganzen Tag zu Hause ist, kann kein anständiger Mensch sein. Das Missverständnis kann allerdings und meist dank unverhohlener bis bohrender Neugier im allgemeinen schnell aufgeklärt werden, und gerade dann erweisen sich die Klischees, die sich um den Beruf des Schreibens ranken, als ungeheuer hilfreich. Als „Wortvirtuose”, der in der Tat in der Lage ist, mit dieser schweren Kunst seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, genießt man von da an sogar ein gewisses Maß an Anerkennung, was ein wenig zum Schmunzeln verführt.
Jüngere Menschen kennen solche Vorurteile zwar nicht mehr, aber auch für sie ist die Situation offenbar nicht alltäglich und sie wird unterschiedlich bewertet. Die Palette erstreckt sich von Neid – Geld verdienen zu können, ohne bei Regen und Schnee das Haus verlassen zu müssen, erscheint als äußerst erstrebenswert – bis Mitleid – ein Leben ohne den täglichen Umgang mit den Kollegen an der Kaffeemaschine können sich viele überhaupt nicht vorstellen.

Unabhängig von der Akzeptanz oder Rezeption dieser für die meisten noch immer ungewöhnlichen Arbeitsbedingungen ist das Home Office in Wirklichkeit eine sehr fruchtbare Grundlage für angenehme und interessante nachbarschaftliche Beziehungen.
In unserem Haus, in dem die Mieter sehr häufig wechseln, haben wir schon eine Reihe spannender Bekanntschaften machen dürfen – darunter eine sympathische und entwaffnend chaotische junge Familie, eine alleinstehende Dame mit Hang zur öffentlichen Darstellung ihres Sexuallebens, verirrte Nordlichter, heimwehgeplagte Schwaben, trinkfreudige Studenten und viele Pärchen aller Art … Mit einigen ehemaligen Nachbarn pflegen wir heute noch, lange nach ihrem Auszug, Kontakt.

Tatsächlich wird unser Home Office von unseren Nachbarn als Glücksfall betrachtet, und sie genießen es offenkundig: Kein Paket muss an den Absender zurückgeschickt oder vom Postamt abgeholt werden; während der Urlaubszeit ist jemand da, der den Briefkasten regelmäßig leert, die Blumen gießt oder die Katzen füttert; niemand muss an einem Arbeitstag zu Hause bleiben, weil Handwerker oder Schornsteinfeger ihren Besuch angekündigt haben.
So haben wir unsererseits die abwegigsten Geschichten erlebt: Wir wurden einmal vom Flugzeug aus angerufen und gebeten, eine vergessene Kaffeemaschine auszuschalten; ein anderes Mal mussten wir Briefe mit langersehnten Prüfungsergebnissen öffnen und am Telefon vorlesen.

Auch wenn es nicht immer einfach ist, so unfreiwillig in das Privatleben Anderer eindringen zu müssen, so hat dieses besondere nachbarschaftliche Verhältnis einen sehr schönen Aspekt. Ob wir eine ungeduldig erwartete Bestellung, ein bunt dekoriertes Überraschungspäckchen, einen abgegebenen Blumenstrauß überreichen oder einen für einen Tag hinterlegten Schlüssel zurückgeben – wir bekommen jedes Mal, wenn wir die Tür öffnen, das Geschenk eines aufrichtigen Lächelns. Manchmal – so gestern am Nikolaustag – ist auch ein süßes Dankeschön dabei.

11/21/08

Ganz sicher

Es war ein trüber kalter Herbsttag. Draußen nieselte es seit Stunden auf deprimierende Weise. Nicht die kleinste Aufhellung war in Sicht, das Wetter hielt sich unverschämt zuverlässig an die Vorhersage und mit völlig übertriebenem Pflichtbewusstsein an den Kalender. Ich hatte das Licht bereits beim Frühstück einschalten müssen, das ich entgegen seiner Bezeichnung für gewöhnlich jedoch nicht gerade am Morgen einnehme, und seitdem keine Gelegenheit mehr gehabt, die Lampe – und sei es nur für kurze Zeit – wieder auszuschalten, was mir besonders widerstrebte.

Es war die Art von Tagen, an denen die meisten krampfhaft versuchen, es sich zu Hause bei Kerzen, Tee, gedämpfter Musik und wolligen Decken gemütlich zu machen, um ja nicht zugeben zu müssen, wie unangenehm die Jahreszeit in Wirklichkeit ist; die Art von Tagen, an denen meine Laune erheblich zu wünschen übrig lässt und ich unruhig in meinem Arbeitszimmer tigere, als würde es diese sinnlose Bewegung vermögen, die sadistischen Wolken umzustimmen. Die heuchlerische Suche nach Geborgenheit und der Rückzug in den schützenden Kokon aus sanftem Licht und warmen Düften ist mir im Allgemeinen kein Trost, auch wenn ich diese Fähigkeit anderer bewundere, aus der Selbstlüge Stärke zu ziehen. Dauert eine solche Wetterfront mehr als drei Tage an, gelingt es mir nicht mehr, die Anspannung zu verdrängen. Schreiben ist nicht mehr möglich, überhaupt wirkt jede Art von Aktivität auf einmal unzumutbar, und wenn nicht einmal die mit aller Kraft bemühte Vorstellung im Frühling blühender Tulpen und sprießender Gänseblümchen das Grau und die Feuchtigkeit zu vertreiben vermag, wenn nervöse Hilflosigkeit und vergrabene Urängste die Oberhand gewinnen, lasse ich mich meistens vor dem Fernseher nieder und verschlinge so lange Comedyserien, bis ich nicht mehr genau weiß, wie die Welt da draußen aussieht, und das Gefühl bekomme, den Tag irgendwie zu überstehen. Ich muss vergessen.
Nach einigen Tagen jedoch stachelt mich das schlechte Gewissen des Leistungsethikers wieder an, und ich muss einsehen, dass das Flüchten nicht ewig währen kann und es wieder an der Zeit ist, zumindest in kleinen Schritten etwas Sinnvolles zu tun. Ablenkung um jeden Preis – nun aber wohl dosiert und vernunftorientiert. Es ist der ideale Moment, um vernachlässigte Korrespondenz nachzuholen, die in Zeiten intensiven Arbeitens zu oft brachliegt. Und die Bemühung, sich auf die Adressaten einzulassen und einigermaßen Spannendes zu berichten, hat die positive Wirkung eines erzwungenen Lächelns: Es geht einem weiterhin schlecht, doch ganz so elendig fühlt man sich nicht mehr.

Genau an einem solchen Tag beschloss ich, ein Vorhaben, dass mir schon seit zwei oder drei Wochen vorschwebte, in die Tat umzusetzen, und mich nach einer für meine Tätigkeit passenden Versicherung umzusehen.
Wer für andere schreibt, sollte sich angemessen versichern, dachte ich so vor mich hin. Schließlich ist ein Schreibender auch nur ein Mensch, und bei aller Sorgfalt und trotz zahlreicher Korrekturdurchgänge kann ihm oder seinem Lektor dennoch ein Tippfehler entgehen.
Und so tat ich das, was auf der Hand lag, schickte zunächst mit der Bitte um Auskunft meinen üblichen Versicherungsvertretern eine ausführliche eMail mit allen Daten zu meiner Arbeit, Kundenportfolio, Auftragsbeschreibungen, und begab mich zudem dahin, wo der Suchende heutzutage Hilfe sucht: ins Internet.

Ich hatte ja Zeit, war gerade nicht in der Stimmung, etwas anderes zu tun, und stöberte also selbstvergessen durch die Angebote der Versicherungen. Ich bekam die Möglichkeit, online Tarife für Kraftfahrzeugversicherungen zu ermitteln – zu schade, dass ich kein Auto habe -, ein witziges Progrämmchen mit süßen Animationen rechnete mir vor, was Inlays und Verkronungen kosten können, ich wurde eindringlichst auf die finanziellen Risiken einer Berufsunfähigkeit aufmerksam gemacht, ich fand Haftpflichtversicherungen für Chirurgen, Anwälte, Bauingenieure und für viele anderen Berufe, von denen ich nur sehr vage ahnen konnte, was sich dahinter verbarg. Aber Menschen, die sich mit Texten befassen? Das schien es auf dem Planeten Erde am Anfang des 21. Jahrhunderts nicht zu geben.
Mit Hartnäckigkeit wühlte ich mich durch die abgelegensten Winkel des WeltWeiten Netzes und entdeckte schließlich in einer besonders stark verstaubten Ecke, in die offenbar seit längerer Zeit kein Mensch mehr vorgestoßen war, drei Gesellschaften, die Angebote für Journalisten und Autoren versprachen. Von Verletzung der Persönlichkeitsrechte durch Zeitungsartikel oder Fotos war die Rede, von horrenden fälligen Zahlungen bei Copyright-Verletzungen, Verleumdungsklagen, Unterlassungsverfahren. Das klang alles natürlich furchtbar wichtig, nicht minder unentbehrlich, hatte nur nichts mit mir zu tun. Eigentlich wollte ich doch nur ein paar Tippfehler oder eine kaputte Daten-CD absichern. War es denn ein so ungewöhnlicher Wunsch? Es schien doch unwahrscheinlich, dass ich die erste sein würde, die an solche Dinge dachte.

Die Recherche war so faszinierend, dass ich tatsächlich bald Tag, Wetter und Uhrzeit vergessen hatte und nicht einmal merkte, dass die Temperatur in meinem Arbeitszimmer merklich abgekühlt war und ich fror. Als es mir endlich auffiel und ich aufstand, um die Heizung einzuschalten, fühlten sich meine Füße wie Eiszapfen an – eine schlechte Angewohnheit, die ich ihnen von November bis April ohnehin schlecht austreiben kann. Ich setzte mich gerade wieder hin, als meine Mailbox sich meldete: Einer meiner Stammversicherer hatte geschrieben.
Sehr viel konnte ich seiner Antwort nicht entnehmen. Er würde sich bei seiner Zentrale kundig machen und Bescheid sagen, erklärte er kurz und knapp. Dass ein regionaler Vertreter nicht alle Versicherungsfälle und -tarife im Kopf haben kann, konnte ich gut verstehen. Ich wartete gespannt auf weitere Informationen.
Zwei Tage später rief er an und erklärte mir, er hätte Rücksprache gehalten und könne mir nichts anbieten: So einen Beruf könne man gar nicht versichern. Es gäbe wohl Versicherungen für Journalisten, falls ich mich für meine Beiträge in meinem Blog versichern müsse. Und wenn ich mehr in Werbung machen würde, dann gäbe es ja schon ‚was, aber so … Die drei Punkte in seiner Stimme gaben das ganze Ausmaß seiner Ratlosigkeit preis und löste meine geradezu aus. Nun ja,  was ich da mache, sei eben keine Werbung, meinte der junge Mann, der rein rechnerisch ohne Weiteres mein Sohn sein könnte, ohne weitere Erklärungen. Er verstünde ohnehin nicht so richtig, was man damit wolle. Ich gab es auf. Vielleicht lag es daran, dass es draußen gerade so trüb war und ich dementsprechend auf eine pädagogische Einführung in die Textarbeit wenig Lust hatte und die nötige Energie nicht aufzubringen vermochte. Ein Stück resignierter Einsicht war aber auch dabei. Wer mein Portfolio gelesen hatte, wusste, was schreibe, und wer es nicht begriffen hatte,  hatte es eben nicht besser verdient, als dass ich mich woanders versicherte. Sollten eigentlich ausgerechnet Versicherer nicht mit allem vertraut sein, was es unter der Sonne, pardon: dem Regen, gibt? Es wurde mir zu dumm, ich gab ihm zum Schein recht und legte auf.

In der Zwischenzeit hatte ich den anderen Gesellschaften, die behaupteten, Freiberuflern etwa Haftpflicht- und andere Versicherungen anzubieten, ebenfalls eine eMail geschickt.
Mit uneingeschränkt lobenswerter und für mich überraschender Geschwindigkeit kamen auch Rückmeldungen.

Die erste erreichte mich übers Telefon.
„Wat wolln Se denn an Texten verchsischern?“ fragte ein älterer Herr mit rheinischen Akzent etwas spöttisch. „Wat soll dat für ne Beruf überchaupt sein? Schreim is doch kein Beruf! Wenn Se für andere schreim, dann ist dat ne Jefällischkeit, und Jefällischkeitn kann man nisch verchsischern. Dat ist so, als würden Se nem Bekannten helfen, seine Wohnung zu chenoviern. Wat wolln Se denn da verchsischern?“ Als ich ihm erklärte, dass man auch mitunter Geld dafür bekommt, wenn man für andere schreibt, konnte ich regelrecht hören, wie ungläubig er gerade am anderen Ende der Leitung dreinblickte: „So wat Verrücktes hab isch noch nie jehörcht! Alllso, isch kann Ihnen nisch hälllfn.“ Irgendwie war es mir klar gewesen.

Von einer anderen Seite wurde ich mit Rückfragen über den „Inhalt“ meines „Gewerbes“ gefragt, und als ich mein Portfolio zusandte, kam mailwendend die Frage, was ich nun genau machen würde.

Wie die Geschichte ausging? Gar nicht. Ich warte noch auf zwei Antworten. Ich werde meine Leser auf dem Laufenden halten. Ganz sicher.