04/1/16

Mailings im TextLoft III: Text und Ansatz

Der Text eines Mailings entsteht nicht an einem Stück. Er ist das Ergebnis einer langen Vorbereitungsphase und eines in Schüben verlaufenden Schaffensprozesses.

Zunächst wird die Liste der Adressaten, die sich aus der Auswertung der Website und anderen Merkmalen ergeben hatte, akribisch bearbeitet. Zu jedem Empfänger werden konkrete Informationen zusammengestellt, die eine persönliche Ansprache ermöglichen. Einen Standard-Text für alle Zwecke habe ich nicht. Es werden nicht nur neue Texte für jede Branche verfasst, ich beziehe mich auch immer gezielt auf das, was mich dazu gebracht hat, diese bestimmte Person anzuschreiben. Bei der jetzigen Kampagne, deren Zielgruppe Gestalter sind, habe ich zu jedem einzelnen eine Karteikarte angelegt: Lieblingsfarben, Design-„Handschrift“ … werden ebenso festgehalten wie die Projekte, die mir besonders gefallen haben. Ich notiere außerdem meine eigene Analyse und Interpretation des Statements jedes einzelnen, und lasse sie in meinen Worten in den Prospekt einfließen. So mache ich deutlich, was mich konkret an der Zusammenarbeit reizt und was ich mir davon verspreche. Mailing ist im TextLoft also nicht nur im Layout Handarbeit.

Ein Teil des Textes stellt natürlich vor, was ich anbiete – jedoch eben niemals in Form eines traditionellen Angebots, sondern durch Aufzeigen eines Selbstverständnisses.
Die aktuelle Werbemaßnahme ist hierfür ein besonders typisches Beispiel. Die Idee, die ihr zugrunde liegt, ist, dass Text und Design nicht als zwei voneinander unabhängige Ansätze, sondern als zwei gleichwertige und untrennbare Seiten des Gestaltungsprozesses betrachtet werden sollten. Die typographische, farbliche und strukturelle Formgebung und die Erschaffung eines Textes, der ästhetischen Werten entspricht, sollten als zwei ineinander verschmelzende Hälften eines einzigen Konzeptes aufgefasst werden. Genauso wie ein guter Text durch ein unpassendes Layout ruiniert werden kann, kann eine unzulängliche Textklangfarbe eine gelungene Gestaltung zunichtemachen. Idealerweise sollten Text und optisches Erscheinungsbild zusammen entwickelt werden oder zumindest bewusst für einander erstellt werden.
Auf diese Weise werden die Adressaten nicht überredet, etwas zu „kaufen“, das sie weder möchten noch brauchen, und sie bekommen auch keine Antwort auf eine Problemstellung. Sie sollen sehen, was möglich ist, und angeregt werden, es zu begehren, es überwältigend zu wollen. Ich gebe ihnen mit meinem Mailing nicht die Möglichkeit, ein Produkt zu finden, nach dem sie gesucht haben oder regelmäßig suchen. Ich schenke ihnen Wünsche und führe sie zu einem Verlangen.

Diese Texte entstehen nicht als Einheit im Arbeitsfluss. Sie keimen oft weit weg von Papier, Stift und Tastatur. Es kann vorkommen, dass ein Absatz mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt und sich aufdrängt. Solche Augenblicke fühlen sich erregend, berauschend und „richtig“ an – ein Heureka-Erlebnis, das einem kein Nachdenken und Suchen je bringen kann. Irgendwann, wenn alle „Textschnipsel“ unabhängig voneinander und in beliebiger Reihenfolge „geschlüpft“ sind, ordnen sie sich von selbst, wie von Zauberhand, zu einem schlüssigen Text und füllen mit bezwingender und mitunter erschreckend souveräner Selbstverständlichkeit den Text-Raum, für den sie bestimmt waren. Alles passt, das Mailing ist fertig. Nun heißt es, keine Tippfehler zu überlesen, zu drucken, und die Umschläge dem Postweg anzuvertrauen.

Im TextLoft sind Mailings keine schnelle, billige und undifferenzierte Werbung für alle und niemanden. Und ich finde es immer wieder schade, dass Unternehmen oder Freiberufler sich mit solchen Werbemaßnahmen, die einen unendlichen Reiz haben können, nicht mehr Mühe geben. Mailings können ein hochwertiges Medium voller Originalität und Persönlichkeit sein und zu einem wirklich messbaren kaufmännischen Erfolg führen. Es ist nur ein wenig Phantasie erforderlich.

Ihnen fehlt die nötige Kreativität für ein wirklich originelles Mailing? Sprechen Sie mich an.

03/30/16

Mailings im TextLoft II: Die Form

Im TextLoft gibt es zwei Arten von Kampagnen. Einige wenden sich an Textdienstleister, die Freiberufler beschäftigen oder vermitteln, und kommen einer Bewerbung nahe – ist das Ziel doch, aufgrund bestimmter Fähigkeiten und Leistungen in eine Mitarbeiterkartei aufgenommen zu werden. Andere wiederum sprechen bestimmte Berufsgruppen aus dem Themenportfolio an und sollen ein Begehren wecken oder eine Zusammenarbeit anregen.

In beiden Fällen ist das Wort „Mailing“ aber in vielerlei Hinsicht trügerisch.
Ich verschicke zum Beispiel nie Werbepost im herkömmlichen Sinn. Das Entwickeln eines Mailings soll aus meiner Sicht vor allem die Frage beantworten, wie die traditionellen Funktionen und Inhalte einer Bewerbung , eines Werbeanschreibens oder einer Kooperationsanfrage mit einem unverwechselbaren und aufmerksamkeitserregenden Ansatz verbunden werden kann. Mein oberstes Prinzip ist es, bedingungslos anders zu denken. Die reine übliche Briefform kommt dabei meistens nicht in Frage. Ich entscheide mich je nach Situation und Zielgruppe für Faltprospekte, Doppelkarten oder sogar ganz abwegige Formate. Eines der Erfolgsrezepte meiner Sendungen ist, dass sie den Empfänger immer überraschen und er schlicht nicht umhinkann, als sich damit zu beschäftigen.

Material und Layout spielen eine wichtige Rolle.
Ich achte bewusst und sehr genau auf die Auswahl der Papiere, die ich einsetze. Farbe, Grammatur, Struktur müssen sowohl zu TextLoft als auch zu Themenfeld und Inhalt passen. Ich bevorzuge außergewöhnliche Materialien, die die Botschaft eines puristischen und zugleich kostbaren Ansatzes in die Haptik übertragen und für solche Zwecke nur selten verwendet werden. Naturpapiere mit Einschlüssen von Stroh, Blüten, Baumrinde oder Früchten gehören ebenso dazu wie besonders matte, pudrige oder raue Oberflächen. Das Papier muss der Ursprünglichkeit des Namens TextLoft, den unbegrenzten kreativen Freiheiten, die er impliziert, Rechnung tragen, perfekt mit den Werten der Zielgruppe harmonieren, aber auch verblüffen und fesseln.

Die Wahl des richtigen Papiers kann ein zeitaufwändiges und nervenaufreibendes Unterfangen sein.
Ich habe bereits zu Beginn eines jeden Mailingprojekts, noch bevor das erste Wort geschrieben ist, eine ganz präzise Vorstellung dessen, wie meine Unterlagen aussehen sollen. Schreibe ich kulturelle Institutionen an, greife ich gern auf ein voluminöses, pudriges, oft weißes Baumwollmaterial zurück, das ich mit Serifenschriften verbinde, während ich für Textdienstleister eher Gmunds vanillige „Act Green Stroh“ und einen Mix aus serifenlosen und Serifenschriften bevorzuge.
Farbe und Tasteigenschaften stehen in meinem Kopf von Anfang an klar und deutlich fest, und nicht immer ist es einfach, das Vorhaben mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, zu verwirklichen. Es kann sein, dass mein Wunschpapier weder mit Laser- noch mit Tintenstrahldrucker in befriedigender Qualität bedruckt werden kann, nicht in der gewünschten Grammatur lieferbar ist, unrealistisch teuer ist oder aus irgendeinem anderen Grund nicht in Frage kommt.
Bei der Vorbereitung zu der aktuellen Aktion zum Beispiel hatte ich mit einigen Rückschlägen zu kämpfen: „Act Green Baumrinde“, das ich einzusetzen gedacht hatte, war zwar als Papier vorhanden, aber die passenden Briefhüllen sollen erst in zwei Monaten oder mehr wieder lieferbar sein. Die Möglichkeit, Umschläge in einer Kontrastfarbe zu verwenden, musste ich verwerfen: In Verbindung mit einem weißen Material etwa wäre meine Sendung farblich zu kalt gewesen und hätte kreidig gewirkt. Ich musste also komplett umdenken. In diesem Fall war es aber ein Glücksfall, denn nach etlichen Musterbestellungen, Probedruckabläufen und stundenlangen Vergleichen entdeckte ich endlich das zweifarbige Kraftpapier „Muskat“ mit warmen Farbtönen und matter Haptik, die regelrecht New Yorker Kreativität und einen zugleich sehr naturbelassenen Charme ausstrahlt, und eine edle und anspruchsvolle Identität widerspiegelt. Dadurch musste ich allerdings geplante Schriftfarben umstellen und für den Druck neue Graunuancen aussuchen. Das geplante Paynesgrau musste einem kräftigeren Anthrazit weichen.

Neben dem Papier ist auch das Layout von entscheidender Bedeutung. Ich ziehe es immer vor, Inhalte so zu platzieren, dass ihre Anordnung selbst eine Geschichte erzählt und den Empfänger führt, so dass er sie in einer bestimmten Reihenfolge entdecken muss.
So kommt es vor, dass ich anstelle eines Anschreibens eine schmale, mit einem Einleitungstext bedruckte Banderole verwende, die Prospekte, Visitenkarte und Datenblatt zusammenfasst: Sie ersetzt sozusagen die Betreffzeile und den Haupttext zugleich.
Bei der jetzigen Kampagne nutze ich das Layout, um die Besonderheiten der Zusammenarbeit mit Gestaltern zu thematisieren. Die Deckblatt-Spalte wird dieses Mal besonders schlicht gehalten. Kontaktdaten habe ich bewusst herausgenommen, sie sind an anderer Stelle zu finden. Wird der Prospekt im geschlossenen Zustand gewendet, sieht der Empfänger zunächst einen augenzwinkernden Text über die Nachteile selbstgebastelter Werbung und die Problematik des Duzens und Siezens unter Kreativen. Wird nur eine Seite geöffnet, stehen sich Statement, Qualifikation und Kontaktdaten links und angebotene Leistungen rechts gegenüber, so dass ein erstes Gesamtbild entsteht. Im Inneren werden die beiden anderen Spalten allen Erwartungen zum Trotz nicht zur Vorstellung von kaufmännischen Inhalten genutzt, wie es üblich wäre, sondern es erstreckt sich über die gesamte Breite ein persönlicher Brief an den jeweiligen Adressaten.

Die Gestaltungsarbeit, die mit der Wahl der Schriftarten, -farben und -größen endet, ist im TextLoft der Grundstein einer jeden Werbekampagne. Darauf wird der Text aufgebaut. Sie bestimmt nicht nur die Gliederung, sondern die Stimmung des gesamten Mailings. Sie ist die Form, in die der Text gegossen wird. Von allen Arbeitsschritten ist sie aber für mich der aufregendste.
Ihren Abschluss findet diese Phase mit dem Briefumschlag: Alle Anschriften schreibe ich per Hand, wobei auch Tintenfarben, Groß- und Kleinschreibung, Abstände und Ränder sorgfältig variiert werden. Bei der jetzigen Kampagne etwa verwende ich Gebrannte Siena auf einem pudrigen Kalkuntergrund.

Dass ich den haptischen und optischen Eigenschaften eines Mailings so viel Zeit und Arbeit widme, hat textpsychologische Gründe. Es geht zwar natürlich darum, von der ersten Sekunde an neugierig zu machen, und dieser Faktor ist nicht zu unterschätzen. Allerdings bliebe diese erste Reaktion ohne eine entsprechende qualitative Substanz ergebnislos. Wer meine Mailings in Händen hält, versteht zuerst intuitiv und unmittelbar, was der textliche Inhalt im zweiten Eindruck bestätigt: TextLoft bietet einen Ansatz der Textarbeit, der mit üblichen Dienstleistungsangeboten nichts zu tun hat, der wirklich eine eigene und originelle Nische darstellt und einen zweiten Blick wert ist. Papier, Farben, Schriften und Text ergänzen einander zu einer stimmigen Aussage über meine Grundsätze, mein Alleinstellungsmerkmal, meine Marke.

Das ursprüngliche Layout auf „Act Green Baumrinde“. Die passenden Briefhüllen waren ausverkauft, und mit einem weißen Umschlag hätte die Sendung zu kalt gewirkt.
Kreidig

Diese Kandidaten (Fedrigoni „Sirio Color“ in der Farbe „Bruno“, ein hübsches, aber obwohl mattes doch zu seidiges nougatfarbenes Papier, das sich eher für die Ansprache von Pralinenherstellern eignen würde; „Gmund Colors Matt“ im rostfarbenen 38 und milchkaffeeartigen 12; schließlich „Gmund for Food Caramel“ – ein eigentlich schmutziger und enttäuschender Vanilleton) wurden verworfen.
Papier-Auswahl

Die besten Eigenschaften bot für dieses Projekt das zweifarbige Kraftpapier „Muskat“, das auch gut zu den pudrig-cremigen Briefhüllen passt, die die Tinte in „Gebrannte Siena“ unterstreichen. Ganz in Sinne von TextLoft …
Zweifarbig

Das schlichte Deckblatt (hier ist im übrigen die echte Farbe des Papiers am besten zu sehen).
Vorderseite

Die Rückseite – aufrichtig und augenzwinkernd
Rückseite

Statement und Leistungen stehen sich gegenüber und bieten einen ersten kompletten Eindruck.
Zweispalten

Neugier wird belohnt: persönliche Ansprache (hier als Entwurf, es werden noch viele Änderungen folgen.)
Offen

Die Tinte in „Gebrannte Siena“
Tinte

Für Textdienstleister wiederum sähe mein Layout ganz anders aus: mit Bild auf weißem Papier, cremefarbener Banderole und Briefhüllen aus Gmunds „Act Green Stroh“.
Dienstleister

Im nächsten Artikel: Text und Ansatz eines Mailings

03/30/16

Mailings im TextLoft I: Die Auswahl der Zielgruppe

Die erfreuliche Anerkennung, die meinen Mailings zuteilwird, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass ich nicht massenweise eine beliebige Liste von potenziellen Interessenten anschreibe. Für jede Kampagne wähle ich 25 bis höchsten 50 Unternehmen aus – und dies nach einer Reihe komplexer Kriterien.

In einem ersten Schritt gehe ich von optischen Merkmalen aus: Ich sehe mir Website, gestalterische Identität, Farben und Formen genau an. Entspricht diese geschäftliche Ausstattung nicht meinen ästhetischen Vorstellungen, verkürzt sich die Liste um einen weiteren Namen. Meine künftigen Ansprechpartner müssen meinem Geschmack standhalten.
Dies ist nicht nur ein theoretischer Umriss des idealen Auftraggebers, sondern ein Erfahrungswert: Einige Male schon bin ich aus Gründen der vermeintlichen Vernunft von diesem Grundsatz abgewichen und habe trotz erheblichen Naserümpfens und innerer Zweifel versucht, mit Firmen zusammenzuarbeiten, die den anderen Kriterien nach zu mir hätten passen können, jedoch eine aus meiner subjektiven Sicht schlicht hässliche Corporate Identity hatten. Und siehe da: Selbst wenn sich ein Auftrag ergab, verlief er immer katastrophal, und ich habe es bereut, meinem Instinkt nicht gefolgt zu sein. Dieses Auswahlverfahren stellt übrigens den größten Ausschlusspunkt dar: Etwa 60% erfüllen die Maßstäbe nicht, die TextLofts Kunden auszeichnen.

In einem zweiten Schritt sehe ich mir den Tonfall an, mit dem das Unternehmen kommuniziert. Im Gegensatz zu den aktuellen Mainstream-Trends ist es mir absolut gleichgültig, wie die Mitarbeiter oder die Geschäftsführung aussehen. Alter, Geschlecht und Kleidung sind für mich unbedeutend. Sie sollen gute Arbeit leisten und wollen, nicht hübsch oder sympathisch sein. Wichtig ist mir allerdings die Klanggebung des künftigen Kunden. Von gepflegt bis locker über kreativ oder bescheiden ist mir alles willkommen. Wer übermäßig durch BWL-Jargon, Technik-Gläubigkeit, altbackene Hemdsärmeligkeit oder zwanghaftes Denglisch auffällt oder Stichworte verwendet, die zu einer bestimmten Denkart gehören, wird ebenfalls von der Liste gestrichen.

In einem dritten und letzten Schritt beschäftige ich mich mit der Unternehmensgröße. Firmen mit mehr als 20 festen Mitarbeitern schreibe ich nicht an: Sie haben in der Regel wenig Interesse an qualitativer Selbsttreue, handeln oft ausschließlich nach Budgetstandpunkten und suchen den Mainstream. Handwerkliche Fähigkeiten werden hier eher geringgeschätzt, die Entscheidungswege sind lang und verwoben und ermöglichen keine konstruktive Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Die Auswahl der Zielgruppe ist ein langwieriger Prozess, der bis zu dreißig Arbeitsstunden in Anspruch nehmen kann. Übrig bleiben von im Durchschnitt ursprünglich 200 Namen etwa 20 bis 50. Der tatsächliche Bedarf spielt hierbei wiederum eine untergeordnete Rolle: TextLoft möchte Wünsche und Begehren wecken, auf neue Ideen bringen – und nicht Bedürfnisse bedienen.

03/29/16

Mailing im TextLoft

Zur Zeit wird im TextLoft die nächste Marketing-Aktion gestartet. Ziel des Mailings ist es dieses Mal, Gestalter anzusprechen und ihnen eine Zusammenarbeit vorzuschlagen.

Bei dem Begriff „Mailing“ denken die meisten an unpersönliche, lieblos formatierte und marktschreierische Anschreiben, wie sie Haushalte immer wieder im Briefkasten vorfinden. Dementsprechend haben sie einen schlechten Ruf – zumal ihre Aussicht auf Erfolg verschwindend gering sein soll. Mich ärgert diese Pauschalisierung sehr: TextLoft hat bei solchen Werbemaßnahmen regelmäßig eine Konversionsquote von über 10%, je nach Branche sogar von 50%, und sie erzeugen zuverlässig, auch wenn sich keine Zusammenarbeit ergibt, positive Aufmerksamkeit und Rückmeldungen. Manchmal entstehen sogar dadurch private Kontakte, die nicht berufsmotiviert sind.

Die Diskrepanz zwischen meinen eigenen Erfahrungen und der gängigen Meinung liegt in der Durchführung einer solchen Aktion begründet. Im TextLoft bedeutet ein Mailing nicht nur das Versenden von Werbematerial im quantitativ großen Stil. Vielmehr handelt es sich um eine gezielte Detailarbeit, bei der nichts dem Zufall überlassen wird.

In den kommenden Tagen werde ich in einer kleinen Artikelreihe darstellen, wie ein Mailing im TextLoft entworfen und erstellt wird, welche spannende Arbeit hinter den Kulissen stattfindet, bevor der erste Brief überhaupt den Weg zu seinem Empfänger findet, und dass das unsympathische Wort durchaus eine schöne Geschichte und eine hochwertige Kundenansprache implizieren kann.

03/2/16

Meine Fanpage und ich

Überlegungen und Abwägungen bestimmen im TextLoft zur Zeit den Alltag. Meine Fanpage steht hierbei im Mittelpunkt, und es ist keine Detailfrage. Vielmehr geht es um mein berufliches Selbstbild und um die schwierige Balance zwischen Selbsttreue und Zielen.

Einige Monate, nachdem ich mich hatte überreden lassen, mein privates Facebook-Profil zu aktivieren, habe ich es diese Woche wieder abgeschaltet. Dies war mein zweiter privater Versuch auf Facebook – und auch mein endgültig letzter.
Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, mich in die private Seite von Facebook einzufühlen und einzuarbeiten, aber ich sehe den Sinn dieses Mediums nicht.
Unterhalten kann ich mich mit Bekannten und Freunden per Post und eMail, ganz gleich auf welchem Kontinent sie leben. Wenn ich ihnen Fotos zeigen will, kann sie ihnen direkt und einzeln ebenfalls per eMail oder per Post zukommen lassen. Was ich zu sagen habe, richte ich lieber individuell an eine einzige Person, nicht an eine Gruppe von Menschen, zu denen ich Beziehungen von ganz unterschiedlicher Qualität pflege und die einander nicht einmal kennen. Mein Alltag birgt nichts Spannendes, das unbedingt in die Runde mitgeteilt werden müsste: Was meine Arbeit betrifft, wird schon viel hier im Blog erzählt, und mehr gibt es nicht zu sagen. Meine Freizeit ist knapp bemessen – eine euphemistische Formulierung dafür, dass ich keine habe und sie von Marketingerfordernissen und Haushalts- und Mieter-Pflichten vollends aufgezehrt wird. Und auch wenn ich weiß, dass es Sinn der Sache ist, verspüre ich keinen Drang, Dinge durch Teilen oder Liken weiterzuempfehlen: Wer mich gut genug kennt, weiß, was ich mag und was mich interessiert, ich muss es nicht auch noch halb öffentlich plakativ beweisen. Wenn ich etwas Wissenswertes entdecke, von dem ich weiß, dass jemand aus meinem Bekanntenkreis Freude daran hätte, schreibe ich eine eMail – nicht an alle, die ich kenne, sondern gezielt an diese eine Person und in Verbindung mit ein paar privaten und nur für sie bestimmten Worten.

Beruflich muss ich auf Facebook teilen, liken und zeigen. Es gehört dazu, wenn man die nötige Aufmerksamkeit und quantitative Online-Präsenz erhalten will, heißt es.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass ich meine Fanpage nicht ebenso kritisch betrachte und nicht immer öfter überlege, ob ich sie noch unterhalten will.
Wende ich die Theorie einer Unternehmensseite auf meine eigene Situation an, sind Zweifel erlaubt.

Die Hauptziele einer Unternehmenspräsenz auf Facebook sind Kommunikation und Netzwerken, also Beziehungsaufbau und -pflege. Dies soll durch den direkten Kontakt, durch die Veröffentlichung informativer Inhalte, die geteilt werden sollen, und durch Liken, Kommentieren und Teilnahme an Gruppen erfolgen. Betrachte ich diese Punkte der Reihe nach, ergibt sich ein ernüchterndes Bild.
Keiner meiner Kunden ist auf Facebook vertreten. Dass sie also meine Fanpage als Gästebuch nutzen, um dort meine Leistung zu loben oder sich zu bedanken, und dadurch ihre eigenen Follower auf mich aufmerksam werden, ist ausgeschlossen.
Für die Gewinnung von Neukunden ist mir Facebook offenbar auch keine große Hilfe. Ich führe und aktualisiere regelmäßig offline eine Liste von Wunschkunden: Es sind Unternehmen, die ich zufällig online entdecke und die ich gerne ansprechen würde, was mir dank der deutschen Gesetzesvorgaben nicht erlaubt ist. Facebook wäre ein idealer Ort, um über wiederholtes Kommentieren und Teilen eine Beziehung aufzubauen, die mir ermöglichen würde, eines Tages einen direkten Kontakt herzustellen, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen. Bedauerlicherweise ist bislang keines dieser für mich reizvollen Unternehmen auf Facebook (und auch nicht auf Google+). Twitter ist hier sinnvoller.
Die Strategie, sich mit seinesgleichen zu verbinden, geht ebenfalls nicht auf – das ist der Nachteil, wenn man einen Ansatz wählt, den es in dieser Form auf dem Markt nicht gibt. Entsprechende Bemühungen auf Xing hatten seinerzeit ebenso enttäuschend geendet.
Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass das TextLoft ein Ort des Textes ist. Aufmerksamkeit bei der breiten Masse erreichen auf Facebook aber vor allem Bildchen und Videos. Ein paar harmlose Aufnahmen von Briefumschlägen, die zu Mailingzwecken verschickt werden sollen, interessieren niemanden.
Berufliche Vernetzung über den privaten Bekanntenkreis bei Facebook ist ebenfalls eine Vorstellung, die auf meine Situation nicht zutrifft: Gerade mal vier Personen in meinem privaten Bekannten- und Freundeskreis sind auf Facebook vertreten, zwei davon leben im Ausland und haben schon deshalb mit deutschsprachigen Unternehmen keine Berührungspunkte. Die Wahrheit, die die Anhänger des Social Media-Marketings bar jeder Logik gern zu erwähnen vergessen, ist, dass niemand, der im echten Leben keine Beziehungen hat, aus heiterem Himmel welche auf Facebook knüpfen wird – es sei denn, er ist nicht sehr wählerisch, und es ist ihm egal, mit wem er sich dort verbindet.
Eine weitere Seite einer erfolgreichen Facebook-Strategie ist die Teilnahme an sogenannten „Gruppen“, heißt es – eine Art Foren, in denen sich Menschen zu einem bestimmten Themengebiet unterhalten. Dort soll es möglich sein, Verbindungen zu seinen Zielgruppen herzustellen. Dieses Experiment habe ich in den letzten Tagen gemacht. Ich habe zu allen Stichworten, die meinem Themenportfolio entsprechen, nach Gruppen gesucht, denen ich beitreten könnte. Für viele meiner Arbeitsfelder gab es überhaupt keine Gruppen. Die Zielgruppe „Grafikdesign“, die mir sehr wichtig ist, unterhält sich in allen Gruppen ausschließlich in englischer Sprache, was nicht hilfreich ist, um deutschsprachige Texte zu bewerben. Die deutschsprachigen Gruppen, die ich zu passenden Themen fand, waren wiederum von so erschütternder Niveaulosigkeit, dass ich schockiert und mit buchstäblich offenem Mund vor dem Bildschirm saß. Das ist kein Umgang, den ich pflegen würde.

Die Bilanz aus der privaten und beruflichen Erfahrung zeigt mir eindeutig, dass Facebook mir schlichtweg nichts bringt. Dies führt zu der Frage, die mich schon seit geraumer Zeit beschäftigt, ob ich meine Fanpage überhaupt weiterhin behalten soll oder nicht.

Sie frustriert mich nicht nur in ihrer Ergebnislosigkeit: Ich pflege sie lediglich, weil „man“ heute als Künstler/Einzelkämpfer/Kleinstunternehmer so etwas haben „muss“, um sich nicht selbst vorwerfen oder vorwerfen lassen zu müssen, man tue nicht alles, was möglich ist, um Aufträge zu generieren. Weil ich mit TextLoft schon in vielen Dingen einen sehr eigenen, unkonventionellen und unbequemen Weg gehe und mich nicht noch mehr zum zeitgeistfremden Sonderling stilisieren will, als der ich schon gelte. Weil mir alle einreden, dass es unumgänglich ist, mit den Wölfen zu heulen, wenn sich Erfolg einstellen soll, und dass Selbsttreue nur verantwortungslos, pubertär und kaufmännisch dumm ist.
Und doch bin ich selbst von diesen Argumenten nicht überzeugt, und sie widersprechen auch einer anderen, sehr wohl zeitgemäßen Marketingaussage: Wenn Authentizität – also das wahrhaftige Leben und Vorleben von Leidenschaften und Überzeugungen, ein konsequentes, stimmiges Image, das die verfolgten Ziele und Prinzipien aufrichtig widerspiegelt – heute wirklich irgendeinen Wert hat und Teil der USP sein darf und soll, dann könnte ich ruhigen Gewissens und mit Erleichterung diese Fanpage schließen, die nichts als eine lästige und nutzlose Visitenkarte ist. Ob ich es will oder nicht, ob es mir gefällt oder nicht, ob ich es mir selbst vorwerfe oder nicht, ob ich dagegen ankämpfe oder nicht, ob ich versuche, mich zu bessern, oder nicht: Ich habe eben doch in vielen Dingen die Mentalität eines Künstlers, und auch wenn man es mir nicht unbedingt ansieht und ich es ungern zugebe, gehören Eigensinn, eine gewisse Form von Exzentrizität und von Snobismus durchaus dazu.

Mich von Facebook gänzlich zu verabschieden, würde ein Gewinn an Zeit, Effizienz und Konsequenz bedeuten. Es würde sich befreiend und ehrlich anfühlen. Noch tue ich es nicht. Noch bin ich mir nicht sicher, ob ich mich trauen soll. Die Frage schwebt im Raum. Gerne höre ich Meinungen dazu.

02/14/16

Zeit-Räume

Im TextLoft ist oft von Raum die Rede: von Text-Räumen, also reellen und virtuellen Räumen, in denen Text entsteht, vom leeren Raum einer Seite, der durch Strukturen und Worte zu einem Text eingerichtet wird … Die Analogie von Text und Raum ist auf der Website allgegenwärtig.

Räume sind auch ein wesentlicher Bestandteil nicht nur meiner Textauffassung, sondern meiner Arbeitsweise.
Wenn ich für das Projekt eines Auftraggebers intensiv in seine Themenwelt eintauche und selbstvergessen über Tage und Wochen hinweg nur noch in seinem Universum mit all seinen Farben, Bildern und Stimmungen lebe, schließe ich mich im Grunde in seinen Räumen ein. Außenwelt, Kalender, der Alltag und seine Erfordernisse, Gesundheit und Wohlbefinden treten zurück, und das Leben findet nur noch in diesem entrückten Auftragsraum statt. Es ist keineswegs die ruhige Zurückgezogenheit einer klösterlichen Klausur, sondern viel mehr eine erforschende Besessenheit. „Zum Raum wird hier die Zeit“ heißt es in der vermutlich schönsten Zeile von Wagners Parzifal. Tatsächlich entsteht durch die Suche nach dem Text, nach seinem Duft, seinem Licht und seinem Wesen, ein kleiner hermetischer Bereich, der ein wenig an die stereotypische Vorstellung der mythischen Schriftstellerhütte erinnert.

Still und entspannt dagegen sind die Zeit-Räume, in denen ich für dieses Blog oder die Musterbücher – und natürlich vor allem auf Kunst:Text schreibe. Wie ein Urlaub sind sie eine winzige, fast private und genüssliche Enklave aus Wahrhaftigkeit. Wohltuende Unwesentlichkeiten und perfekte Selbstbestimmtheit erfinden Stunden und Ziele neu.

Die Gesprächszeiten, die auf der Website angegeben sind, begrenzen ihrerseits einen weiteren Zeit-Raum. Er ist ein Patio, ein kleiner und einladender, etwas öffentlicherer Platz voller Begegnung und sommerlicher Leichtigkeit.

In all diesen verschiedenen Facetten gefällt mir der Gedanke, dass meine Arbeitswelt in gewisser Hinsicht einem englischen Garten gleicht, in dem sich die Vielfalt und der Reiz aus der Strukturierung eines riesigen Raums in viele kleine, subtil definierte und völlig unterschiedliche thematische Bereiche mit eigener Nutzung und eigenem Charakter ergeben. Und wer hat schon das Glück, einen Garten zu leben?

01/18/16

Schnapp­schuss an einem Wintertag

Es ist ein Montag wie viele im TextLoft: Spam-Mails werden blockweise gelöscht, Auftragsportale der Reihe nach abgearbeitet, Bewerbungsprospekte für die anlaufende Marketingaktion in Briefumschläge gesteckt. Ein neues Projekt für und von TextLoft ist in der Planungsphase und schürt Selbstzweifel.

Dass die Stimmung zu wünschen übrig lässt, hat nichts mit dem Wochenbeginn zu tun: In Münster ist es eisig, und die Heizung ist nur bedingt eine Hilfe, die Auftragslage tröpfelt nach einem ermutigenden Jahr 2015 unbefriedigend dahin, ärgerlicher Papierkram liegt auf dem Magen … Für Euphorie gibt es wenig Gründe, die Seele friert genauso wie die Finger, die sich fleißig und verbissen an der Tastatur festhalten.
Der elektronische Briefkasten meldet den Eingang einer Nachricht. Der Erhalt eines Auftrags, den ich gerade geliefert habe, wird bestätigt. Die Aufgabe hatte mir Spaß gemacht, und es mir ohnehin immer eine Freude, für diesen Kunden zu arbeiten, wie ich es in meinem kurzen Dankessatz erwähnt habe.

Und dann diese Worte:
„Sie sind phantastisch, vielen lieben Dank! Die Freude ist ganz auf meiner Seite, denn Sie sind genau so kompetent und unkompliziert, wie man es sich nur wünschen kann.“

Es ist wie ein heißer Kakao an diesem Wintertag. Es tut mehr als nur gut. Es tröstet und beflügelt. Und auf einmal kommt im TextLoft mit einem Lichtstrahl der Gedanke an den Frühling auf.

01/4/16

Analoges Intermezzo

Ob die Zeit zwischen den Feiertagen im TextLoft arbeitsreich oder erholsam ist, hat gemeinhin wenig mit eigenen Entscheidungen zu tun. Die Urlaubsplanung der Stammkunden bestimmt, ob die letzte Woche des Jahres zur Erledigung letzter, dringend benötigter Aufträge genutzt werden muss oder still und gemütlich dahinplätschert.

Wie sich herausstellte, hatten dieses Mal alle Unternehmen Sehnsucht nach einer ausgedehnten Pause und hatten sich sogar ausgesprochen früh „abgemeldet“. Nach dem routinemäßigen Buchhaltungsabschluss standen die Zeichen also auf Entspannung. Aus den zweieinhalb freien Tagen, die über Weihnachten fest eingeplant waren, wurden mehr. Zwar wurde der elektronische Posteingang zur Sicherheit morgens und abends pflichtbewusst geprüft – obgleich die Wahrscheinlichkeit, dass gerade zwischen dem 28. und dem 31. Dezember neue Kunden den Weg ins TextLoft finden, erfahrungsgemäß extrem gering ist –, stand aber in keiner Weise im Mittelpunkt des Lebens. Der Computer selbst fristete ein unbeachtetes und überflüssiges Dasein auf dem verwaisten Schreibtisch.
Nach den wiederholten und umfangreichen Marketingaktionen der vergangenen Monate, für die jede theoretisch freie Minute erbarmungslos genutzt worden war, war es eine regelrecht fremd anmutende Situation und eine zugegebenermaßen willkommene Gelegenheit, Schlaf nachzuholen und sich ausgiebig dem Lesen zu widmen, aber auch gedanklich zur Ruhe zu kommen.

So wurde mir bewusst, wie unzufrieden ich mit der Vorstellung von TextLoft auf der Homepage und den Einleitungstexten der Blogs geworden war. Meine Website war aus Sicht eines zielstrebigen Marketings perfekt …, hatte aber nichts mehr mit mir selbst zu tun. „Klappern gehört zum Handwerk”, heißt es im Volksmund so treffend, nur passt dieses laute Herumstolzieren, zu dem ich mich aus Vernunft gezwungen hatte, nicht zu mir. Mittlerweile hat sich die Seite einer Entschlackungskur unterzogen.

Was diese kleine Woche aber so erholsam und wertvoll machte wie einen ganzen Urlaub, war weniger die Abwesenheit von Arbeit im eigentlichen Sinn als vielmehr die Tatsache, dass ich mir den Luxus eines analogen Lebens offline gönnen konnte. Ich ignorierte mutwillig Facebook, Twitter & Co., las keine Blogs, keine Nachrichten und lebte neun Tage internetfrei, die mir – falls dies nötig gewesen sein sollte – bestätigten, dass ich Computer, Internet und eMail nicht nur nicht vermisse, sondern auch ohne sie viel glücklicher bin.

Dieses analoge Intermezzo war ein Geschenk, das mich darin bestärkt hat, die Grenzen zwischen beruflich unumgänglicher Präsenz und selbstverständlicher Kundenfreundlichkeit und Verfügbarkeit einerseits und meinen eigenen Prioritäten und Bedürfnissen andererseits schärfer zu zeichnen – nicht zuletzt, weil Zufriedenheit und Wohlbefinden zur Erhaltung der Arbeitsqualität beitragen.

09/19/15

Künstlerische Spielarten der Textarbeit

Wenn ich auf meiner Webseite oder hier im Blog immer wieder erkläre, dass Schreiben für mich die Fortsetzung der Malerei, der Bildhauerei und der Fotografie mit anderen Mitteln ist, meine ich das deutlich wörtlicher, als die meisten sich vorstellen. Tatsächlich unterscheidet sich meine Art, zu arbeiten, nur in der Wahl des Werkzeugs.

1. Das Skizzenbuch
Ideen, Augenblicke, Bilder, Eindrücke sind flüchtig. Dinge zu notieren, die später zu einem Text führen könnten oder sollen, ist eine unerlässliche Angewohnheit. Was in der Malerei Skizzen und Skizzenbuch sind, sind für mich Notizen und Notizbücher – ganz gleich, ob es sich um etwas Schönes, Skurriles, Bemerkenswertes, Inspirierendes handelt, ob in Form einer kurzen Zeile, eines allgemeinen Themas, eines Titels, die später als Grundlage dienen werden, oder eines vollständig ausformulierten Absatzes, der sich im unerwartetsten Moment aufdrängt und sich in ein Projekt einfügt oder für sich allein stehen kann.

2. Alles ist Material
Bildende Kunst entsteht – vom politischen Auftragsporträt und der Historienmalerei abgesehen – selbst in ihren abstrakten Formen meistens aus dem Wunsch heraus, bewahrend aufzuzeichnen, Schönheit zu zeigen, zu definieren, zu deuten, wiederzugeben und manchmal zu teilen. Gegenstand eines Werkes sind deshalb gerade oft eher kleine Alltäglichkeiten, bescheidene Schnappschüsse gewöhnlicher Orte oder Tätigkeiten. Ausgangspunkt kann alles werden, was der Künstler als schön oder interessant empfindet, was ihn fasziniert oder anrührt.
Wenn ich Texte in den MUSTERBÜCHERN oder auf KUNST:TEXT veröffentliche, ist der Ansatz ähnlich. Sie sind oft zunächst eine Fingerübung, der Versuch, möglichst getreu abzubilden, was mir gefällt. Die Grenze zwischen Privatheit und Öffentlichkeit wird auch hier erst nach abgeschlossener Arbeit und mit einiger zeitlicher Verzögerung überschritten und aufgehoben. Ein Unkraut, eine leere Kaffeetasse, eine Landschaft, ein Duft, ein auf der Straße aufgeschnappter Satz … es gibt kaum etwas, worüber ich nicht schreiben würde.

3. Die Mappe
In einem Punkt unterscheidet sich die bildende Kunst ein wenig vom Schreiben, doch eher in Nuancen, nicht in der Sache selbst. Während bildende Künstler erst für sich zeichnen, entwerfen, fotografieren und daraus ihre Präsentationsmappen zusammenstellen, mit denen sie Galeristen, Mäzene und Unternehmen zu überzeugen hoffen, bin ich in der unangenehmen Lage, eigens „für die Mappe“, wie ich es nenne, Texte produzieren zu müssen. In beiden Fällen ist die Notwendigkeit der Mappe unbestritten, wenn man Auftraggeber oder Käufer finden muss. Im Bereich Text genügt es allerdings nicht, zu zeigen, was man gerne schreibt, oder dass man schreiben kann. Die Kunden suchen sich keine Texte in bereits fertigen Sammlungen aus, sie wollen Beweise dafür, dass man fähig ist, eine individuelle Arbeit zu leisten, die ihnen entspricht. Meine Mappe muss also zwar einerseits für meinen Schreibstil repräsentativ sein, andererseits die Wünsche von Unternehmen antizipieren, die ich noch nicht kenne. Ist sie zu umfangreich, wird sie möglicherweise nicht gelesen. Ist sie zu stringent, kann sie als nicht aussagekräftig empfunden werden. Ist sie qualitativ zu hochwertig, besteht die Gefahr, dass sie als versnobt wahrgenommen wird oder gar abschreckt. Enthält sie Texte in unterschiedlichen Tonlagen, die eine gewisse Bandbreite demonstrieren sollen, kann dies verunsichern und verwirren. Und hier schließt sich der Kreis mit der bildenden Kunst: Es sind nicht notwendigerweise die Arbeiten, die der Künstler als seine besten betrachtet, die die breiteste Zustimmung des unkundigen Publikums finden.
„Für die Mappe“ zu schreiben ist immer die Suche nach der Quadratur des Kreises, solange man nicht weiß, an wen sich die Mappe konkret wenden wird.
Besonders verhasst ist mir – und auch in diesem Punkt stehe ich den meisten bildenden Künstlern sehr nahe – vor allem die Tatsache, dass hier Selbstdarstellungskünste gefragt sind, die gründlich mit meiner Persönlichkeit kollidieren. Marketingarbeit für andere zu leisten ist eine spielend leichte Sache, sich selbst verkaufen zu müssen dagegen eine deprimierende, anstrengende und ekelerregende Angelegenheit.

4. Auftragsarbeit
Im Auftrag zu schreiben kann sehr aufregend und nicht nur im materiellen Sinne belohnend sein. Das Gefühl, in eigenem Stil etwas Sinnvolles und Schlüssiges aufzubauen, etwas Neues und Konstruktives zu gestalten, im Dialog etwas Schönes zu erschaffen, ist unvergleichlich. Auftragsarbeit ist nicht zuletzt eine Bestätigung, die für das Selbstwertgefühl eine wichtige Rolle spielt, vor allem aber bedeutet sie die Chance, sich in zwei Welten hineinzuversetzen und zwischen ihnen einen Raum zu kreieren, in dem sie sich begegnen und ihre Gemeinsamkeiten entdecken können. So ist der Künstler die Brücke zwischen Auftraggeber und Betrachter, der Texter zwischen Unternehmen und Kunden. Im Bereich der Kunst und des Textes ist diese Art des Schaffens auch unabhängig vom finanziellen Aspekt auch wesentlich, weil es zu einem gesunden Perspektivenwechsel, zu mehr Distanz und zu einer permanenten Neuentdeckung der eigenen Fertigkeiten zwingt.

Es sind also nicht nur die Betrachtungsweise, der ideelle Ansatz und die ästhetischen Werte, die Malerei, Bildhauerei und Fotografie einerseits und künstlerische Textarbeit andererseits miteinander verbinden. Die Arbeitssituationen sind sich in vielen Punkten sehr ähnlich, ihre Spielarten sind sogar identisch.

09/13/15

Schreiben lernen?

Es beginnt mit einem schwärmerischen Kompliment und endet mit einer Frage: „Ich wünschte, ich könnte auch so schreiben wie du. Kann man das lernen?“ Diese Satzfolge ist mir so vertraut, dass hier ein Klischee angebracht ist: Würde ich jedes Mal, wenn ich diese Bemerkung höre, einen Euro bekommen, würde mein Bankkonto … Nun ja.

Der Wunsch, „gut“ – was dies auch immer heißen mag – schreiben zu können, ist weit verbreitet, auch wenn ich wohl nie ganz begreifen werde, wieso. Für mich ist das Schreiben etwas Normales, Alltägliches, eine Tätigkeit wie jede andere auch, nichts Besonderes eben, und vielleicht entgeht mir deshalb der Grund für diese Sehnsucht. Die Antwort auf die Frage jedenfalls ist widersprüchlich und eines klaren Jeins würdig.

Tatsächlich ist Schreiben in erster Linie ein Handwerk, und als solches erlernbar. Es gibt in dieser Sache keinen nennenswerten Unterschied zwischen einem Tischler, einem Goldschmied, einem Mechaniker oder einem Schreibenden.
Wie in den meisten Bereichen auch, gründet Können auf dem Wechselspiel von Lernen und Üben, und wie bei fast allen erlernbaren Fertigkeiten auch, ist ein früher Beginn bereits in sehr, sehr jungen Jahren für das Erreichen eines hohen Niveaus unerlässlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der erst mit vierzig zum Sport findet, eine Goldmedaille bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen gewinnt, ist eher gering, und dies trifft auch auf das Schreiben zu.
„Lernen“ bedeutet hier weniger die Aneignung konkreter Techniken – diese ergibt sich eher aus dem Üben –, als vielmehr Lesen. Liest ein Kind früh sehr viel und sehr hochwertige Literatur, wobei Qualität und Quantität in diesem Fall gleichermaßen entscheidend sind, bekommt es ganz automatisch das nötige Rüstzeug.
Selbstverständlich ist es in jedem Alter möglich, sich an Neuem zu versuchen, oder vernachlässigte Fähigkeiten weiterzuentwickeln oder zu verbessern. Es sollte demjenigen allerdings immer bewusst bleiben, dass „besser“ nicht notwendigerweise mit „herausragend“ gleichzusetzen ist. Ob beim Musizieren, Malen oder Schreiben: Nur jahrelanges Üben und ein sehr großer täglicher Arbeitsaufwand ermöglichen es, zu einer gewissen Virtuosität zu gelangen, und deshalb lässt sich Zeit nur bedingt nachholen, auch wenn der Versuch auf jeden Fall löblich und zu unterstützen ist.

Handwerkliche Tätigkeiten und Sport haben jedoch eine weitere Gemeinsamkeit, und an diesem Punkt offenbart sich der tückische Charakter der anfänglichen Frage: Interesse, Begeisterung und Einsatzbereitschaft genügen nicht, wenn nicht eine grundsätzliche naturgegebene Basis vorhanden ist. Wer zwei linke Füße hat, wird es sicher niemals zu einem Tennisspieler von Weltrang bringen, wer zwei linke Hände hat, wird unwahrscheinlich zu einem neuen Monet erwachsen – und wenn er noch so verbissen übt.
Doch woraus besteht Schreibtalent überhaupt? Welche Eigenschaften muss man „mitbringen“, um gut schreiben zu können? Es gibt vermutlich Millionen von Definitionen, und ich kann nur versuchen, meine eigene hinzuzufügen.

Im Gegensatz zu dem, was viele anführen, wird der berühmte „besondere Sinn für das Wort“ durch reichliche frühkindliche Lektüre vermittelt und zählt aus meiner Sicht daher zum Erlernten und nicht zum Angeborenen. Sprachgefühl ist die Fähigkeit zu wissen, wann man mit welchem Wort welche Wirkung erzielt – ähnlich wie ein Maler weiß, welche Farbe in seinem Gemälde welche Stimmung wiedergibt. Es geht lediglich um die richtige Verwendung des richtigen Werkzeugs am richtigen Platz im richtigen Augenblick. Dieses Wissen wird zum Teil bewusst, zum Teil intuitiv erworben. Der Maler studiert hierzu die Werke anderer, der (künftige) Schreibende liest.
Zu den Faktoren, auf die Lernen und Üben keinen Einfluss haben, die also das eigentliche Talent darstellen, gehören vor allem eine übersteigerte Sinneswahrnehmung und ein abnormales Gespür für Dinge und Stimmungen. Beide haben durchaus eine psychologische Komponente. Diese Fähigkeiten gehen weit über eine sehr hohe Beobachtungsgabe hinaus und können als rezipierende Überempfindlichkeit und Scharfsichtigkeit bezeichnet werden. Sie betreffen das gesamte Spektrum natürlicher und menschlicher Erscheinungen: Licht, Farben, Düfte, Formen, Strukturen, Wetter, Geräusche, Bildkompositionen, Ästhetik, Situation, Zusammenhänge, Details, Ungesagtes, Verschwiegenes, Angedeutetes, Unbewusstes.
Diese übersteigerte, überspitzte, empathisch-seismographische Blickschärfe, diese andere Art, die Dinge zu sehen, ist meiner Meinung nach das, was als „Talent“ bezeichnet werden kann, denn sie ist allgegenwärtig, ungewollt und unkontrollierbar.

Auch wenn man Talent nicht steuern kann, kann jeder bis zu einem gewissen Grad alles erlernen – ob Schwimmen, Schreinern oder Schreiben. Seinen Schreibstil zu verbessern und einen neuen Zugang zum Text zu finden, ist immer eine belohnende und bereichernde Erfahrung. Fortschritte und Erfolg sind eine relative Angelegenheit, und der einzige Maßstab sollten die eigenen Ziele sein, nicht die Texte anderer.

08/10/15

Schreibsommer

Die meisten Menschen stellen sich vor, dass Schreibende vor allem in den dunkleren Jahreszeiten gerne schreiben: Unfreundliches Wetter lade ein, im Haus zu bleiben, nichts lenke ab und verführe, nach draußen gehen zu wollen, es gebe also nichts Besseres zu tun, als zu arbeiten.
Für mich stimmt das kaum, und im Laufe der Jahre sind mir meine Schreibsommer immer wichtiger geworden, auch wenn ihre Bedeutung sich stark geändert hat.

Als Kind und Jugendliche war ich leider eine zu fleißige kleine Person, die das Wort „Pause“ nicht kennen wollte. Lesen, Lernen, Schreiben waren mein Lebensinhalt, und Schulferien und jede Tätigkeit fernab von Büchern, Stift und Papier eine ungeliebte Unterbrechung.
Da dieser unzähmbare Eifer bald Gesundheit und Augenlicht zu gefährden drohte, zwangen mir meine Eltern aus schierer Verzweiflung eine Vereinbarung auf: Ganze drei Wochen im Jahr waren Schreiben und Lernen verboten, und der Lesestoff musste sich auf unterhaltsame Literatur wie Kriminalromane und dergleichen für die Abende beschränken. Weitere zwei Wochen durfte ich lediglich drei Stunden am Vormittag schreiben und arbeiten. Diese durchaus sinnvolle, aber verhasste Maßnahme koste mich viele Tränen, doch sie führte nicht nur dazu, dass ich tatsächlich mich zu regenerieren lernte: Der Kopf wurde frei und sprühte nur so vor Schreibideen, so dass ich es nicht abwarten konnte, sie endlich zu Papier bringen zu dürfen. Besuchte Orte, Begegnungen, das Abendlicht am Strand, der Geruch der Cafés unter den Palmen der Promenade, der warme Duft von Konfitüren, wenn im August Aprikosen und Pflaumen eingekocht wurden … alles war wertvoller Rohstoff, den zu nutzen ein unbändiges Verlangen gebot.

Erst als ich dem Gesetz nach schon erwachsen war, lernte ich den Wert und den Genuss eines Urlaubs zu schätzen und fand in dem befreienden, erholsamen und inspirierenden Nichtstun und der produktiven Frische, die ihm folgten, ein angenehmes und fruchtbares Gleichgewicht.
Dass ich den für mich perfekten Urlaubsort gefunden hatte, der mich auch während der weiteren elf Monate nicht losließ und nach dem ich mich regelrecht sehnte, war an dieser Verwandlung nicht ganz unschuldig. Einmal im Jahr brauchte ich den Anblick des strahlend blauen Meeres, den Duft von Kräutern und Gewürzen, die feuchte Kühle steinerner Gassen und sog sie in mich hinein, auf dass sie mich durch den Winter tragen konnten. Heute, über dreißig Jahre später, ist das immer noch der Platz, an dem ich schreiben möchte.

Mit dem Schritt in die Selbständigkeit verabschiedeten sich Gewohnheiten und feste Lebensrhythmen. So etwas wie Urlaub kam bald nicht mehr in Frage. Der Sommer wurde zu einer Zeit, in der das Schreiben eine andere Qualität annahm.
Das verringerte Auftragsaufkommen ermöglicht die Vorbereitung neuer Werbekampagnen, Vernachlässigtes muss nachgeholt werden, die Pläne für das kommende Halbjahr aufgestellt, das Internet auf potentielle Auftraggeber durchsucht. Hektikfreie Wochen dieser Art sind hilfreich, um wieder zur Ruhe zu kommen. Die Arbeit bleibt das vorherrschende Thema, doch verläuft sie entspannter und fühlt sich unbeschwerter an, und auch privates Schreiben oder vereinzelte Lesestunden holen sich ihr Recht zurück.

Die Wahrheit ist: Ohne den Sommer könnte ich vermutlich nicht schreiben. Er ist Gesundheitselixier, Gedankenbrunnen, Entschädigung und Ansporn. Es gibt für mich keinen Sommer ohne Schreiben – und kein Schreiben ohne Sommer.

05/20/15

Für Geld schreiben

Für Texter ist es alles andere als schwierig, Aufträge zu bekommen. Neben den üblichen Wegen der Kundengewinnung sind im Internet etliche Portale und Online-Agenturen zu finden, die als Schnittstelle zwischen Schreibenden und Textkäufern fungieren. Das Prinzip ist einfach: Unternehmen, die etwa Blogartikel oder Texte für Internetseiten benötigen, können dort inserieren, ihren Textbedarf und ihre Anforderungen und Wünsche genau beschreiben, und Texter können sich entsprechend direkt oder über eMail bewerben. Jeden Tag erscheinen auf den sogenannten „Jobboards“ mehrere Dutzend Anzeigen für Themenbereiche und Textsorten aller Art.

Was nach einem recht erfreulichen und für beide Seiten praktischen und nutzbringenden System klingt, verdient allerdings einen zweiten Blick. Auf solchen Portalen werden die Honorare nicht durch Verhandlungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern geregelt, sondern der potentielle Textkunde schlägt von sich aus den Preis vor, der für ihn in Frage kommt oder ihm für die erbetene Leistung angemessen erscheint.
Mittlerweile stehen die Preisspannen für bestimmte Textarbeiten mehr oder minder fest: Für Blogartikel werden in der Regel Honorare von 0,01 bis 0,02,– €/Wort angeboten. Um zu begreifen, was dieser zunächst abstrakte und wenig aussagekräftige Wert im Einzelnen bedeutet, ist es hilfreich, sich die entsprechende Arbeitssituation vorzustellen.

Ein Blogpost umfasst im Allgemeinen zwischen 330 und 550 Wörtern. Vor dem Schreiben sind Detailfragen mit dem Kunden abzuklären. Es folgt eine von Fall zu Fall unterschiedlich aufwendige Recherche, dann das Verfassen im eigentlichen Sinne, sowie nach einer Ruhezeit letzte Überarbeitungen. Schließlich wird der Text einer sogenannten 4-Augen-Korrektur unterzogen, d.h. er wird nicht nur durch den Texter selbst, sondern zusätzlich von einer weiteren Person auf Tippfehler gelesen. Dies ist deshalb nötig und wichtig, weil nach einer intensiven Beschäftigung mit einem insbesondere eher kurzen Text das Gehirn, das ja schon weiß, was wo stehen soll und was es zu erwarten hat, das Auge ganz automatisch dazu verführt, zu schnell über den Text zu gleiten und das zu erkennen, was es erkennen sollte, und nicht das, was wirklich da steht. Von der Auftragserteilung bis zur Abgabe des Textes sind mit 3 bis 5 Stunden effektiver Arbeitszeit zu rechnen, wobei die Leistung und Bezahlung des zweiten Korrektors hierbei nicht notwendigerweise eingeschlossen sind.
Bei den erwähnten Honoraren wird ein Blogartikel von 500 Wörtern als mit 5,– bis 10,–  € vergütet. In Stundensätzen umgerechnet bedeutet dies einen Bruttoverdienst von bestenfalls 3,– €/Stunde – in den meisten Fällen aber weniger als 2,– €/Stunde.

Angesichts dieser ernüchternden Zahlen ist es etwas verwunderlich, dass diese Portale sich wachsender Beliebtheit erfreuen und stetigen Zuwachs zu verzeichnen haben. Oft wird argumentiert, diese Angebote würden sich an Studenten, Hausfrauen oder Rentner wenden, die sich davon ein Zubrot oder ein Taschengeld erhoffen. Diese Erklärung vermag mich nicht zu überzeugen. Mit Kellnern, Kinderhüten, Putzstunden, Nachhilfe, Gartenarbeit oder kleinen Reparaturen ließe sich ohne Weiteres und viel einfacher ein deutlich höheres Einkommen erzielen.

Ich gebe zu, dass es mir ein Rätsel bleibt, was im Kopf der Menschen vorgeht, die sich auf solche Honorare einlassen. Ich habe in meinem Leben bei weitem nicht immer leichte Zeiten gehabt, habe meinen Lebensunterhalt mitunter über Einzelunterricht, Strickarbeiten und erbärmliche Aushilfstätigkeiten verschiedenster Art bestreiten müssen, und ich bilde mir durchaus ein, eine finanzielle Genügsamkeit mitzubringen, die weit höher ist, als die meisten als erträglich betrachten würden, aber selbst mir entzieht sich komplett, welchen Sinn ein Bruttoeinkommen von weniger als 2,– €/Stunde haben soll.

Leider impliziert diese Frage weit mehr als nur eine Denkaufgabe und die Ergründung der seltsamen Irrungen und Wirrungen menschlichen Verhaltens. Denn solange solche Angebote beantwortet werden, werden Unternehmen natürlich keine Veranlassung sehen, professionelle Textarbeit auch nur annähernd angemessen zu entlohnen. Die Preisunterscheidung müsste über eine realistische Einschätzung und Wertschätzung des Qualitätsniveaus geschehen, was gerade im Textbereich ein sehr schwieriges Unterfangen bleibt.

05/13/15

Von alten Schreibfreunden

Langsam wird es etwas wärmer. Die Sonne scheint häufiger, die Gärten rund um das TextLoft verwandeln sich. Saftig-frisches Grün atmet sich mit tiefen Zügen aus der noch feuchten dunklen Erde frei. Rotkehlchen und Heckenbraunellen arbeiten fleißig am Nestbau, während die Amseln offenbar bereits den Nachwuchs versorgen. Mai ist ein Monat ganz aus Licht, hellen Farben und klaren, geraden Formen. Entspannung und Erleichterung hängen in der Luft, in der der Winter endlich nicht mehr nachhallt.

Zu meinen besonderen Begleitern durch diese unvergleichlichen Wochen des Jahres gehörte seit unserem Umzug hierher ein großer Flieder, der wohl vor sehr langer Zeit jenseits eines kleinen Zauns, etwa 15 Meter von meinem Schreibtisch entfernt, sich häuslich eingerichtet hatte. An diesem sonnigen Platz zwischen einer imposanten Weigelie und einer Hauswand muss es ihm sehr gut gefallen haben, denn er wurde kräftig und wunderschön. Seine weißen Blütentrauben, das gesunde Holz und die romantisch anmutenden Zweige verliehen allem, was ihn umgab, einen verträumt-ländlichen, Gelassenheit und Selbstbewusstsein ausstrahlenden Charme.
Was mich aber immer wieder verzauberte, war sein Duft. Jeden Tag, am frühen Abend, in jenen Stunden, in denen die noch zu junge Frühlingssonne die Kräfte verlassen, doch die Nacht noch lange nicht einbricht, erreichte mich sein blumiger Hauch. Gerade dann, wenn ich zu beschäftigt gewesen wäre, um bewusst an ihn zu denken und mich an seinem atemberaubenden Anblick zu erfreuen, zwang mich seine Botschaft, für einen kurzen, magischen Augenblick innezuhalten. Und immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich ihm dankbar und vertraut zulächelte. Sein Duft brachte Wärme und Geborgenheit in meine Gedanken, streichelte schützend meine Haut. In den letzten zehn Jahren wurde er so für mich mehr als nur ein Baum. Er war ein Freund, und sein Duft schenkte mir Zuversicht.

Im vergangenen Sommer zogen neue Mieter ins Nachbarhaus ein. Eines schönen Samstagmorgens in aller Frühe kreischte eine Säge, als würden Schmerzensschreie den frühen Tag zerreißen.
Anstelle des schönen alten Flieders, der unzählige Gewitter, Stürme, Hagelunwetter und sonstiges Ungemach viele Jahrzehnte lang schadlos und stolz überstanden hatte, steht nun eine stylische Gartendusche.

Nun, in diesen Tagen, ist die Zeit gekommen, da er mich wieder begleiten sollte. Aber er ist nicht mehr da.
Das junge Pärchen, das ich nur flüchtig und aus der Ferne gesehen habe, werde ich – einem etwas komplexen Grundstückszuschnitt sei Dank – höchstwahrscheinlich niemals persönlich kennenlernen. Es ist gut so. Denn wer auch immer sie sein mögen – ich kann ihnen nicht verzeihen.
Mein guter alter Freund fehlt mir sehr.

04/12/15

Ausgleich und Regeneration

Schon einige Male habe ich hier im Blog erwähnt, wie intensivere Arbeitsphasen, insbesondere im Falle von komplexeren Blockaufträgen, den Alltag verändern, ja ganz und gar abschalten, und Körper und Geist auf eine harte Probe stellen können.

Geht eine solche Zeit zu Ende, ist dementsprechend Regeneration nötig. Es gibt viele Wege, wieder zu Kräften zu kommen. Manche finden im Sport, im Faulenzen oder schlicht in einem Kurzurlaub den nötigen Ausgleich, andere bevorzugen Haushalts- und Gartenarbeiten oder die Pflege eines bestimmten Hobbys. Ausschlafen, gesunde Ernährung und viele Stunden an der frischen Luft sind natürlich wünschenswert.
Doch der Idealfall ist nicht immer zu verwirklichen – sei es, dass die freie Zeit bis zum nächsten Auftrag sehr begrenzt ist, dass das Wetter nicht mitspielt oder das Bankkonto sich vehement und unversöhnlich gegen den Traum eines Tapetenwechsels ausspricht.
Freie und erst recht schreibende Freie wissen nur zu gut, dass Aufträge keinem idealen theoretischen Zeitplan folgen und Selbstbestimmung bis zu einem gewissen Grad als illusorisch betrachtet werden muss. Jeder muss deshalb Strategien entwickeln, die ihm die bestmögliche Erholung mit den einfachsten Mitteln bieten.

Wenn ich Hunderte von Stunden unaufhörlich und mit der mir höchstmöglichen Geschwindigkeit tippend vor dem Laptopbildschirm verbracht habe, gibt es viele Dinge, nach denen ich mich sehne. Es sind hauptsächlich einfache Freuden: Zeit, meinen Töpfchengarten zu pflegen, einem Rotkehlchen beim Baden zuzuschauen, das Spiel eines Sonnenstrahls in den Zweigen eines erblühenden Baumes zu beobachten, am Abend ein gutes Buch zu lesen, gehört zu diesen harmlosen Wünschen. Doch so anspruchslos sie klingen mögen, auch sie sind nicht immer zu erfüllen.

Die körperliche und geistige Regeneration aber beginnt mit einem schlichten Schritt: analoges Schreiben.
Das Notizbuch, der Kugelschreiber und der Bleistift in meiner Hand bringen Ruhe in meine Gedanken, entspannen den Körper. Die Freiheit, mich vom unbestritten nützlichen und effizienten, jedoch ungeliebten Computer fernzuhalten und der sinnlichen, genussvollen Art des Schreibens hingeben zu dürfen, schenkt mir den intimen Rückzug, der wirkliche Erholung bedeutet. Neudeutsch heißt das: „Entschleunigen“. Tatsächlich fühlt es sich wie Urlaub an. Mit der Hand zu schreiben, ist schlichtweg „das Gegenteil von Arbeit“, und selbst wenn ich dabei einen Blogartikel entwerfe, nehme ich vor allem die Leichtigkeit des Privaten wahr.

Altmodisches Papier, Stift und Handschrift sind für mich Werkzeug und Ausdruck des Selbstbestimmten. Und nichts tut einem so gut, wie die Möglichkeit, zu tun und zu lassen, was man möchte. Ist es nicht gerade die Definition von Urlaub?