04/29/21

Stillleben sind die Zukunft des Marketings

Bild: Martine Paulauskas

Seien wir ehrlich: Die Produkte und Leistungen, die uns angeboten werden, sind austauschbar und werden immer austauschbarer. Asiaten essen Pizza, Europäer industrielle Ramen-Instant-Suppen, sie alle trinken Coffee to go einer großer amerikanischen Kette. Unsere Herkunft ist auch nicht mehr an unserer Kleidung oder Inneneinrichtung zu erkennen. Wir schreiben kontinentübergreifend auf den gleichen Computern jene Nachrichten, die auf der ganzen Welt zeitgleich auf einförmigen Netzwerken und Messengern zu lesen sind.

 

Marketing in der Sackgasse
Unter diesen Umständen fällt es immer schwerer, gleichförmige und oft gleichwertige Produkte überhaupt noch erfolgreich zu verkaufen. Der Vorzug wird demjenigen gegeben, der sich finanziell die quantitativ umfangreichere Kampagne leisten kann. Auch sie wird schnell langweilig, und es bleibt fast nur, auf die Mundpropaganda-Wirkung von Trendsettern und Influencern zu setzen.
Einen kleinen Schönheitsfehler hat diese Strategie schon: Eine volatile Welt erfordert ein volatiles und somit minderwertiges Geschäft, kurzlebige und damit kostspielige und unsichere Ansätze. Will sich das Marketing aus dieser prekären Lage befreien, werden tiefgründigere Überlegungen und fundiertere Mechanismen erforderlich sein.

So alt, so aktuell …
Methodologisch liegt die Lösung nah, die Bildende Kunst zeigt sie auf. Als Momentaufnahme mit rein ästhetischem Wert bietet das Stillleben alle Elemente, die Produktplazierung in unserer Zeit braucht. Es ist Produktporträt, Foodporn, Inszenierung und Storytelling zugleich.
Von den antiken Darstellungen von Obst und Wein über die Meister des 16. Jahrhunderts bis hin zu impressionistischen Werken oder der zeitgenössischen hyperrealistischen Malerei – Stillleben wirken durch die Stimmung, die sie vermitteln, aber auch und vor allem durch die Verbindung zwischen Komposition und der Fantasie des Betrachters, in diesem Falle also des Verbrauchers und potentiellen Käufers, der für sich, ob bewusst oder unbewusst, die Geschichte erzählt und zu Ende führt, sie nach seiner eigenen Vorstellungswelt gestaltet und moderiert.
Stillleben sind mehr als deskriptive Tableaus, sie sind eine Anleitung zum Fragen, Träumen, Wünschen, sie sind Belehrung und Angebot.

… so wirksam
Ob auf Instagram, Pinterest oder im Text – es sind die Stillleben, die uns zum Begehren anregen, die uns inspirieren, motivieren, überzeugen. In unserer sinnesüberflutenden Umgebung, in der Fülle und dem Überfluss der medialen Angebote und Entscheidungen, ist es das Stillleben, das der Werbung neue Wege der Einzigartigkeit aufzeigt.
Dies ist nicht nur der Beweis für die Zeitlosigkeit darstellender Genres und Werte, sondern auch ein Indiz dafür, wie sehr Ästhetik und Kunst in der Wirtschaft von morgen als Ausdrucksmittel, aber vor allem als Verkaufsargument und Differenzierungswerkzeug fungieren werden.

 

Der kaufmännische Erfolg von morgen ist nicht eine Innovation, ein Wundermittel, einen betriebswirtschaftlichen Jargonbegriff entfernt – nur ein Gemälde und die Geschichte, die es jedem einzelnen erzählt.

09/6/20

Was ist ein Produktporträt?

Zu den Leistungen, die ich Unternehmenskunden anbiete, gehören Produktporträts. Doch was ist darunter zu verstehen? Soll es eine pompöse und preistreiberische Bezeichnung sein oder hat die Sache tatsächlich einen Inhalt?

Vorab: Was ein Produktporträt nicht ist …
Ein Produktporträt ist keine Produktbeschreibung.
Produktbeschreibungen liefern dem Kunden konkrete Fakten und Daten. Zum Teil sind diese Angaben gesetzlich vorgeschrieben, wenn wichtige Informationen etwa über Materialien, Zutaten, Zusammensetzungen geliefert werden sollen. Eine Produktbeschreibung kann zwar ansprechend geschrieben sein, jedoch ist es nicht ihre primäre Aufgabe: Sie soll vor allem einen Vergleich zwischen Eigenschaften und Merkmalen ermöglichen, also Auskunft über die eher „technischen“ Aspekte geben.
Ich schreibe keine Produktbeschreibungen, denn ich bin nicht Texterin.

Ein Produktporträt ist ebenso wenig mit Storytelling gleichzusetzen: Es wird keine Geschichte um ein Produkt herum konstruiert, die als Rahmenhandlung dient, um dem Produkt einen Kontext und einen Sinn zu geben, wie es in der Werbung insbesondere in Fernsehspots gemacht wird.

Ein Produktporträt ist ein rein beschreibender Text, der sich impressionistischer Mittel bedient, um eine gelebte Geschichte zu erzählen, um aus sinnlichen Eindrücken ein erspürbares Erfahren des Produkts auszulösen.

Ein Produktporträt ist ein Porträt wie in der Bildenden Kunst und der Fotografie
Im Produktporträt ist das Produkt der Mittelpunkt des Textes, eben wie bei einem Porträt die Person, die gemalt oder fotografiert wird, den inhaltlichen Mittelpunkt des Bildes darstellt. Es ist das Einzige, was zählt und sichtbar wird, und wird dadurch zur viel beachteten, bewunderten, begehrten, beneideten und inspirierenden Diva. Die Vorstellung ist unmittelbar und unübersehbar.
Ein Porträt ist kunstgeschichtlich zudem immer ein extrem aktives Medium, das dadurch besonders lebendig wirkt und zu einer bereichernden und vielseitigen Kommunikation führt. Der Porträtierte steht allein im Zentrum des Interesses, fordert Aufmerksamkeit und Gehör, offenbart sich so, wie er es wünscht und zulässt. Sein Blick zeigt bewusst, wer er ist, welche gesellschaftliche Stellung er hat oder haben möchte, die ihm beigestellten Attribute sind weitere Hinweise auf seine Position, Absichten, Vorstellungen, Ideale und Ziele – sozusagen auf seine USP. Ein Porträt ist nichts anderes als das, was das moderne Marketing als Personal Branding versteht.
In dieser Hinsicht ist ein Porträt immer Dialog und wird deshalb besonders eindrucksvoll und nachhaltig rezipiert: Das Bild macht den ersten Schritt, der Betrachter hinterfragt Geschichte, Charakterzüge, Umfeld und baut auf diese Weise in seiner Fantasie einen für ihn greifbaren Kontext auf, der ihm hilft, die dargestellte Person zu beurteilen und einzuordnen.

Vorteile eines Produktporträts
Durch die Unmittelbarkeit der Wahrnehmung wird das Produkt im Porträt selbst zum Influencer. Der potentielle Kunde wird nicht durch Dritte – Stars, Schauspieler, prominente Berater, Idealfiguren – überzeugt und überredet, sondern durch das Produkt selbst, das aktiv und eigenständig mit ihm in Dialog tritt, das ihn anspricht und zu ihm spricht, und sich daher als Teil seiner selbst und seines Lebens anbietet. Dies ermöglicht auf einer zweiten Ebene eine stimmungsvolle Andeutung der Welten, die das Produkt und seine Nutzung eröffnen können, ohne dass sie erst erfunden werden müssen. Über Tableaus, also geschichtenerzählende Bilder, wird eine emotionale und vor allem sinnliche Beziehung erschaffen, die der Leser nicht als Storytelling und somit nicht als „externen“ und künstlichen Überbau empfindet, sondern als eigen, natürlich und vertraut rezipiert. Dies erhöht nicht nur die Glaubwürdigkeit der Produktvorstellung, sondern auch die Nachhaltigkeit des ersten Eindrucks: Durch die Kraft der suggerierten und ausgelösten Assoziationen bleibt eine Erinnerung zurück, die nicht so schnell verblasst, weil sie mit einem besonderen Moment des persönlichen, ja privaten, intimen Erfahrens verbunden ist.
Im Produktporträt entsteht ein situativer Raum, der das Produkt aus der Anonymität herausholt und ihm ein unverwechselbares Gesicht und eine prägnante Identität verleiht. Es ist diese eigene Persönlichkeit, die sich der Kunde wissentlich aussucht, weil er instinktiv und intuitiv spürt, dass sie zu ihm passt.
Ein Produktporträt ermöglicht es auf diese Weise, auch einem sehr alltäglichen, zugleich jedoch ungewöhnlichen oder qualitativ überdurchschnittlichen Produkt die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sonst nur große Werbekampagnen erzielen bzw. der Luxusindustrie vorbehalten bleiben. Es bedeutet folglich sowohl eine erhebliche Steigerung der Marketingqualität durch den Text, als auch eine unvergleichliche Kunden- und Fan-Bindung.

Ein Produktporträt ist die Übertragung der Motivationen und Funktionsweisen der Bildenden Kunst auf die emotionale Vorstellung von Kaufgegenständen durch eine impressionistische Textsprache. Das Produkt wird von einer Poesie des Alltags regelrecht enthüllt und in ein gezieltes, aber hochwertiges und feinfühlig nuanciertes Scheinwerferlicht gerückt.
Der rein deskriptive Ansatz, der das Wesen des Porträts selbst ist, schafft parallel dazu eine (be)zwingende Objektivität, der sich der potentielle Kunde nicht entziehen kann.

06/20/19

Plädoyer für mehr Normalität in der Kunst

Es gibt in meinem Blog unterschiedliche Artikel. Die meisten schreibe ich, weil es nun einmal zum heutigen Marketing gehört. Einige schreibe ich, um meine Arbeitsweise zu erläutern und so potentiellen Auftraggebern zu verdeutlichen, was sie von mir erwarten dürfen und was ich ihnen nicht anbiete; weitere, um inhaltliche Missverständnisse um bestimmte Begrifflichkeiten auszuräumen. Die wenigsten sind Ausdruck eines wirklichen Mitteilungsbedürfnisses – dieser Beitrag ist eine dieser Ausnahmen. Deshalb ist er deutlich länger als andere. Deshalb folgt er nicht der üblichen Struktur eines Blogposts. Manche werden ihn vielleicht provokativ, überheblich oder gar weltfremd finden. Damit kann ich sehr gut leben: Er ist schonungslos aufrichtig.

Veröffentlichte ich diesen Text als Abhandlung, trüge er den Untertitel: „Von der Schwierigkeit, in Deutschland Kunst zu leben“. Er ist in der Tat das Ergebnis eines über lange Zeit gewachsenen Unmuts, der über Frust weit hinaus geht.

In letzter Zeit bekam ich zufällig – durch Dokumentationen, eigene Recherchen und Bekanntschaften auf Twitter, die zu einem persönlichen Austausch per eMail führten – Einblick in die Selbst- und Fremdeinschätzung von Künstlern in anderen Ländern. Darunter waren japanische Kunsthandwerker und Kalligraphen, amerikanische LandArt-Künstler, englische Aquarellmaler und einige mehr. Alle haben eins gemein: Es sind ganz normale, unkomplizierte Menschen, ohne Posen, ohne sichtbare Exzentrizitäten. Sie kleiden sich durchschnittlich, tragen keinen flammenden Irokesenschnitt, fallen auf der Straße nicht auf. Ihre Kunst aber ist oft entwaffnend anrührend, virtuos und atemberaubend.
Das Statement dieser Künstler entwickelt sich auf natürliche, organische Weise und oft im Laufe der Zeit: aus Liebe zu ihrer Arbeit und dem aufrichtigen, leidenschaftlichen, aber zugleich durchaus unaufgeregten und bescheidenen Bedürfnis, ihre Freude, ihre Begeisterung, ihr Anliegen zu teilen, oder aus den Antworten, die sie Menschen geben, die sich für ihre Werke interessieren und sie nach ihren Motivationen und Inspirationen fragen. Es ist der Versuch, das Wesen ihrer Arbeit und ihres Ansatzes im Wort zu artikulieren, der sie zu dem führt, was andere als Statement auffassen. Die Bewusstwerdung eines Statements entsteht durch den Dialog – während, aber vor allem nach dem Schaffensprozess und als Folge der Rezeption. Diese Natürlichkeit tut dem wirtschaftlichen Erfolg keinen Abbruch.

Hier in Deutschland scheint das Gegenteil der Regelfall zu sein. Schnell bekommt man den Eindruck, dass erst eine Positionierung da sein muss, bevor sich jemand als Künstler fühlen darf und sich zu einem solchen erklärt, und dass erst in einem dritten Schritt die Arbeit überhaupt geschieht, als könne Kunst nicht ohne die theoretische Grundlage abstrakter Prinzipien entstehen. Je esoterischer das Statement klingt und je selbstbewusster und ichbezogener der Künstler wirkt, um so besser. Künstler ohne Eigenarten und Abnormalitäten müssen entweder alteingesessen sein, oder sie werden nicht ernstgenommen.

Mich stört die Vorstellung sehr, dass ich vermutlich mehr nach meinem Statement als nach meiner Arbeit beurteilt werde. Ich möchte nicht das Bedürfnis anderer bedienen, in mir etwas Exotisches zu sehen. Ich tue das, was mir entspricht, aber ich muss nicht deshalb etwas Besonderes sein oder sein wollen. Meine Texte dienen dazu, Gegenstände, Landschaften, Augenblicke einzufangen, die ich schön finde. Es sind Impressionen, die ich festhalten, bewahren möchte, weil sie eine Schönheit in sich tragen, die mich beeindruckt, die flüchtig ist, von der ich mich aber nicht verabschieden möchte. Ich verspüre den Drang, sie zu „retten“, ihre Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit schützend zu umgeben, weil sie kleine Kostbarkeiten sind, die für immer zu verlieren zu schade wäre.
Deshalb rede ich von Momentaufnahmen, Porträts oder Aufzeichnungen. Dahinter steckt keine wie auch immer geartete intellektuelle Philosophie, kein höherer Sinn und keine selbstverliebte überhöhte Überzeugung. Ebenso bilde ich mir nicht ein, etwas „zu sagen“ zu haben – geschweige denn „kreativ“ zu sein. Wenn ich eine Geschichte erzähle, tue ich es lediglich als Zuschauer, als Photograph. Ich kreiere nicht, ich beschreibe. Ich unterwerfe mich dem, was ich sehe, rieche, höre, spüre. Zufällig ist mein Werkzeug dafür das Wort; Layout und Papier sind der Rahmen und die Beleuchtung dieser „Gemälde“.
Mit mir haben meine Texte im Grunde nur soweit zu tun, als dass ich dem Leser meine Augen, Nase, Ohren, Finger leihe. Ich beobachte, sehe schöne Dinge und halte sie um ihretwillen fest. Ich habe dabei nicht das Bedürfnis, mich auszudrücken, mich mitzuteilen oder, wie ich es in manchen Artikeln über das Künstlertum ärgerlicherweise immer wieder lese, etwas zu „offenbaren“, was „aus meiner Seele“ käme, mich zu „entblößen“, etwas von mir preiszugeben. Schreiben ist für mich kein „intimer Akt“, es ist eine Technik, ein Mittel, ein Weg. Auch deshalb sehe ich mich nicht als Schriftstellerin, Dichterin oder Autorin, wie einige es unbedingt ausdrücken wollen. Mit solchen Begriffen kann ich nichts anfangen.
Natur, Zufall, Licht, Schatten, Farben, Klänge und Gerüche erschaffen Bilder und Geschichten, die zu schön, zu zart, zu überwältigend, zu kostbar sind, um sie sich einfach auflösen zu lassen – auch wenn der Versuch, sie festzuhalten, immer nur unzulänglich und unperfekt sein kann. Ich bin nur das Werkzeug der schönen Dinge, die uns – zu oft unbemerkt, zu oft übersehen – umgeben, und verfolge keine andere Absicht, als dazu beizutragen, sie zu zeigen und zu bewahren, damit ihre Schönheit nicht ganz umsonst war.

In Deutschland geht Normalität in der Begegnung mit einem Künstler oft mit Enttäuschung einher. Die Menschen erwarten seltsame, überspannte Wesen mit unerklärlicher Kleidung, außergewöhnlichen Frisuren, unberechenbarem Auftreten, sozialen Verhaltensauffälligkeiten oder anderen Abnormitäten irgendwelcher Art. Künstler sind in der allgemeinen Vorstellung sonderbar, rüpelhaft, zerstreut, unordentlich, chaotisch – als müssten Andersartigkeit und wie auch immer zur Schau getragene Genialität den Beweis dafür erbringen, dass man es tatsächlich mit einem Künstler, und vor allem mit einem glaubwürdigen Künstler zu tun hat.
Mir scheint, dass gerade hier bei uns solchen Erwartungen nur zu gern entsprochen wird. Ich weiß nicht, ob die Künstler es bewusst oder unbewusst als Bringschuld empfinden, sich dem gesellschaftlichen Druck zu beugen, oder diese Auffassung von vornherein teilen und daher auch von sich selbst ein bestimmtes Bild haben, das sie wirklich gerne leben. Die Begründung einer wirtschaftlichen Notwendigkeit und einer Marketingstrategie bzw. der Unumgänglichkeit einer einzigartigen und auffälligen Positionierung als Markenbildung in Zeiten permanenter Vergleichbarkeit und internetgenerierter Konkurrenz halte ich eher für eine willkommene Ausrede, würde sie allerdings nicht gelten lassen. Künstler wie Sophie Ploeg zeigen zur Genüge, dass gute Arbeit und erfolgreiches Marketing nicht mit verrückten Posen einhergehen müssen.
Auch dass einige Künstler in der Vergangenheit dafür berühmt waren, anders zu leben und zu sein, scheint mir eher irrelevant und konstruiert. Viele große Künstler und Schriftsteller waren einfach nur fleißige Arbeiter – man denke nur an den in höchstem Maße disziplinierten Thomas Mann oder den unglücklichen und unscheinbaren Bonnard. Tatsächlich wären diejenigen, die durch einen unkonventionellen und betont auffälligen Lebensstil auf sich aufmerksam gemacht haben, vermutlich auch dann extrovertierte Paradiesvögel geworden, wenn sie sich für eine Laufbahn als Bäcker oder Physiker entschieden hätten. Viele sehr gute Schauspieler führen ein solides und biederes, unaufregendes Familienleben; schnelle Autos, Drogen, Alkohol und Prostituierte gehören nicht schicksalhaft zur Berufsbeschreibung, und Exzentrizitäten sollten genauso wenig mit dem Wesen von Künstlertum verwechselt werden.
Die einzige und gemeinsame psychische Auffälligkeit von großen Künstlern ist ihre Besessenheit in ihrem Bemühen, ihre Arbeit so gut wie möglich zu machen, in ihrem Willen, ihre Methoden, ihre Techniken, ihr Handwerk also, dafür unermüdlich zu perfektionieren, in der Unablässigkeit ihrer ästhetischen Suche und in der ständigen Hinterfragung ihrer Ansätze.

Selbstbilder, die nach außen getragen werden, haben Konsequenzen. Die Verachtung und der mitunter blanke Hass, der Künstlern hierzulande in den wohlgesetzten Foren berühmter Nachrichtenmagazine entgegenschlagen, ist zweifelsohne Ausdruck eines typisch deutschen Konformismus’ und Materialismus’ und einer zugegebenermaßen deprimierenden MINT- und Technikhörigkeit, die unbestritten immer deutlicher und mit zunehmend verletzendem Vokabular propagiert werden – darüber gäbe es in dem Vergleich mit anderen Ländern wie Japan, England, Italien, Frankreich, Brasilien, den USA und dem afrikanischen Kontinent ebenfalls sehr, sehr viel zu sagen, und nichts davon wäre für Deutschland auch nur annähernd schmeichelhaft. Es ist nicht zu beschönigen. Dieses negative Bild ist aber auch zu einem Teil der Widerhall einer völlig unnötigen Oberflächlichkeit und einer krampfhaft pseudo-intellektuell unzugänglichen Selbstdarstellung, die gerade dem Auftrag der Kunst diametral entgegenstehen und ihr Wesen verfälschen, ja vergessen lassen.

Etwas mehr Demut und Normalität würde der deutschen Kunstwelt nur gut tun – und sie vor allem nach einem langen Irrweg zu den Wurzeln dessen zurückführen, was Kunst ist: der Schutz und Ausdruck des Schönen. Kunst ist Suche und Arbeit. Kleine, unaufhörliche, unsichtbare, unscheinbare, anstrengende und wenig glamouröse Arbeit. Um der Sache und der Leidenschaft willen, nicht um der Person willen. Eine ganz normale Arbeit.

03/21/16

Was künstlerische Textarbeit dem Unternehmen bieten kann

Für Start-ups und Kleinunternehmen ist es selbstverständlich, Logo, Visitenkarten, Briefpapier, Internet-Layouts, Firmenschilder, Büroeinrichtung und dergleichen mit der größten Sorgfalt auszusuchen.

Dies ist nachvollziehbar: Das grafische Erscheinungsbild ist ein wichtiger Ausdruck des Selbstverständnisses und soll zu einer systematischen Wiedererkennbarkeit, einer eindeutigen Vermittlung der Unternehmensphilosophie, einer subtilen Zielgruppenbestimmung und -eingrenzung, und einer starken und einzigartigen Positionierung beitragen. Dementsprechend wird der Zusammenarbeit mit Designern eine hohe Aufmerksamkeit und Wertstellung zuteil.
Doch die Identität eines Unternehmens lebt nicht von optischen Botschaften allein.
Vielmehr sind diese ohne eine gleichwertige textliche Gestaltung nur ein leerer Raum. Texte erst verleihen dem grafischen Auftritt eine Struktur, eine Stimme, eine Persönlichkeit.
Die textliche Unternehmensidentität sollte daher mit derselben Sorgfalt, Leidenschaft und Kompromisslosigkeit durchdacht, ausgesucht und erarbeitet werden, die auch den optischen Merkmalen gewidmet wird.

Ob unkonventionell, zeitlos, charakterstark, kompromisslos originell, klassisch, anspruchsvoll, individualistisch, stimmungsvoll, sachlich, ausdrucksstark, emotional, puristisch, künstlerisch, überschwänglich …
Die Texte, die das Unternehmen nach außen darstellen, sollten in ihrer Tonart und Farbgebung genau wiedergeben und vermitteln, wie es wahrgenommen werden möchte. Sie müssen der prägnante, stimmige und schlüssige Ausdruck des Images sein, das es anstrebt. Nur so entsteht die Art von Glaubwürdigkeit und Wiedererkennbarkeit, die als Authentizität bezeichnet wird.

Es ist das, was ich tue: Mit den Werkzeugen der künstlerischen Textarbeit richte ich Ihren ganz persönlichen Text-Raum individuell ein – durch die Ausarbeitung  einer konsequenten, differenzierten und wiedererkennbaren sprachlichen Klang- und Farbgebung, die Definition einer eindeutigen und einzigartigen Positionierung über individuelle und originelle Texte, die Vermittlung einer nachvollziehbaren und überzeugenden USP.

So stellt sich eine persönliche emotionale Ansprache ein. Ideale Orte und Welten der Markenbildung und Kundenbindung entstehen. Produkte, Leistungen, Projekte werden zu faszinierenden und lebendigen Geschichten, die inspirieren, Träume anregen und Begierde wecken und dem textlichen und virtuellen Verkaufsraum originelle Ideen eröffnen.

Ihr Unternehmen wird unverwechselbar, Ihre Kommunikation wird unvergesslich.

10/29/15

Zwischen Kunst und Chamäleon

„Kunst kommt von Können“, betont immer wieder der Volksmund und erhebt somit einen etymologischen Gemeinplatz zu einer tollpatschigen Definition, die in ihrem entsetzlich einschränkenden Ansatz von einer beängstigenden Hilflosigkeit zeugt. Dieser Satz gehört für mich deshalb zu den ewigen Ärgernissen, auf die ich besonders ungehalten reagiere.

Kunst hat vor allen Dingen mit (Er)Kennen zu tun. Wiedererkennbarkeit ist hier von entscheidender Bedeutung. Die Unverwechselbarkeit der Handschrift eines Künstlers – sei er Maler, Komponist, Bildhauer – begründet seinen Namen, seine Reputation und seine Beliebtheit, schließlich und infolgedessen sein Einkommen.
Wer eine Oper von Mozart hört, kann sie sofort als solche identifizieren. Wer einen Monet sieht, kann ihn sofort zuordnen. Der Grund dafür liegt in der Natur der Kunst selbst: Kunst ist der Wille, wiederzugeben und festzuhalten, und auf der Suche nach der perfekten Technik, dem perfekten Ausdruck, dem perfekten Weg, Dinge und Menschen zu erfassen, entwickelt jeder Künstler Mechanismen, Gewohnheiten und Mittel, die er immer wieder verwendet, erprobt, vertieft und verfeinert, weil sie für den angestrebten Zweck schlichtweg am geeignetesten erscheinen. Die einmal gefundenen Werkzeuge werden im unaufhörlichen Prozess des Erforschens, des Versuchens, immer wieder aufs Neue traktiert und variiert, bis sie sich zu einer eigenen Ausdrucksweise entwickeln, die selbst Laien bald als die charakteristische „Sprache“ des jeweiligen Künstlers erkennen.
Diese Wiedererkennbarkeit ist für Künstler identitäts- und marktwertstiftend.

Von diesem Standpunkt aus betrachtet hat also die Kunst das erfunden, was gemeinhin als „Corporate Identity“ bezeichnet wird. Gerade deshalb und in doppelter Hinsicht bringt künstlerische Textarbeit für Unternehmen Sinn: Nur wer künstlerische Denk- und Arbeitsmuster genau kennt und lebt, weiß wirklich, was Wiedererkennbarkeit bedeutet, wie sie entsteht und wie sie zu erreichen ist.
Darin unterscheidet sich künstlerische Textarbeit von der Arbeit eines Werbetexters. Letzterer muss in erster Linie zu einer unaufhörlichen und bedingungslosen Wandelbarkeit fähig sein. Wie ein Chamäleon muss er sich überall und blitzschnell anpassen und mit seiner Umgebung verschmelzen. Dies erfordert bemerkenswerte Eigenschaften, und diese Fertigkeit ist im Textbereich nicht weniger beachtlich und bewundernswert als in der Natur. Wenn ein Tier allerdings in der Lage ist, die Farbe eines Baumes anzunehmen, so bedeutet dies noch lange nicht, dass ihm die Aufgabe zuteilwerden sollte, einen Baum zu pflanzen. Es müsste das richtige Gewächs für Klimazone und Bodenqualität auswählen, den besten Pflanzort suchen, es regelmäßig düngen, pflegen, schützen, schneiden, seine Entwicklung verfolgen und es in Form bringen und halten, damit es lange gedeiht. Ein Chamäleon ist ein zauberhaftes und faszinierendes Geschöpf, aber all dies kann es nicht. Genauso wenig kann ein Werbetexter eine textliche Unternehmensidentität erfolgreich begründen.

Textliche Corporate Identity ist keine Werbung. Es geht hier nicht darum, einer Zielgruppe zu erzählen, was sie hören will oder muss, damit sie etwas kauft, das sie möglicherweise nicht einmal braucht. Textliche Corporate Identity drückt aus, was das Unternehmen sein will, aus welchen Träumen es entstand, welche Welt, welche Vision, welche ideale Vorstellung es erschaffen will.
Werbung redet und überzeugt – wie das Chamäleon, das uns glauben lässt, es sei ein Stein oder ein Blatt. Werbetexter sind begabte und sehr unterhaltsame Zauberer und Gaukler, die Gehirn und Vernunft gekonnt überlisten und Illusionen aus dem Nichts entstehen lassen.
Textliche Corporate Identity hingegen erklärt, verdeutlicht, positioniert, vertieft. Sie offenbart Werte, verleiht ein Gesicht, entlarvt wie der Blick eines Malers, verstärkt wie der Bleistift eines Karikaturisten, betont, was das Auge übersehen könnte, enthüllt die Facetten einer komplexen Persönlichkeit, indem sie sie deutet, ansprechend aufbereitet und dadurch präziser definiert.

Wenn ich für Unternehmen künstlerische Textarbeit leiste, bedeutet dies, dass ich ihnen helfe, zu erklären und zu zeigen, wer sie sind und sein wollen.
Dies setzt voraus, dass ich mich bis zu einem gewissen Grad damit identifizieren kann. Man sollte etwas von Bäumen verstehen, wenn man welche pflanzen und hegen will. Ein grüner Daumen, ein wenig Intuition und Einfühlungsvermögen, Interesse an der Materie und so etwas wie Liebe sind notwendig. Deshalb arbeite ich nur in bestimmten Themenbereichen. Für alles und alle zu schreiben, impliziert neben der inhaltlichen auch unvermeidlich und unweigerlich eine qualitative Beliebigkeit. Vor lauter Wandelbarkeit verlernt und verliert der Texter seine eigene Handschrift, seine Arbeiten ihre Wiedererkennbarkeit, das Unternehmen, das ihn beauftragt, seine Unverwechselbarkeit und seinen Marktwert.

Der Begriff der künstlerischen Textarbeit mag hochtrabend und elitär klingen. Tatsächlich definiert er das Konzept, das Unternehmen brauchen, um eine effiziente USP festzulegen und zu sichern. Deshalb ist mein Ansatz der Kunst näher als dem Chamäleon – auch wenn sein Können außer Frage steht.

06/28/15

Texte für Unternehmen?

In den letzten Wochen wurde die Website von TextLoft überarbeitet. Einer der Gründe dafür war der Wunsch, die Vielfalt dessen, was ein Projekt wie TextLoft gerade auf der Grundlage des Prinzips einer künstlerischen Textarbeit Unternehmen bieten kann, ein wenig ausführlicher darzustellen. Die Wahrheit ist: Es ist so dringend nötig wie wenig selbstverständlich.

Neben wirtschaftlichen Erwägungen und dem Irrglauben, ein Bild sage mehr als tausend Worte, versäumen es Unternehmen oft deshalb, Texte für ihre Marketingmaßnahmen in Auftrag zu geben, weil sie schlicht nicht wissen, was Text kann, bzw. wie viel Text zu erreichen vermag und wie vielseitig und verschieden Text sein kann.

Negative Vorarbeit haben diesbezüglich viele geleistet.
Werbetexter haben mit der Entwicklung eines immer abstruseren Jargons, kryptischen Slogans, einheitlich breiigen Botschaften und dubiosem Denglisch das Wort unglaubwürdig und inhaltsleer werden lassen. Mit der Behauptung, schreiben könne jeder, der über eine Tastatur oder einen Stift verfüge, haben Discount-Portale den Weg zu einer bodenlos gleichgültigen Qualität geebnet. Schließlich und zuallererst entzieht die deutsche Bildungspolitik seit Jahrzehnten selbst in den Geisteswissenschaften formalen und ästhetischen Kategorien mutwillig jeden Wert. Text dient nur noch der Information, der sachlichen Mitteilung und Faktenübermittlung und wird auf diese Funktion reduziert. Alles andere wird als Literatur – oder was dafür gehalten wird – abgetan.

Text ausschließlich unter diesem Aspekt zu betrachten und zu verwenden, ist etwa so, als würde man eine sehr große Gartenfläche komplett unbepflanzt lassen und lediglich eine winzige Ecke gelegentlich als Grillplatz nutzen: Es mag nicht falsch sein, aber es ist schade um die unendlichen verschenkten Möglichkeiten, die sich mit ein wenig Überlegung, gutem Willen und Können aus dem Raum ergeben könnten.
Anders ausgedrückt: Fakten sind kein Text. Fakten sind ein Skelett. Und ein Skelett ist kein lebendiger Mensch mit eigenen, wiedererkennbaren Gesichtszügen und einer eigenen, wiedererkennbaren Stimme. Ein Skelett taugt als Gruselartikel oder als Lernmittel im Bio-Unterricht, aber nicht zu einer lebhaften, produktiven Kommunikation. Es hat keine Gefühle, keine Geschichte, ist austauschbar und langweilig. Es hat einfach nichts zu sagen.
Ein Text, der diesen Namen verdient, hingegen ist wie ein Mensch: Er kann sich mitteilen, kann sympathisch oder unsympathisch wirken, gepflegt oder lässig sein, zum Schmunzeln, zum Lachen und zum Weinen bringen, überzeugen oder abschrecken, sich schlicht oder überschwänglich geben. Und er kann sogar mehr: Er kann zaubern, Dinge aus dem Nichts entstehen lassen – Orte, Klänge, Düfte, Farben, Visionen, Erinnerungen … ganze Welten.
Gerade diese Eigenschaften machen Text für Unternehmen unentbehrlich und unersetzlich: Er ist ein allmächtiges Instrument – gerade in der Marketingarbeit.

Künstlerische Textarbeit erschafft für Unternehmen lebendige Texte, deren ästhetische Werte nicht bloße Schönheit und Beiwerk sind, sondern Funktion. Ein lebendiger Text gibt die Positionierung eines Unternehmens nicht nur wieder. Er kann sie festigen, verändern, differenzieren, abgrenzen, nuancieren und sogar kreieren. Er bestimmt das Bild, das in den Köpfen entsteht – und damit die Identität des Unternehmens. Corporate Identity mag ihren Ausdruck in Design und Typographie finden. Wirklich geboren wird sie durch das Wort.

Künstlerische Textarbeit ist deshalb für Unternehmen wichtig, weil sie ihnen ein unverwechselbares Gesicht gibt. Sie schenkt ihnen eine Geschichte, eine Atmosphäre, eine greifbare Persönlichkeit, eine Farbe, einen Geschmack, einen Geruch.

12/7/14

Home Office & Nachbarschaft

Während der Begriff des „Home Office” mittlerweile in aller Munde ist, ist die Arbeit in den eigenen vier Wänden paradoxerweise noch immer alles andere als selbstverständlich und wird nach wie vor als Kuriosum betrachtet – nicht zuletzt von Nachbarn.

Bei der älteren Generation sind Argwohn und Verdacht die ersten üblichen Reaktionen. Wer den ganzen Tag zu Hause ist, kann kein anständiger Mensch sein. Das Missverständnis kann allerdings und meist dank unverhohlener bis bohrender Neugier im allgemeinen schnell aufgeklärt werden, und gerade dann erweisen sich die Klischees, die sich um den Beruf des Schreibens ranken, als ungeheuer hilfreich. Als „Wortvirtuose”, der in der Tat in der Lage ist, mit dieser schweren Kunst seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, genießt man von da an sogar ein gewisses Maß an Anerkennung, was ein wenig zum Schmunzeln verführt.
Jüngere Menschen kennen solche Vorurteile zwar nicht mehr, aber auch für sie ist die Situation offenbar nicht alltäglich und sie wird unterschiedlich bewertet. Die Palette erstreckt sich von Neid – Geld verdienen zu können, ohne bei Regen und Schnee das Haus verlassen zu müssen, erscheint als äußerst erstrebenswert – bis Mitleid – ein Leben ohne den täglichen Umgang mit den Kollegen an der Kaffeemaschine können sich viele überhaupt nicht vorstellen.

Unabhängig von der Akzeptanz oder Rezeption dieser für die meisten noch immer ungewöhnlichen Arbeitsbedingungen ist das Home Office in Wirklichkeit eine sehr fruchtbare Grundlage für angenehme und interessante nachbarschaftliche Beziehungen.
In unserem Haus, in dem die Mieter sehr häufig wechseln, haben wir schon eine Reihe spannender Bekanntschaften machen dürfen – darunter eine sympathische und entwaffnend chaotische junge Familie, eine alleinstehende Dame mit Hang zur öffentlichen Darstellung ihres Sexuallebens, verirrte Nordlichter, heimwehgeplagte Schwaben, trinkfreudige Studenten und viele Pärchen aller Art … Mit einigen ehemaligen Nachbarn pflegen wir heute noch, lange nach ihrem Auszug, Kontakt.

Tatsächlich wird unser Home Office von unseren Nachbarn als Glücksfall betrachtet, und sie genießen es offenkundig: Kein Paket muss an den Absender zurückgeschickt oder vom Postamt abgeholt werden; während der Urlaubszeit ist jemand da, der den Briefkasten regelmäßig leert, die Blumen gießt oder die Katzen füttert; niemand muss an einem Arbeitstag zu Hause bleiben, weil Handwerker oder Schornsteinfeger ihren Besuch angekündigt haben.
So haben wir unsererseits die abwegigsten Geschichten erlebt: Wir wurden einmal vom Flugzeug aus angerufen und gebeten, eine vergessene Kaffeemaschine auszuschalten; ein anderes Mal mussten wir Briefe mit langersehnten Prüfungsergebnissen öffnen und am Telefon vorlesen.

Auch wenn es nicht immer einfach ist, so unfreiwillig in das Privatleben Anderer eindringen zu müssen, so hat dieses besondere nachbarschaftliche Verhältnis einen sehr schönen Aspekt. Ob wir eine ungeduldig erwartete Bestellung, ein bunt dekoriertes Überraschungspäckchen, einen abgegebenen Blumenstrauß überreichen oder einen für einen Tag hinterlegten Schlüssel zurückgeben – wir bekommen jedes Mal, wenn wir die Tür öffnen, das Geschenk eines aufrichtigen Lächelns. Manchmal – so gestern am Nikolaustag – ist auch ein süßes Dankeschön dabei.

07/1/14

Die Bezeichnung „Textkünstlerin“

Eine gute Freundin zeigte sich neulich darüber überrascht, dass ich auf meiner Website als Berufsbezeichnung nunmehr „Textkünstlerin“ eingetragen habe. Sie schickte sich schon an, mich für ein ganz atypisches und möglicherweise neu entdecktes Selbstwertgefühl zu loben – vorschnell und ungerechtfertigterweise allerdings, denn es handelt sich dabei um eine sehr pragmatische und offen gestanden ungeliebte Entscheidung und den Versuch, Klarheit zu schaffen.

Als ich das Projekt „TextLoft“ ins Leben rief, ging es vor allem darum, Texten und Textkäufern einen Raum zu geben, in dem die ästhetischen Werte, also die Schönheit des Produkts „Text“, im Vordergrund stehen. Was für mich ganz selbstverständlich ist, muss für andere aber nicht notwendigerweise einleuchtend sein – erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass ich damit einen sehr eigenwilligen und im deutschen Sprachraum erstmaligen Weg gehe.
Eine Berufsbezeichnung ist nichts an sich Wichtiges, sie ist nur ein Wort. Nichtsdestotrotz kann sie hilfreich sein, um eine bestimmte Art von Leistung von anderen, mit ihr eng verwandten, abzugrenzen und das eigene Selbstverständnis in kurzer und prägnanter Form darzulegen.
Ich bin nicht Schriftstellerin, denn ich schreibe und veröffentliche nichts, was annähernd literarischen Kriterien entspräche.
Ich bin auch nicht Autorin – auch wenn ich in der Vergangenheit an einigen Publikationen mitgearbeitet habe. Dass ich Kriminalromane schreibe, ist eine Freizeitbeschäftigung, die nichts mit einer bezahlten Tätigkeit zu tun hat.
Ich bin auch nicht Werbetexterin. Ich entwickle keine Claims und schreibe nicht nach Vorgaben und einer kurzen Einarbeitungszeit alltagstaugliche Texte zu jedem beliebigen Thema.

Für mich ist das Schreiben die Fortsetzung der Innenarchitektur, der Malerei, der Bildhauerei, der Fotografie mit anderen Mitteln.

Wenn ich im Auftrag schreibe, dann in meinem eigenen, erkennbaren Stil und innerhalb einer bestimmten Auswahl an Themen, die mit diesem Stil harmonieren. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Maler oder ein Bildhauer gebeten werden, ein Porträt oder eine bestimmte Dekoration anzufertigen. Im fertigen Werk bleibt im Rahmen der Auftragsbeschreibung und der Wünsche des Kunden ihre Handschrift immer präsent, deutlich und unverwechselbar – auch Jahrzehnte später werden das Bild oder die Skulptur mühelos dem Künstler und nicht seinem Auftraggeber zugeordnet. Der Sinn von TextLoft ist es, genau diese Art von Arbeiten zu erschaffen, und in dieser Hinsicht ist mein Ansatz kein primär kaufmännischer, sondern ein künstlerischer.

Dass ich mich also als Textkünstlerin bezeichne, ist zum einen nur ein Wort, weil Berufsbezeichnungen in einer positionssüchtigen Welt nur einmal verlangt und erwartet werden. Im Inhalt ist diese Bezeichnung wiederum vor allem der Ehrlichkeit geschuldet und soll Interessenten helfen, zu verstehen, was ich ihnen anbieten kann und was sie bei mir nicht bekommen. Künstlerische Arbeit ist nämlich auch immer mehr oder weniger genregebunden. Ich schreibe keine Sockenbeschreibungen für einen Versandkatalog, blogge nicht über elektronische Geräte oder Investment. Sehr wohl aber kann ich einem Restaurantbesitzer helfen, seine Spezialitäten so vorzustellen, dass der Leser sie zu schmecken meint, Touristen die Stimmen eines ganzen Landes plastisch und greifbar vermitteln, oder ein neues Parfüm so beschreiben, dass man es nicht einmal selbst riechen muss, um es kaufen zu wollen.
Ich tue also genau das, was Künstler eben tun: Augenblicke und Bilder einfangen und teilen. Und ja: Ein Hinweis auf meine Preisvorstellungen ist diese Berufsbezeichnung auch, denn für 0,02 €/Wort arbeite ich nicht.

Außerdem hat meine Arbeit andere Aspekte. Wie auf meiner Website zu sehen ist, arbeite ich auch an Projekten, die weder der Textarbeit im üblichen Sinne noch der Schriftstellerei zuzuordnen wären. Es sind zweckfreie Texte, die als in sich (ab)geschlossen zu betrachten sind, die ausgestellt oder einzeln als „l’art pour l’art“-Miniaturen oder Sammlung erworben werden können, die keine Geschichte erzählen, nicht veröffentlicht werden, sondern die kleinen und schönen Dinge des Lebens einfach festzuhalten versuchen.

So fügt sich ein Mosaik zu einem Begriff zusammen. Wohl fühle ich mich damit zugegebenermaßen ganz und gar nicht. Er klingt merkwürdig und hochtrabend. Vielleicht sogar ein wenig lächerlich. Aber er trifft den Kern der Sache.