Überlegungen und Abwägungen bestimmen im TextLoft zur Zeit den Alltag. Meine Fanpage steht hierbei im Mittelpunkt, und es ist keine Detailfrage. Vielmehr geht es um mein berufliches Selbstbild und um die schwierige Balance zwischen Selbsttreue und Zielen.
Einige Monate, nachdem ich mich hatte überreden lassen, mein privates Facebook-Profil zu aktivieren, habe ich es diese Woche wieder abgeschaltet. Dies war mein zweiter privater Versuch auf Facebook – und auch mein endgültig letzter.
Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, mich in die private Seite von Facebook einzufühlen und einzuarbeiten, aber ich sehe den Sinn dieses Mediums nicht.
Unterhalten kann ich mich mit Bekannten und Freunden per Post und eMail, ganz gleich auf welchem Kontinent sie leben. Wenn ich ihnen Fotos zeigen will, kann sie ihnen direkt und einzeln ebenfalls per eMail oder per Post zukommen lassen. Was ich zu sagen habe, richte ich lieber individuell an eine einzige Person, nicht an eine Gruppe von Menschen, zu denen ich Beziehungen von ganz unterschiedlicher Qualität pflege und die einander nicht einmal kennen. Mein Alltag birgt nichts Spannendes, das unbedingt in die Runde mitgeteilt werden müsste: Was meine Arbeit betrifft, wird schon viel hier im Blog erzählt, und mehr gibt es nicht zu sagen. Meine Freizeit ist knapp bemessen – eine euphemistische Formulierung dafür, dass ich keine habe und sie von Marketingerfordernissen und Haushalts- und Mieter-Pflichten vollends aufgezehrt wird. Und auch wenn ich weiß, dass es Sinn der Sache ist, verspüre ich keinen Drang, Dinge durch Teilen oder Liken weiterzuempfehlen: Wer mich gut genug kennt, weiß, was ich mag und was mich interessiert, ich muss es nicht auch noch halb öffentlich plakativ beweisen. Wenn ich etwas Wissenswertes entdecke, von dem ich weiß, dass jemand aus meinem Bekanntenkreis Freude daran hätte, schreibe ich eine eMail – nicht an alle, die ich kenne, sondern gezielt an diese eine Person und in Verbindung mit ein paar privaten und nur für sie bestimmten Worten.
Beruflich muss ich auf Facebook teilen, liken und zeigen. Es gehört dazu, wenn man die nötige Aufmerksamkeit und quantitative Online-Präsenz erhalten will, heißt es.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass ich meine Fanpage nicht ebenso kritisch betrachte und nicht immer öfter überlege, ob ich sie noch unterhalten will.
Wende ich die Theorie einer Unternehmensseite auf meine eigene Situation an, sind Zweifel erlaubt.
Die Hauptziele einer Unternehmenspräsenz auf Facebook sind Kommunikation und Netzwerken, also Beziehungsaufbau und -pflege. Dies soll durch den direkten Kontakt, durch die Veröffentlichung informativer Inhalte, die geteilt werden sollen, und durch Liken, Kommentieren und Teilnahme an Gruppen erfolgen. Betrachte ich diese Punkte der Reihe nach, ergibt sich ein ernüchterndes Bild.
Keiner meiner Kunden ist auf Facebook vertreten. Dass sie also meine Fanpage als Gästebuch nutzen, um dort meine Leistung zu loben oder sich zu bedanken, und dadurch ihre eigenen Follower auf mich aufmerksam werden, ist ausgeschlossen.
Für die Gewinnung von Neukunden ist mir Facebook offenbar auch keine große Hilfe. Ich führe und aktualisiere regelmäßig offline eine Liste von Wunschkunden: Es sind Unternehmen, die ich zufällig online entdecke und die ich gerne ansprechen würde, was mir dank der deutschen Gesetzesvorgaben nicht erlaubt ist. Facebook wäre ein idealer Ort, um über wiederholtes Kommentieren und Teilen eine Beziehung aufzubauen, die mir ermöglichen würde, eines Tages einen direkten Kontakt herzustellen, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen. Bedauerlicherweise ist bislang keines dieser für mich reizvollen Unternehmen auf Facebook (und auch nicht auf Google+). Twitter ist hier sinnvoller.
Die Strategie, sich mit seinesgleichen zu verbinden, geht ebenfalls nicht auf – das ist der Nachteil, wenn man einen Ansatz wählt, den es in dieser Form auf dem Markt nicht gibt. Entsprechende Bemühungen auf Xing hatten seinerzeit ebenso enttäuschend geendet.
Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass das TextLoft ein Ort des Textes ist. Aufmerksamkeit bei der breiten Masse erreichen auf Facebook aber vor allem Bildchen und Videos. Ein paar harmlose Aufnahmen von Briefumschlägen, die zu Mailingzwecken verschickt werden sollen, interessieren niemanden.
Berufliche Vernetzung über den privaten Bekanntenkreis bei Facebook ist ebenfalls eine Vorstellung, die auf meine Situation nicht zutrifft: Gerade mal vier Personen in meinem privaten Bekannten- und Freundeskreis sind auf Facebook vertreten, zwei davon leben im Ausland und haben schon deshalb mit deutschsprachigen Unternehmen keine Berührungspunkte. Die Wahrheit, die die Anhänger des Social Media-Marketings bar jeder Logik gern zu erwähnen vergessen, ist, dass niemand, der im echten Leben keine Beziehungen hat, aus heiterem Himmel welche auf Facebook knüpfen wird – es sei denn, er ist nicht sehr wählerisch, und es ist ihm egal, mit wem er sich dort verbindet.
Eine weitere Seite einer erfolgreichen Facebook-Strategie ist die Teilnahme an sogenannten „Gruppen“, heißt es – eine Art Foren, in denen sich Menschen zu einem bestimmten Themengebiet unterhalten. Dort soll es möglich sein, Verbindungen zu seinen Zielgruppen herzustellen. Dieses Experiment habe ich in den letzten Tagen gemacht. Ich habe zu allen Stichworten, die meinem Themenportfolio entsprechen, nach Gruppen gesucht, denen ich beitreten könnte. Für viele meiner Arbeitsfelder gab es überhaupt keine Gruppen. Die Zielgruppe „Grafikdesign“, die mir sehr wichtig ist, unterhält sich in allen Gruppen ausschließlich in englischer Sprache, was nicht hilfreich ist, um deutschsprachige Texte zu bewerben. Die deutschsprachigen Gruppen, die ich zu passenden Themen fand, waren wiederum von so erschütternder Niveaulosigkeit, dass ich schockiert und mit buchstäblich offenem Mund vor dem Bildschirm saß. Das ist kein Umgang, den ich pflegen würde.
Die Bilanz aus der privaten und beruflichen Erfahrung zeigt mir eindeutig, dass Facebook mir schlichtweg nichts bringt. Dies führt zu der Frage, die mich schon seit geraumer Zeit beschäftigt, ob ich meine Fanpage überhaupt weiterhin behalten soll oder nicht.
Sie frustriert mich nicht nur in ihrer Ergebnislosigkeit: Ich pflege sie lediglich, weil „man“ heute als Künstler/Einzelkämpfer/Kleinstunternehmer so etwas haben „muss“, um sich nicht selbst vorwerfen oder vorwerfen lassen zu müssen, man tue nicht alles, was möglich ist, um Aufträge zu generieren. Weil ich mit TextLoft schon in vielen Dingen einen sehr eigenen, unkonventionellen und unbequemen Weg gehe und mich nicht noch mehr zum zeitgeistfremden Sonderling stilisieren will, als der ich schon gelte. Weil mir alle einreden, dass es unumgänglich ist, mit den Wölfen zu heulen, wenn sich Erfolg einstellen soll, und dass Selbsttreue nur verantwortungslos, pubertär und kaufmännisch dumm ist.
Und doch bin ich selbst von diesen Argumenten nicht überzeugt, und sie widersprechen auch einer anderen, sehr wohl zeitgemäßen Marketingaussage: Wenn Authentizität – also das wahrhaftige Leben und Vorleben von Leidenschaften und Überzeugungen, ein konsequentes, stimmiges Image, das die verfolgten Ziele und Prinzipien aufrichtig widerspiegelt – heute wirklich irgendeinen Wert hat und Teil der USP sein darf und soll, dann könnte ich ruhigen Gewissens und mit Erleichterung diese Fanpage schließen, die nichts als eine lästige und nutzlose Visitenkarte ist. Ob ich es will oder nicht, ob es mir gefällt oder nicht, ob ich es mir selbst vorwerfe oder nicht, ob ich dagegen ankämpfe oder nicht, ob ich versuche, mich zu bessern, oder nicht: Ich habe eben doch in vielen Dingen die Mentalität eines Künstlers, und auch wenn man es mir nicht unbedingt ansieht und ich es ungern zugebe, gehören Eigensinn, eine gewisse Form von Exzentrizität und von Snobismus durchaus dazu.
Mich von Facebook gänzlich zu verabschieden, würde ein Gewinn an Zeit, Effizienz und Konsequenz bedeuten. Es würde sich befreiend und ehrlich anfühlen. Noch tue ich es nicht. Noch bin ich mir nicht sicher, ob ich mich trauen soll. Die Frage schwebt im Raum. Gerne höre ich Meinungen dazu.