04/12/15

Ausgleich und Regeneration

Schon einige Male habe ich hier im Blog erwähnt, wie intensivere Arbeitsphasen, insbesondere im Falle von komplexeren Blockaufträgen, den Alltag verändern, ja ganz und gar abschalten, und Körper und Geist auf eine harte Probe stellen können.

Geht eine solche Zeit zu Ende, ist dementsprechend Regeneration nötig. Es gibt viele Wege, wieder zu Kräften zu kommen. Manche finden im Sport, im Faulenzen oder schlicht in einem Kurzurlaub den nötigen Ausgleich, andere bevorzugen Haushalts- und Gartenarbeiten oder die Pflege eines bestimmten Hobbys. Ausschlafen, gesunde Ernährung und viele Stunden an der frischen Luft sind natürlich wünschenswert.
Doch der Idealfall ist nicht immer zu verwirklichen – sei es, dass die freie Zeit bis zum nächsten Auftrag sehr begrenzt ist, dass das Wetter nicht mitspielt oder das Bankkonto sich vehement und unversöhnlich gegen den Traum eines Tapetenwechsels ausspricht.
Freie und erst recht schreibende Freie wissen nur zu gut, dass Aufträge keinem idealen theoretischen Zeitplan folgen und Selbstbestimmung bis zu einem gewissen Grad als illusorisch betrachtet werden muss. Jeder muss deshalb Strategien entwickeln, die ihm die bestmögliche Erholung mit den einfachsten Mitteln bieten.

Wenn ich Hunderte von Stunden unaufhörlich und mit der mir höchstmöglichen Geschwindigkeit tippend vor dem Laptopbildschirm verbracht habe, gibt es viele Dinge, nach denen ich mich sehne. Es sind hauptsächlich einfache Freuden: Zeit, meinen Töpfchengarten zu pflegen, einem Rotkehlchen beim Baden zuzuschauen, das Spiel eines Sonnenstrahls in den Zweigen eines erblühenden Baumes zu beobachten, am Abend ein gutes Buch zu lesen, gehört zu diesen harmlosen Wünschen. Doch so anspruchslos sie klingen mögen, auch sie sind nicht immer zu erfüllen.

Die körperliche und geistige Regeneration aber beginnt mit einem schlichten Schritt: analoges Schreiben.
Das Notizbuch, der Kugelschreiber und der Bleistift in meiner Hand bringen Ruhe in meine Gedanken, entspannen den Körper. Die Freiheit, mich vom unbestritten nützlichen und effizienten, jedoch ungeliebten Computer fernzuhalten und der sinnlichen, genussvollen Art des Schreibens hingeben zu dürfen, schenkt mir den intimen Rückzug, der wirkliche Erholung bedeutet. Neudeutsch heißt das: „Entschleunigen“. Tatsächlich fühlt es sich wie Urlaub an. Mit der Hand zu schreiben, ist schlichtweg „das Gegenteil von Arbeit“, und selbst wenn ich dabei einen Blogartikel entwerfe, nehme ich vor allem die Leichtigkeit des Privaten wahr.

Altmodisches Papier, Stift und Handschrift sind für mich Werkzeug und Ausdruck des Selbstbestimmten. Und nichts tut einem so gut, wie die Möglichkeit, zu tun und zu lassen, was man möchte. Ist es nicht gerade die Definition von Urlaub?

02/16/15

Der ärgerlichste Satz der Welt

Neun kleine Silben, die mit schöner Regelmäßigkeit fröhlich und arglos in die Runde geworfen werden. Es klingt harmlos. Aber für mich bilden sie den ärgerlichsten Satz der Welt: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.”

Ärgerlich ist dieses Geflügelte Wort für mich nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, weil Unternehmen sich bei knappem Budget im Zweifelsfall für das Bild und gegen den Text entscheiden.
Was mich daran regelrecht wütend macht, ist, dass dieser Satz zutiefst falsch, zutiefst dumm und infolgedessen zutiefst gefährlich ist.

Wenn es wirklich so wäre, dass ein Bild mehr sagt als tausend Worte, würden wir uns noch immer ausschließlich Stummfilme anschauen. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass Texte, namentlich Dialoge, nicht nur überflüssiges Beiwerk sind, sondern Drehbuch und Bilder gleichermaßen wichtig und für ein gelungenes Ergebnis unentbehrlich sind. Ohne intelligente Texte gibt es keine intelligente Darstellung und nur sehr rudimentäre Geschichten, die über Klamauk nicht hinausgehen. Selbst einfachste Formen der Erzählung wie Comics und Cartoons nutzen Bild UND Text. Kunstkataloge und Abermillionen Seiten kunstgeschichtlicher Analysen von Gemälden, Skulpturen und Installationen zeugen davon, dass Bilder durchaus Text brauchen, um in all ihren Facetten verstanden und genossen zu werden. Bildende Künstler, die es ja wissen müssen, veröffentlichen auf ihren Internetseiten – mitunter sehr wortreich – ihre Statements und beweisen hinlänglich, dass sie sehr wohl um die Notwendigkeit und den Wert einer textlichen Vorstellung ihrer Werke wissen. Bilder brauchen Worte, sie ersetzen sie nicht.

Dieser Satz ist auch deswegen entsetzlich dumm, weil er zeigt, dass hier zwischen Information, Mitteilung und Kommunikation nicht unterschieden wird.
Für die einfache Kennzeichnung eines Gegenstands mag in einigen Fällen ein Bild, im konkreten Fall ein Piktogramm genügen: „Da ist eine Toilette”, „dort ist ein Notausgang”, „in 1000 m Essensmöglichkeit”. Für eine wirkliche Information, eine Mitteilung oder differenzierte Kommunikation – insbesondere Unternehmenskommunikation –, aber auch jede Form zwischenmenschlicher Interaktion, die über das bloße Zeigen auf etwas hinausgeht, die also im eigentlichen oder erweiterten Sinne einen Dialog darstellt, ist das zu wenig. Der Satz, ein Bild sage mehr als tausend Worte impliziert in diesem Kontext nichts anderes, als dass wir wirkliche Kommunikation nicht mehr brauchen und nicht mehr wollen, dass wir uns mit einem ausgestreckten Mittelfinger begnügen wollen und uns ein Streit nicht mehr als Inhalt und Austausch interessiert, dass wir hiermit also unsere spezifische Eigenschaft als Mensch mutwillig aufgeben und uns freiwillig auf die Entwicklungsstufe putziger haariger Primaten zurückbegeben.
Wenn ein Bild mehr sagen würde als tausend Worte, hätte der Mensch niemals den Drang verspürt, eine Sprache in Form von Graphemen und Lexemen zu entwickeln. Er würde weiterhin grunzend auf Dinge zeigen und sich mit Zeichnungen an Höhlenwänden verewigen. Der Glaube, dieser dumme Satz hätte tatsächlich irgendeine Form von Berechtigung, zeugt also in erster Linie von primitivem und kulturfernem Denken.

In Kategorien von Unternehmenskommunikation und Produktvorstellungen bedeutet der Verzicht auf Text, dass der Kunde mit einem Bruchteil dessen, was ihm bei der Kaufentscheidung helfen sollte, auskommen muss und wie ein süßes Äffchen mit begrenztem Verstand und Gefühlsleben behandelt wird – eine in Zeiten, in denen Angebote sich immer weniger objektiv voneinander unterscheiden, gefährliche Strategie.

Ein Bild ersetzt keinen Text. Idealerweise unterstützt es einen Text. Es kann ihn schmücken, unterstreichen, sogar einleiten. Tausend Worte aber können es erweitern, präzisieren, erklären, vertiefen. Ein Bild kann ein Rahmen sein, ein Detail festhalten, einen Augenblick einfrieren. Ein Text kann Zwischentöne modellieren, die Zeit strecken, raffen und verwischen. Ein Bild kann einen wichtigen Aspekt einer Sache verdeutlichen. Ein Text kann alle Facetten eines Bildes aufdecken.
Ist ein Text ein eingerichteter Raum, so ist das Bild mit einem Blumenstrauß zu vergleichen. Es ist die letzte Kleinigkeit, die die Dinge schöner macht. Es ist nicht die ganze Einrichtung.

Ein Bild sagt nicht mehr als tausend Worte. Ein Wort kann tausend Bilder erschaffen.

02/1/15

Mythos Schreibblockade

In diesem Blog bin ich schon einige Male auf – nicht selten durchaus belustigende – Fragen eingegangen, die mir als Schreibender besonders oft gestellt wurden. Eines der beliebtesten Themen ist dabei die Schreibblockade.

Tatsächlich stehe ich diesem Begriff skeptisch gegenüber. Auch wenn viele und sogar berühmte Autoren sich einer bedient haben und bedienen, bin ich mir keineswegs sicher, ob es dieses Phänomen überhaupt gibt oder ob es nicht vielmehr eine überlieferte Legende ist, die Mitglieder der schreibenden Zunft nur zu gern anführen, weil sie als nun mal allgemein anerkanntes Allzweck- und Sammelwort schlicht eine ehrlichere Erklärung erspart.

Der Begriff „Schreibblockade” vermittelt das griffige Bild eines mechanischen Problems. Die Vorstellung geht dahin, dass etwas, das sich normalerweise bewegen sollte, es ganz einfach nicht tut und festsitzt.
Aus meiner Sicht ist diese Darstellung als Konstrukt wenig hilfreich. Ich finde, dass sie im Gegenteil von einer tiefen Unkenntnis dessen zeugt, was Schreiben eigentlich ist, und auf unerfreuliche Weise dazu beiträgt, das Missverständnis zu verankern.

Betrachtet man näher, was gemeinhin mit einer Schreibblockade beschrieben werden soll, so muss man feststellen, dass es sich dabei um sehr unterschiedliche Realitäten handeln kann, die wenig miteinander zu tun haben und die Tätigkeit des Schreibens an sich auch nur am Rande berühren.

1. Möglichkeit: Man hat etwas zu sagen, aber man weiß nicht, wie man es am besten tun soll.
2. Möglichkeit: Man findet zu einem Text keinen vernünftigen Einstieg, man weiß nicht, wie und womit man beginnen kann.
Das ist keine Ladehemmung, wie das trügerische Wort „Blockade” uns glauben lassen möchte, das ist entweder eine Schwierigkeit in der Beherrschung und Sortierung des Ideenflusses oder semantische Unbeholfenheit – mit anderen Worten: in beiden Fällen mangelnde Beherrschung des Handwerks.

3. Möglichkeit: Man findet nicht die richtigen Worte.
Da kann zwei Ursachen haben: entweder ebenfalls handwerkliche Unzulänglichkeiten oder mangelnde Geduld und ein Verkennen dessen, was Schreiben ist.
Schreiben ist ein Entstehungsprozess. Prozesse brauchen nun mal ihre Zeit. Sich darüber zu beklagen oder darin ein Problem zu sehen, ist in etwa so sinnvoll, als würde sich ein Bäcker in einer Krise wähnen, weil er warten muss, bis die Hefe aufgegangen ist, um sein Brot zu backen.

4. Möglichkeit: Man weiß nicht, was man schreiben könnte.
Wer nichts zu sagen hat, ist nicht blockiert, er hat nichts zu sagen und sollte sich damit abfinden, dass kein Text in ihm ist.

5. Möglichkeit: Man glaubt nicht mehr an das eigene Können, an die eigenen Ideen – oder an den Sinn des Schreibens überhaupt.
Diese Art der „Schreibblockade” betrifft ausschließlich Schriftsteller und hat mit dem Schreiben selbst im Grunde nichts zu tun. Sie kann das Ergebnis intellektueller Demut sein oder aber mit einer allgemeineren Sinn-, Glaubens- und Lebenskrise zusammenhängen. Sie ist ein psychologisches Problem, das meist nur dadurch aufgelöst wird, dass in der Tat die schriftstellerische Tätigkeit ganz eingestellt wird.

6. Möglichkeit: Der Wille zu schreiben ist da, aber man kann sich nicht aufraffen.
Zwei Ursachen können dazu führen: mangelnde Selbstdisziplin (in diesem Fall würde derjenige wahrscheinlich bei jeder Tätigkeit die Arbeit von sich schieben) oder einfach Erschöpfung.
Schreiben ist anstrengend. Es erfordert ein fast unbeschreibliches Maß an Konzentration. Dementsprechend erschöpft sich der Geist schneller als bei anderen kreativen Berufen. Kommen noch kleinere oder sogar größere, z. B. chronische gesundheitliche Probleme hinzu, muss sehr mit den Kräften hausgehalten werden. An manchen Tagen ist überhaupt kein Arbeiten möglich, weil der Körper es schlicht nicht mehr zulässt. Dieses Syndrom ist zwar bei Schreibenden besonders ausgeprägt und sozusagen berufstypisch, aber das Wort „Blockade” ist ganz und gar nicht geeignet, um es zu beschreiben: Hier ist nichts verkeilt, verkantet und unbeweglich, es fehlt lediglich Kraftstoff/Energie, um den Motor starten zu können, und es hilft im wörtlichsten Sinne des Wortes nur eins: Auftanken.

Ich finde den Begriff „Schreibblockade” daher irreführend, kontraproduktiv und ein wenig verlogen. Selbst in seine Facetten zerlegt hat mich das Phänomen übrigens nie betroffen: Ich habe genug Handwerk, um zu jeder Tages- und Nachtzeit aus dem Stand schreiben zu können; genug Geduld, um auf das richtige Wort in mir zu horchen, wenn es denn sein muss; genug Selbstdisziplin, um mich stets zum Arbeiten zu zwingen; genug Erfahrung, um den Verbrauch meiner Kräfte zu steuern. Und da ich nicht aus Überzeugung und Selbstwertgefühl schreibe, das eigene Schreiben und mich selbst nicht für wichtig halte und mir nie eingebildet habe, ich hätte etwas zu sagen, bleibt mir eine Sinnkrise erspart.
Für mich ist das Thema „Schreibblockade” in die Kategorie Yeti und Monster von Loch Ness anzusiedeln: Jeder redet darüber, aber keiner hat sie je gesehen.

01/13/15

Vom Malen und Schreiben

Die enge Verwandtschaft zwischen Schreiben und Malen thematisiere ich gleichermaßen auf TextLoft und auf meiner Künstlerseite und ich spreche sie auch in vielen Blogartikeln immer wieder ausführlich an.
Dieser unmittelbare Vergleich ist ein wichtiger, vielleicht der wichtigste Bestandteil meines Selbstverständnisses. Er ist mein künstlerisches Statement, mein Programm, mein Glaubensbekenntnis und somit ein Leitmotiv meiner Selbstvorstellung.
Doch wie vielschichtig die Ähnlichkeit der Prozesse in beiden Medien tatsächlich ist, wird auch mir manchmal erst auf Umwegen und fast überraschend bewusst.

In letzter Zeit ist mir bei dem Entwurf einiger Artikel für das Musterbücher-Blog aufgefallen, dass die Farbe Braun zur Zeit quantitativ einen erheblichen Platz in meinen Artikeln einnimmt.
Bedenkt man, wie Schreiben entsteht, ist es allerdings nicht verwunderlich.

Künstlerische Arbeit bedeutet in erster Linie eine über längere Zeit ungewöhnlich intensive Auseinandersetzung – sei es mit einem Motiv, sei es mit einem technischen schöpferischen Mittel.
Bei bildenden Künstlern impliziert dies eine zuweilen anstrengende, nicht selten quälende bis selbstzerstörerische Erforschung. Cézanne malte unentwegt denselben Berg, Giacometti verzweifelte an der Darstellung des menschlichen Kopfes, Picasso hatte seine Blaue Periode.
Werkzyklen sind in den meisten Fällen nicht geplant. Sie ergeben sich auf sehr spontane und natürliche Weise aus der unauslöschlichen Neugier, dem Durst nach Perfektion, dem kindlichen Heißhunger nach Details, dem innigen Bedürfnis, zu begreifen, zu erfassen, zu entschlüsseln und zu zeigen. Ist das Interesse einmal geweckt, verändert sich die Sicht aller Dinge und wird themenzentriert, d.h. immer einseitiger und immer vielseitiger zugleich. Facetten gewinnen an Selbständigkeit, es beginnt eine Sucht nach der Suche und eine Suche nach der Sucht. Wie in einem Wahn meint der Künstler, das Thema überall zu finden und zu entdecken. Diese obsessive Verzerrung des Blicks und der Wirklichkeit schenkt ihm im Gegenzug eine enthüllende Schärfe und Weitsicht. Es ist der Weg des Verstehens und der Erkenntnis über die dornigen Pfade der Leidenschaft.

Wenn also die Farbe Braun in diesen Wochen häufiger in meinem Kopf ist, dann zeigt dies vor allem, wie nah Schreiben und Malen einander doch sind, und wie sehr das theoretische Prinzip, das als mein Credo und meine Triebkraft bezeichnet werden kann, manchmal ganz unbewusst gelebt werden kann.
Es ist für mich ein besonders schöner Gedanke, der mich mit den Gleichgesinnten verbindet, die sich wie ich bemühen, festzuhalten und darzustellen, der meiner Arbeit also Sinn und Halt gibt.

12/23/14

Wie ein Arzt ohne Fernseher

In diesem Blog bin ich schon des öfteren auf die Vorurteile und irrigen Vorstellung eingegangen, die viele Menschen mit dem Beruf des Schreibens verbinden. Gleich zwei dieser belustigenden Fehlschlüsse durfte ich in den letzten Wochen erleben – beide nicht zum ersten Mal.

Schreiben zu „können”, ist eine Fähigkeit, die ein breites Spektrum an Einfallsreichtum zu beflügeln scheint.
Einerseits umweht den Schreibenden der Hauch des Allwissenden und Allmächtigen, andererseits ist sein (ja „naturgegebenes”) Können ein gutes Argument, um seine Leistung kostenlos in Anspruch zu nehmen. Seine Situation ist dahingehend mit derjenigen eines Arztes vergleichbar, der auf der Straße, im Supermarkt, im Theater oder auf dem Golfplatz gebeten wird, sozusagen zwischen Tür und Angel Wehwehchen zu kurieren, Symptome zu beurteilen oder sogar Ferndiagnosen zu stellen. Ungeachtet der Themenschwerpunkte wird davon ausgegangen, dass es jemandem, der von Berufs wegen schreibt, nicht schwerfallen kann, alles zu retten, was irgendwie textlicher Art ist, und er „mal eben” ohne Weiteres eine Diplomarbeit im Fachbereich Physik oder Rechtswissenschaften zu begutachten, zu lektorieren und idealerweise auf mögliche Plagiatvorwürfe zu prüfen vermag. Schließlich sind Wörter Wörter, und wer damit umgehen kann, so die vorherrschende Meinung, wird das nebenbei auf die Schnelle erledigen können – natürlich kostenlos, denn wenn man Texte liebt, ist es bekanntlich keine Arbeit.
Einen dieser verblüffenden Momente erlebte ich neulich bei einer Bekannten neueren Datums, die die Antwort auf ihre Frage nach meinem Beruf mit der Bemerkung quittierte, es sei schade, dass wir uns nicht ein paar Jahre zuvor kennen gelernt hätten, ich hätte ihr dann bei ihrer Doktorarbeit helfen können. Pikant wird die Anekdote erst, wenn man weiß, dass die junge Dame im Fach Medizin promoviert hat.

Mit einem weiteren und ebenfalls beliebten Vorurteil beglückte mich kurz darauf eine ältere Dame, die spontan, nachdem sie erfahren hatte, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, als erstes anmerkte: „Ach, dann haben Sie ja gar keinen Fernseher!” Auch dieses Bild scheint in den Köpfen fest verankert zu sein. Menschen des Textes und infolgedessen des Buches können sich unmöglich für triviale Dinge interessieren. Sie beziehen ihre Informationen ausschließlich aus den renommiertesten Zeitungen – oder aber sie nehmen von der bodenständigen Wirklichkeit um sich herum keinerlei Kenntnis – so das Klischee. Im Falle dieser konkreten Geschichte habe ich auf eine ausführliche Aufklärung verzichtet, obwohl die Bemerkung mich sehr schmunzeln ließ. Die Dame wäre sicherlich sehr verunsichert gewesen, wenn ich ihr eröffnet hätte, dass ich nicht nur einen Fernseher besitze, sondern bei weitem nicht nur Kultursendungen schaue, dass das Fernsehen für Schreibende sogar ein wichtiges Arbeitsinstrument sein kann, und dass ich oft vor dem Fernseher schreibe.

Amüsant und kennzeichnend ist die Tatsache, dass sich beide Vorstellungen nicht widersprechen, sondern vielmehr ergänzen: Überschätzung und völlig unrealistische Verherrlichung bedingen geradezu die Erwartung einer ständigen und kostenlosen Einsatzbereitschaft – wie eben bei den „Göttern in Weiß”.

12/16/14

Gute Partner

Eine Bekannte fragte mich vor kurzem, warum ich gezielt Kooperationen mit Grafikdesignern suche.
Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Ganz allgemein ausgedrückt ist es natürlich immer angenehm, mit Menschen zusammenzuarbeiten, mit denen ein grundsätzliches gegenseitiges Verständnis vorhanden ist.
Grafiker, Typographen, Setzer und Webgestalter leben in ihrer Arbeit den gleichen Ansatz wie ich: die Umsetzung eines ästhetischen Konzepts. Ihr Ziel ist es – wie meins auch –, eine Verbindung zwischen den Bedürfnissen und Wünschen ihres Auftraggebers und ihren eigenen Vorstellungen dessen, was sie als geschmackvoll und angemessen empfinden, zu schaffen. Sie sind wie ich Mittler zwischen Idee, Material und Kunden.

Designer sind sich außerdem in besonderem Maße dessen bewusst, dass zwischen einem Text und seinem Erscheinungsbild oder Vorstellungsrahmen eine enge und geeignete Beziehung vorhanden sein muss, damit ein Projekt als Ganzes gelungen, sinnig und erfolgbringend ist. Sie wissen, dass zwischen Text und Layout eine gegenseitige Abhängigkeit besteht und beide nur dann ihre jeweilige volle Wirkung entfalten können, wenn sie miteinander harmonieren. Es ist nur verständlich: Ein edles Juwel in einer Vitrine kann verzaubern und faszinieren. Eine schöne Frau ist ihrerseits ebenso ein beglückender Anblick. Bringt man beide zusammen, unterstreicht das Schmuckstück die Schönheit der Frau, und die Schönheit der Frau hebt erst die Kostbarkeit des Schmuckstücks hervor. Dies ist in etwa die Beziehung, die Text und Layout im Idealfall eingehen: Durch ihre gemeinsame Inszenierung erfahren sie eine gegenseitige Aufwertung. Und genau wie das falsche Kleid auch ein Supermodel zur Witzfigur auf dem Roten Teppich werden lassen kann, kann das falsche Layout die Wirkung eines guten Textes fast zunichtemachen.
Grafiker wissen das, und so ist der Dialog mit ihnen immer fruchtbar und konstruktiv.

Ein weiterer angenehmer Aspekt einer solchen Zusammenarbeit ist der Zeitfaktor. Designer sind ebenfalls Freie, die also auch kaufmännisch „dieselbe Sprache” sprechen und die üblichen Praktiken und Vertragsbedingungen von Kreativen kennen. Es ist nicht erforderlich, sie langatmig und mühselig über Begriffe wie „Nutzungsrecht” oder „Meilensteinzahlungen” aufzuklären, sie nutzen sie auch für ihre eigenen Aufträge. Es spart Zeit und Nerven.

Mit Gestaltern zusammenzuarbeiten, bedeutet für Schreibende zum einen einen Austausch zwischen eng verwandten Welten, zum anderen die Sicherheit, dass Professionalität und zielgerichtetes Handeln eine entspannte und sinnschaffende Projektabwicklung ermöglichen werden – eine ideale Situation.

12/14/14

Mein Giftschrank

Ein kleiner Balkontisch, der nach einer hartnäckigen Abfolge nicht eintretender Sommer seinen Sinn eingebüßt hatte, wurde im Laufe der Jahre immer mehr zu einer Hilfsablage umfunktioniert, die heute einen festen Platz neben meinem Schreibtisch hat. Zwei Karteikästen mit Blogplänen und Kundenkartei sowie verschiedene, täglich benötigte Hefte und Notizbücher sind so in Reichweite, ohne die ohnehin immer zu knappe Arbeitsfläche einzuengen.

Fast unscheinbar in der unteren rechten Ecke des Tischchens liegt ein schwarzer Notizblock. Dass die Farbe des Einbands so ideal zu Inhalt und Zweck passt, ist zugegebenermaßen reiner Zufall, entbehrt jedoch nicht eines gewissen Humors. Dieses Büchlein ist nämlich mein Giftschrank.
Bevor Missverständnisse entsehen: Es sind darin keinerlei Mordpläne oder -methoden verzeichnet. Tatsächlich enthält es eine Vielzahl von Blogartikeln, Kolumnenentwürfen, Buchideen und Aphorismen. Mittlerweile ist der „Giftschrank” gut gefüllt und würde genug Material für mehrere Blogs bieten. Aber vermutlich wird niemand diese Texte je zu lesen bekommen.

Es ist nicht so, dass ich zu schüchtern wäre, sie preiszugeben, oder dass sie mir peinlich wären. Sie sind absolut jugendfrei und weder persönlicher noch politischer Natur. Sie befassen sich vorwiegend mit Themen des Zeitgeistes, des Alltags in der analogen und digitalen Welt, mit der Beobachtung bestimmter Verhaltensmuster des unkritischen Denkens und mit ihren folgenschweren gesellschaftlichen und geistesgeschichtlichen Auswirkungen.
Es klingt harmlos und unverfänglich, und dennoch wäre es ein rechtlich unkalkulierbares Risiko, sie zu veröffentlichen – denn sie könnten gegen eine ganze Reihe deutscher Gesetze verstoßen, die die (so die offizielle Terminologie) „Schranken” der Freien Meinungsäußerung regulieren.

Mein Giftschrank ist ein Ventil, aber durch den selbstverhängten Maulkorb fungiert es nur bedingt als solches. An schlechten Tagen ist der geheime Schatz mehr Last und Frust denn Befreiung.
An diesen Tagen verschließe ich den Notizblock wieder … und träume von New York.

12/7/14

Home Office & Nachbarschaft

Während der Begriff des „Home Office” mittlerweile in aller Munde ist, ist die Arbeit in den eigenen vier Wänden paradoxerweise noch immer alles andere als selbstverständlich und wird nach wie vor als Kuriosum betrachtet – nicht zuletzt von Nachbarn.

Bei der älteren Generation sind Argwohn und Verdacht die ersten üblichen Reaktionen. Wer den ganzen Tag zu Hause ist, kann kein anständiger Mensch sein. Das Missverständnis kann allerdings und meist dank unverhohlener bis bohrender Neugier im allgemeinen schnell aufgeklärt werden, und gerade dann erweisen sich die Klischees, die sich um den Beruf des Schreibens ranken, als ungeheuer hilfreich. Als „Wortvirtuose”, der in der Tat in der Lage ist, mit dieser schweren Kunst seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, genießt man von da an sogar ein gewisses Maß an Anerkennung, was ein wenig zum Schmunzeln verführt.
Jüngere Menschen kennen solche Vorurteile zwar nicht mehr, aber auch für sie ist die Situation offenbar nicht alltäglich und sie wird unterschiedlich bewertet. Die Palette erstreckt sich von Neid – Geld verdienen zu können, ohne bei Regen und Schnee das Haus verlassen zu müssen, erscheint als äußerst erstrebenswert – bis Mitleid – ein Leben ohne den täglichen Umgang mit den Kollegen an der Kaffeemaschine können sich viele überhaupt nicht vorstellen.

Unabhängig von der Akzeptanz oder Rezeption dieser für die meisten noch immer ungewöhnlichen Arbeitsbedingungen ist das Home Office in Wirklichkeit eine sehr fruchtbare Grundlage für angenehme und interessante nachbarschaftliche Beziehungen.
In unserem Haus, in dem die Mieter sehr häufig wechseln, haben wir schon eine Reihe spannender Bekanntschaften machen dürfen – darunter eine sympathische und entwaffnend chaotische junge Familie, eine alleinstehende Dame mit Hang zur öffentlichen Darstellung ihres Sexuallebens, verirrte Nordlichter, heimwehgeplagte Schwaben, trinkfreudige Studenten und viele Pärchen aller Art … Mit einigen ehemaligen Nachbarn pflegen wir heute noch, lange nach ihrem Auszug, Kontakt.

Tatsächlich wird unser Home Office von unseren Nachbarn als Glücksfall betrachtet, und sie genießen es offenkundig: Kein Paket muss an den Absender zurückgeschickt oder vom Postamt abgeholt werden; während der Urlaubszeit ist jemand da, der den Briefkasten regelmäßig leert, die Blumen gießt oder die Katzen füttert; niemand muss an einem Arbeitstag zu Hause bleiben, weil Handwerker oder Schornsteinfeger ihren Besuch angekündigt haben.
So haben wir unsererseits die abwegigsten Geschichten erlebt: Wir wurden einmal vom Flugzeug aus angerufen und gebeten, eine vergessene Kaffeemaschine auszuschalten; ein anderes Mal mussten wir Briefe mit langersehnten Prüfungsergebnissen öffnen und am Telefon vorlesen.

Auch wenn es nicht immer einfach ist, so unfreiwillig in das Privatleben Anderer eindringen zu müssen, so hat dieses besondere nachbarschaftliche Verhältnis einen sehr schönen Aspekt. Ob wir eine ungeduldig erwartete Bestellung, ein bunt dekoriertes Überraschungspäckchen, einen abgegebenen Blumenstrauß überreichen oder einen für einen Tag hinterlegten Schlüssel zurückgeben – wir bekommen jedes Mal, wenn wir die Tür öffnen, das Geschenk eines aufrichtigen Lächelns. Manchmal – so gestern am Nikolaustag – ist auch ein süßes Dankeschön dabei.

09/7/14

Der Kreative und das Pflichtbewusstsein

Zu meinen ausgeprägten Charaktereigenschaften gehört ein außergewöhnliches Maß an Selbstdisziplin und ein sehr hartnäckiges Pflichtbewusstsein. Während ich Erstere als meine wichtigste Waffe empfinde und dankbar dafür bin, dass sie mir in sehr schweren und dunklen Zeiten immer geholfen hat, trotz gesundheitlicher Behinderung unbeirrt meinen Weg zu gehen, ist Zweiteres eher kontraproduktiv. Zugegeben: Ich hatte nie Probleme, einen Abgabetermin einzuhalten und bin meistens reichlich zu früh mit einem Auftrag fertig, aber von dieser praktischen Seite mal abgesehen, muss ich in dieser Hinsicht jeden Tag aufs Neue lernen, gegen meine eigene Natur zu kämpfen. Schließlich gibt es für Selbständige immer etwas zu tun. Sind Aufträge und Buchhaltung erledigt, geht die Suche nach neuen Auftraggebern weiter. Ich bin zwar alles andere als ein Workaholic, aber solange mir mein Kontostand keine absolute Sicherheit für mindestens ein Jahr signalisiert, plagt mich das schlechte Gewissen, wenn ich auch nur daran denke, mir ein paar Stunden freizunehmen. Rekreative und regenerierende Tätigkeiten wie Malen, Lesen oder Sozialleben bleiben auf der Strecke, und ich kann mich auch nicht mit der Ausrede überlisten, sie würden der weiteren Arbeitsfähigkeit dienen. Das schlechte Gewissen ist lauter als die Vernunft.
Es war in früheren Zeiten anders  – nicht zuletzt, weil mir sogar Kunden vor Augen führten, dass ich zu viel arbeite, und es nicht normal sei, dass ich Tag und Nacht am Schreibtisch zu erreichen sei. Damals war es auch kein Problem, einen Arzt- oder Frisörtermin oder einen Einkaufsbummel mitten am Nachmittag einzurichten. Diese Zeiten sind vorbei. Begünstigt durch technische Mittel, deren Nutzen längst das richtig Maß verloren hat, hat sich Leistungsethik immer stärker in unsere Gesellschaft eingeschlichen. Dieselben Kunden, die mich einst regelrecht dazu aufforderten, frische Luft schnappen zu gehen, sind heute ungehalten, wenn ihre eMail wegen eines kleinen Abstechers über die Toilette nicht klickwendend beantwortet wird. Die schlechte Presse, der Freie und Künstler immer mehr und immer aggressiver ausgesetzt werden, tut ihr Übriges. Ist man „von Haus aus“ ohnehin für eine strenge Arbeitsmoral anfällig, wird es heikel. Das Gefühl, immer zu wenig zu tun, wird zum Dauerzustand.
Für Trost und gute Laune sorgte ganz unverhofft ein zufällig entdecktes Interview mit dem Comiczeichner Giorgio Cavazzano, der auf die Frage nach seinem Tagesablauf ausführlich erklärte, wie er konsequent die Pausen einhält, die sowohl zur Erhaltung seiner kreativen und physischen Leistungsfähigkeit als auch eines ausgeglichenen Sozial‑ und Privatlebens nötig sind. Seine Arbeitszeiten von 9 bis 13 Uhr und von 15 bis 17 Uhr bieten Raum für Golfpartien und Treffen mit Freunden am Mittag, und der nicht verhandelbare Feierabend ermöglicht ihm, sich seiner Familie zu widmen.
Tatsächlich entsprechen diese sechs Stunden sehr konzentrierter Kreativität ziemlich genau dem, was meiner Erfahrung nach als gesundheitlich wünschenswert betrachtet werden kann. Hier darf nicht vergessen werden, dass das selbstvergessene, ablenkungsfreie Arbeiten eines Kreativen nicht mit einer normalen Bürotätigkeit verglichen werden kann und darf. Sie ist wesentlich intensiver und dadurch geistig und körperlich deutlich anstrengender. Es ist etwa so, als würde man Leistungssport auf höchstem Niveau betreiben oder aber hobbymäßig joggen.
Auch wenn es mir im Gegensatz zu Herrn Cavazzano nicht so bald gelingen wird, mich ab und zu zu einer freien Stunde zu überreden oder meinen Auftraggebern gegenüber einen erstrebenswerten Rhythmus durchzusetzen, so hat mich doch dieser Artikel bestätigt, getröstet, bestärkt und mir auf erfrischende Weise Mut gemacht. So müsste es wirklich sein  – und ich halte mich zur Zeit ein wenig an seinen Worten fest.

07/1/14

Die Bezeichnung „Textkünstlerin“

Eine gute Freundin zeigte sich neulich darüber überrascht, dass ich auf meiner Website als Berufsbezeichnung nunmehr „Textkünstlerin“ eingetragen habe. Sie schickte sich schon an, mich für ein ganz atypisches und möglicherweise neu entdecktes Selbstwertgefühl zu loben – vorschnell und ungerechtfertigterweise allerdings, denn es handelt sich dabei um eine sehr pragmatische und offen gestanden ungeliebte Entscheidung und den Versuch, Klarheit zu schaffen.

Als ich das Projekt „TextLoft“ ins Leben rief, ging es vor allem darum, Texten und Textkäufern einen Raum zu geben, in dem die ästhetischen Werte, also die Schönheit des Produkts „Text“, im Vordergrund stehen. Was für mich ganz selbstverständlich ist, muss für andere aber nicht notwendigerweise einleuchtend sein – erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass ich damit einen sehr eigenwilligen und im deutschen Sprachraum erstmaligen Weg gehe.
Eine Berufsbezeichnung ist nichts an sich Wichtiges, sie ist nur ein Wort. Nichtsdestotrotz kann sie hilfreich sein, um eine bestimmte Art von Leistung von anderen, mit ihr eng verwandten, abzugrenzen und das eigene Selbstverständnis in kurzer und prägnanter Form darzulegen.
Ich bin nicht Schriftstellerin, denn ich schreibe und veröffentliche nichts, was annähernd literarischen Kriterien entspräche.
Ich bin auch nicht Autorin – auch wenn ich in der Vergangenheit an einigen Publikationen mitgearbeitet habe. Dass ich Kriminalromane schreibe, ist eine Freizeitbeschäftigung, die nichts mit einer bezahlten Tätigkeit zu tun hat.
Ich bin auch nicht Texterin, Copywriter oder Werbetexterin. Ich entwickle keine Claims und schreibe nicht nach Vorgaben und einer kurzen Einarbeitungszeit alltagstaugliche Texte zu jedem beliebigen Thema.

Für mich ist das Schreiben die Fortsetzung der Innenarchitektur, der Malerei, der Bildhauerei, der Fotografie mit anderen Mitteln.

Wenn ich im Auftrag schreibe, dann in meinem eigenen, erkennbaren Stil und innerhalb einer bestimmten Auswahl an Themen, die mit diesem Stil harmonieren. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Maler oder ein Bildhauer gebeten werden, ein Porträt oder eine bestimmte Dekoration anzufertigen. Im fertigen Werk bleibt im Rahmen der Auftragsbeschreibung und der Wünsche des Kunden ihre Handschrift immer präsent, deutlich und unverwechselbar – auch Jahrzehnte später werden das Bild oder die Skulptur mühelos dem Künstler und nicht seinem Auftraggeber zugeordnet. Der Sinn von TextLoft ist es, genau diese Art von Arbeiten zu erschaffen, und in dieser Hinsicht ist mein Ansatz kein primär kaufmännischer, sondern ein künstlerischer – sei es als Artketing für Unternehmen oder als Texte für Künstler oder Kunst- und Kulturorganisationen oder in meiner Eigenschaft als Kunstschriftstellerin.

Dass ich mich also als Textkünstlerin bezeichne, ist zum einen nur ein Wort, weil Berufsbezeichnungen in einer positionssüchtigen Welt nur einmal verlangt und erwartet werden. Im Inhalt ist diese Bezeichnung wiederum vor allem der Ehrlichkeit geschuldet und soll Interessenten helfen, zu verstehen, was ich ihnen anbieten kann und was sie bei mir nicht bekommen. Künstlerische Arbeit ist nämlich auch immer mehr oder weniger genregebunden. Ich schreibe keine Sockenbeschreibungen für einen Versandkatalog, blogge nicht über elektronische Geräte oder Investment. Sehr wohl aber kann ich einem Restaurantbesitzer helfen, seine Spezialitäten so vorzustellen, dass der Leser sie zu schmecken meint, Touristen die Stimmen eines ganzen Landes plastisch und greifbar vermitteln. Ich (be)schreibe Stimmungen, lasse Assoziationen entstehen.
Ich tue also genau das, was Künstler eben tun: Augenblicke und Bilder einfangen und teilen. Und ja: Ein Hinweis auf meine Preisvorstellungen ist diese Berufsbezeichnung auch, denn für 0,02 €/Wort arbeite ich nicht.

Außerdem hat meine Arbeit andere Aspekte. Wie auf meiner anderen Website zu sehen ist, arbeite ich auch an Projekten, die weder der Textarbeit im üblichen Sinne noch der Schriftstellerei zuzuordnen wären. Es sind zweckfreie Texte, die als in sich (ab)geschlossen zu betrachten sind, die ausgestellt oder einzeln als „l’art pour l’art“-Miniaturen oder Sammlung erworben werden können, die keine Geschichte erzählen, nicht veröffentlicht werden, sondern die kleinen und schönen Dinge des Lebens einfach festzuhalten versuchen.

So fügt sich ein Mosaik zu einem Begriff zusammen. Wohl fühle ich mich damit zugegebenermaßen ganz und gar nicht. Er klingt merkwürdig und hochtrabend. Vielleicht sogar ein wenig lächerlich. Aber er trifft den Kern der Sache.

06/26/14

Zurück in den Alltag

Erstreckt sich eine Auftragsarbeit über einen längeren Zeitraum und erfordert sie besondere Ausdauer und intensive Konzentration, gehört es zu den schwierigeren Aufgaben, nach ihrem Abschluss physiologisch und gedanklich ins Leben zurückzufinden.
Nachtschichten, vernachlässigte Mahlzeiten und völlige Abgeschiedenheit haben den Biorhythmus durcheinandergebracht, und es entsteht eine Art „Jetlag“. Bis der Körper wieder funktioniert, wie er es sollte, kann es durchaus einige Tage dauern. Die vielgepriesene „Mütze voll Schlaf“ genügt hier nicht. Eine erhöhte Flüssigkeits- und Vitaminzufuhr ist hilfreich – und sei es hauptsächlich subjektiv.
Vor allem aber muss der Geist zur Ruhe kommen, und es muss wieder an die Wirklichkeit angeknüpft werden. Ersteres kann sich manchmal von allein ergeben: Ist man vollkommen erschöpft, fällt es nicht schwer, Abstand zwischen sich, den Texten und dem Kunden zu schaffen. Der Weg zurück zur Normalität kann auch über bodenständige Tätigkeiten führen: Putzen, Aufräumen und zu beseitigende Wäscheberge haben eine recht heilsame Wirkung. Diese kleinen Pflichten sind zwar ein befriedigender und positiver Ausgleich, der das schöne Gefühl eines Neuanfangs vermittelt, allerdings sind sie bei weitem nicht hinreichend, um wieder Fuß im „echten Leben“ zu fassen.
Einige Dinge müssen regelrecht neu erlernt werden. Hierzu gehört die Wahrnehmung der „Welt da draußen“, deren Existenz über Tage oder Wochen weniger verleugnet denn gänzlich vergessen wurde. Es gilt, Nachrichten nachzulesen, sich wieder auf den neuesten Stand dessen zu bringen, was inzwischen passiert ist. Es ist nicht immer ganz leicht, die enge Zelle des Auftrags, die weder Licht noch Töne hereinließ, zu verlassen und sich vor Augen zu führen, dass andere in dieser Zeit, die einem selbst wie ein milchiger Raum jenseits aller Dimensionen vorkommt, tatsächlich unverändert ihren üblichen Beschäftigungen nachgegangen sind.
Paradoxerweise verlängern solche Arbeitsphasen durch ihre Wirklichkeitsferne die Zeit, verformen sie, ziehen sie ins Unendliche auseinander und können dadurch eine Art Entfremdung selbst zu nahestehenden Menschen schaffen. Wie nach einer langen Krankheit, während derer alles still steht, fällt die Rückkehr zur Selbstverständlichkeit, zu den einfachsten Gewohnheiten mitunter schwer, erfordert Geduld und Maß. Die wiedergewonnene Selbstbestimmtheit und die Erleichterung sind zunächst kaum zu genießen – zu kompromisslos und brutal wurden Körper und Geist traktiert, zu irreal scheint in diesen ersten Stunden das Ende der Kasteiung.
Während dieses Übergangs, in dem nichts mehr so wichtig wirkt, wie Erholung und Freiheit, legt sich jeder Sonnenstrahl, der überraschend durchs Fenster tritt, pflegend auf das geschundene Hirn, jedes Vogelgezwitscher führt ein wenig zurück. Zu dem, was sich so Leben nennt.

05/6/14

FAQ für Schreibende

Hat man erst einmal erzählt – wenn auch ungern -, dass man schreibt, gibt es eine Reihe von Fragen, die mit schlafwandlersicher Sicherheit lawinenartig auf einen zukommen: „Seit wann schreibst Du denn?“ „Wie kamst Du zum Schreiben?“ und „Und wieso kannst Du denn so gut schreiben?“.
Diese FAQ kommen vorzugsweise gerade dann ans Licht, wenn man sie nicht gebrauchen kann: auf einer Party; wenn der Verwalter einen neuen Nachbarn vorstellt und sich befleißigt fühlt, gleich darauf hinzuweisen, was die anderen Mieter im Haus beruflich denn so anstellen; wenn Menschen aus dem Viertel, die man zum Beispiel zufällig bei der Gartenarbeit kennengelernt hat und mit denen man ab und zu Small Talk pflegt, irgendwann auffällt, dass man den lieben langen Tag zu Hause verbringt und nicht ersichtlich ist, womit man sein Geld verdient … Es gibt so viele Gelegenheiten dazu. Zu viele.
Selbst dann, wenn die Situation bekannt und bereits erwartet wird, ist sie nicht ohne Weiteres zu meistern. Der Umstand, in den unpassendsten Momenten urplötzlich unter gaffenden bis bewundernden Blicken im Mittelpunkt stehen zu müssen, ist nur ein Aspekt dieser Peinlichkeit. Viel schlimmer ist die Tatsache, dass es darauf keine Antworten gibt –  genauer gesagt keine, die als solche empfunden und akzeptiert würden.

Erfahrungsgemäß haben sich im ersten Fall „Schon immer“ oder „Soweit ich zurückdenken kann“ als für das Gegenüber wenig befriedigend erwiesen. Die nächste Frage folgt auf dem Fuße: „Was meinst Du mit: ‚schon immer’?“ Dann wird es heikel. Erwartet derjenige etwa wirklich Einzelheiten? Die ganze Geschichte in aller Ausführlichkeit? Soll ich vielleicht, damit er Ruhe gibt, erzählen, dass ich schon als Kleinkind Bücher für meine Puppen schrieb und es für meinen Schreibdrang nie genug Papier im Haus geben konnte, und damit mitten auf einer Hochzeit, Beerdigung oder einer Geburtstagsfeier, die nicht einmal meine ist, eine Aufmerksamkeit, die ich auf keinen Fall will, auf mich ziehen? Es ist eher nicht meine Art, und der Satz „Ich habe schon als Kind geschrieben“ ist in den meisten Fällen nachweislich kein kluges Ausweichmanöver, denn ein bohrendes „Ach ja? Was denn? Und wie alt warst Du da?“ lässt nie lange auf sich warten. Das selbstironische und abwinkende „Ach, schon ewig“ hingegen vermag es zwar hie und da, eine gewisse abwehrende Haltung und Distanz zu vermitteln, aber nur bedingt, und dies ist nicht von langer Dauer. Ist der Zeitpunkt schon nicht zu ermitteln, dann muss ja wohl zumindest das „wie und warum“ herauszubekommen sein. Womit die zweite häufig gestellte Frage erreicht ist.

Der Erfolg einer ehrlichen Antwort hängt hier stark vom Bildungsgrad und Feingefühl des jeweiligen Gesprächspartners ab. Ein ernstgemeintes „Ach, ich kann gar nicht anders“ setzt manchmal durchaus den ersehnten Schlusspunkt – sei es, weil derjenige aufgrund seines akademischen Hintergrunds in der Tat nachvollziehen kann, was gemeint ist, sei es, weil er mich dann für eine kauzige und überhebliche Verrückte hält und um sein Leben fürchtend das Weite sucht. Schlimmstenfalls aber geht das Verhör unbeirrt weiter, und minutenlang schaue ich in leere, fragende Augen, bis endlich eingesehen wird, dass von mir wohl keine vernünftige, für alle verständliche und als gültig zu betrachtende Erklärung zu erwarten ist und ich vermutlich der langweiligste oder exzentrischste Mensch – was im Grunde ja das Gleiche ist – auf der Veranstaltung bin. Hilfreicher ist die achselzuckende Variante, es habe sich so ergeben, nach der man nur noch als öde, aber zumindest nicht als seltsam betrachtet wird.

Bei der dritten FAQ ist es ein wenig anders. Kennt derjenige meine Arbeiten nicht, ist das Thema schnell ausgeräumt: Mit der von einem verschmitzten bis charmanten Lächeln unterstrichenen Bemerkung, ich könne es eigentlich gar nicht so gut, täte es aber trotzdem, ist die Sache in der Regel erledigt.
Bezieht sich die Frage konkret auf meine Texte, wird es wieder recht unangenehm. Ganz gleich, für welchen Weg ich mich entscheide – er ist der falsche. Sage ich, dass ich schon immer so schreiben konnte und nicht weiß, warum, umgibt mich die unangenehme Aura des überheblichen Genies, dem alles zufliegt und das unfair spielt, weil die Natur ihm etwas gegeben hat, was andere nicht haben können. Und das mag niemand. Erzähle ich, dass ich schon als Kind Tausende von Büchern gelesen habe und ich darin einen Zusammenhang sehe, gehöre ich in die Schublade der rechthaberischen Streber, der obendrein noch etwas verschweigt, denn so einfach kann die Lösung ja nicht sein. Das mag auch keiner. Erkläre ich, dass ich Dinge schlichtweg gern beobachte und festhalte, so wie andere eben eine Kamera zücken, und ich deswegen das dazu nötige Werkzeug immer wieder und jeden Tag zu verbessern versuche, klingt es abgehoben und reichlich verschroben. Als Begründung kommt es nicht durch und auch nicht gut an. Erzähle ich, dass Schreiben nichts als Handwerk ist, bin ich ein lästiger Oberlehrer oder wahlweise falsch bescheiden. Das ist ebenso wenig vorteilhaft.

Ob mich diese FAQ deutlich in Verlegenheit bringen oder ich sie lediglich als lästig empfinde, hat hauptsächlich mit Tagesform und Laune zu tun. Im Nachhinein muss ich nicht selten schmunzeln und frage mich, ob auch Kunstmaler oder -fotografen ähnliche auch erdulden müssen. Interessanterweise fragt so gut wie niemand, was ich eigentlich so schreibe …

04/29/14

Im Rhythmus der Landschaft

Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung können bekanntlich recht unterschiedlich ausfallen. Letztere kann Korrektiv sein … oder einfach auf gegensätzlichen Vorlieben beruhen.

Aus meiner Sicht plätschert mein Leben gleichmäßig dahin. Es ist nicht besonders aufregend, vielleicht sogar etwas eintönig. Dass ich mit dieser Meinung relativ alleine da stehe, vergesse ich meistens, und erst Fragen oder Bemerkungen in meinem Umfeld erinnern mich daran, dass das, was ich als unspektakulären Alltag und – von den kleinen und großen Katastrophen, die jeden mal heimsuchen können, abgesehen – ereignislose Normalität bezeichnen würde, für andere nichts als Chaos und unzumutbare Achterbahnfahrten ist.
Tatsächlich gleicht ein Schreiberleben in vielerlei Hinsicht einer Autofahrt auf Landstraßen durch die Alpen im Hochsommer. Anstrengende, endlos scheinende Streckenabschnitte zwischen unerbittlich überhitzten Steinwänden, die jeden Lufthauch verschlingen, fordern bei aller Schönheit höchste Wachsamkeit und Konzentration. Gerade dann aber, wenn die Erschöpfung greifbar wird, erbarmt sich die Landschaft. Die haaarnadelartigen Kurven werden seltener, die Straße nach und nach breiter, der Asphalt glatter, die Atmung ruhiger. Malerische Ortsdurchfahrten vermitteln Sicherheit und Geselligkeit. Körper und Geist entspannen und erholen sich, tanken Kraft vor dem nächsten Anstieg.

Dieser ständige und stetige Wechsel zwischen arbeitsreichen und ruhigen Phasen, zwischen Zeiten, in denen nicht einmal Nachtschichten reichen wollen, um Herr der Auftragsflut zu werden, und schreibtischfreien Tagen, gehört für mich zu den angenehmsten Seiten meines Berufs. Ich empfinde ihn als gesund, weil regenerative Abschnitte bewusster und tiefer erlebt werden, der Biorhythmus spürbarer ist und das subjektive und objektive Wohlbefinden individueller gesteuert werden können. Er ist außerdem bereichernd, weil im Tal die Luft frischer, die Farben leuchtender werden. Das Leben scheint vervielfacht, überschwänglich, großzügig, verschwenderisch sogar. Wenn sich dann der nächste Berg am Horizont abzeichnet, wird seine steinerne Übermacht nicht mehr zur Last, sondern zur spannenden Herausforderung.

Nur wenige können offenbar diese Art des Lebens und Arbeitens nachvollziehen, die nicht selten mit mitleidvollen Blicken quittiert wird, als wäre ich in einem Horrortrip gefangen und gezwungen, ihn durchzustehen. Was die meisten als undurchschaubare Belastung betrachten, ist mein Weg in die Freiheit – in den sonnigen Süden.

03/14/10

Textqualität

Jeder, der ein Auto, eine Couch, einen Anzug kaufen möchte, versteht, was es bedeutet, wenn die Werbung zu dem entsprechenden Objekt seiner Begierde in Begrifflichkeiten der Qualität ausgedrückt wird. Es ist auch nicht schwer zu begreifen. Assoziiert werden dabei sehr fassbare und messbare Daten wie Sicherheit, Langlebigkeit des Materials, Komfort, Funktionalität.

Bezieht sich das Qualitätsversprechen auf weniger materielle Dinge, stellt sich schnell heraus, dass der Kunde mangels konkreter Anhaltspunkte aus dem Alltag regelrecht überfordert ist. Für Texte zum Beispiel gibt es keine Skala, die es ermöglichen würde, Kriterien miteinander zu vergleichen. Erschwerend kommt hinzu, dass der primären Beurteilung von Texten (und oft der einzigen, die überhaupt bekannt ist), der Literaturkritik also, in der breiten Masse der Bevölkerung der Ruf der Subjektivität und der Willkür anhaftet. Negative Erinnerungen aus der Schulzeit, in denen schlechte Pädagogen es nicht vermocht haben, als ungerecht empfundene Noten im Schulaufsatz sinnvoll und nachvollziehbar zu begründen, sind schmerzhafte Narben im Gedächtnis vieler und machen es praktisch unmöglich, zu vermitteln, dass die objektive Beurteilung eines Textes in der Tat durchführbar wäre, wenn man es nur wollte.

Auf der verzweifelten Suche nach einer Möglichkeit, den Begriff „Textqualität“ zu interpretieren, greift der Kunde daher auf andere, ihm bekannte Maßstäbe zurück und reduziert sie im Allgemeinen auf Grammatik, Rechtschreibung und soziale Komponente. Ein guter Text ist demnach frei von Tippfehlern, korrekt orthografiert, weist eine den Regeln entsprechende Interpunktion auf und verzichtet auf Kraftausdrücke oder Beleidigungen. Auf diese Weise wird das, was als Mindestanforderung an einen Text anzusehen wäre, auf einmal zum einzigen Auswahl- und Bewertungskriterium.
Da aber davon auszugehen oder zumindest zu hoffen ist, dass von wenigen Ausnahmen abgesehen jeder Textdienstleister diese Grundsätze erfüllt, stellt sich die Frage der Unterscheidung zwischen den verschiedenen Angeboten ungelöst und immer weiter aufs Neue. Im Zweifelsfall wird die Entscheidung durch die Referenzenfrage, durch den Preis oder über den ersten persönlichen Eindruck getroffen.

Für Schreibende, die Wert darauf legen, auf hohem Niveau zu arbeiten, ergibt sich dadurch ein kaum überwindbares Problem: Eine deutliche Positionierung und eine Differenzierung von der sogenannten Konkurrenz wird auch dann mehr als nur schwierig, wenn eben diese Konkurrenz gar keine ist.

Vergleiche aus anderen Bereichen können als eine Art Erste Hilfe-Kasten angesehen werden.
Ein guter Text unterscheidet sich von einem durchschnittlichen Text wie ein Kleid von Dior von C&A-Ware, wie belgische Pralinen von Discounter-Schokolade, wie ein Diamant-Collier von Modeschmuck, wie ein Luxushotel von einer Jugendherberge.
Dieser Wink mit dem Zaunpfahl bietet zumindest einen Vorteil: Er ermöglicht eine sofortige Einordnung des potenziellen Kunden. Wer ihn versteht, wird wahrscheinlich in der Lage sein, mit einigen weiteren Erklärungen an die wirklichen Merkmale der Textqualität herangeführt zu werden. Wer ihn nicht versteht und damit argumentiert, dass er keinen Unterschied zwischen selbst gemahlenem und frisch gebrühtem Espresso einerseits und Instant-Kaffee aus dem Glas andererseits schmecke und dass man somit den Verbraucher nur düpiere, der bei gleichem Produkt für den Markennamen bezahle, darf in Begriffen der Textqualität als beratungsresistent gelten – eine schöne Umschreibung dafür, dass dieser Kunde keinen Geschmack hat und niemals welchen haben wird. Im TextLoft bedeutet dies, dass der Interessent höflich aber dezidiert hinauskomplimentiert wird.

Dabei ist eine Definition von Textqualität recht einfach und besteht aus zwei Aspekten: eine klare und übersichtliche Gliederung, eine differenzierte Sprache.

Eine sinnvolle Gliederung besteht der allgemeinen Meinung entgegen nicht aus den 3 Punkten „Einführung“, „Hauptteil“ und „Schluss“. Dieses mehr hilflose als hilfreiche Konstrukt aus der Schulzeit, das sicherstellen sollte, dass der Schüler niemals vergisst, eine Einleitung zu schreiben, und sein Text in Gottes Namen nicht wie das Hornberger Schießen ausgeht, ist zwar allgemein bekannt, hat mit der wirklichen Textarbeit aber wenig zu tun.

Eine Gliederung soll dem Leser in erster Linie als Reiseführer dienen. Er darf sich an keinem Punkt des Textes fragen müssen, wo er sich gerade befindet und was er dort überhaupt zu suchen hat.
Zudem soll der Aufbau des Gedankengangs mühelos erfasst, verstanden und verinnerlicht werden können. Die Gliederung ist ein Gerüst der Logik.

Der im TextLoft nur zu gern verwendete Vergleich mit Architektur und Innenausstattung mag für die Stammleser dieses Blogs mittlerweile etwas langweilig werden, er verdeutlicht aber sehr genau, nach welchen Kriterien die Gliederung eines Textes beurteilt werden kann und sollte. Sie ist das raum(ein)teilende Element und sollte auch als solches betrachtet werden.
Eine gut geschnittene Wohnung besteht aus klar abgegrenzten Bereichen, die einerseits eine eigene, festgelegte Funktion haben, andererseits die freie Entfaltung des Geschmacks und der Einrichtungsvorstellungen des Einzelnen unterstützen, indem unter anderem Stellflächen ausreichender Größe und viele klare, gerade Linien eine individuelle Möblierung ermöglichen. Diese Maßstäbe lassen sich auch auf eine Gliederung anwenden.

Die Einleitung eines Textes sollte wie die Diele oder der Flur einen einfachen Zugang zum gesamten Haus sowie die Öffnung und Verbindung zu allen anderen Räumen, sprich Kapiteln oder Absätzen, gewährleisten. Ungern betritt man als Erstes die Küche oder das Wohnzimmer, geschweige denn das Schlafzimmer.
Was für ein Haus selbstverständlich ist, sollte für einen Text erst recht grundlegend sein. Unklar, schlecht oder gar nicht gegliederte Texte erkennt man daran, dass weder die Funktion der einzelnen Abschnitte deutlich ist (ist das hier das Kinderzimmer oder der Abstellraum?), noch eine Grundlinie erkennbar ist. Sie verhalten sich bestenfalls wie Durchgangszimmer, in denen eine Abtrennung von Nutzbereichen nur bedingt gegeben ist oder erst mit zahlreichen Hilfsmitteln erreicht werden kann, schlimmstenfalls – ist die Gliederung überhaupt nicht vorhanden – wie ein unaufgeräumter Dachboden, in dem sich alles ungeordnet stapelt, was irgendwann vielleicht nützlich sein könnte – für eine Schnitzeljagd an einem regnerischen Novembertag ganz und gar reizvoll, aber niemand möchte dauerhaft in einem Labyrinth wohnen.

Ebenso wichtig ist der Zuschnitt – also die Form der Räume und ihr Verhältnis zueinander. Es ist kein Zufall, wenn Wohnungen, deren Zimmer in etwa gleich groß und quadratisch sind, auf dem Immobilienmarkt einen höheren Wert haben. Undurchsichtige Strukturen mit vielen Winkeln, engen Bereichen und Hindernissen werden als ungemütlich und unpraktisch empfunden.
In einem Text ist es nicht anders. Die Kapitel und Abschnitte sollten in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, die freie Entfaltung des Gedankens ermöglichen und inhaltlich einwandfrei zuzuordnen sein.

Neben dem Aufbau der Wohnung ist die Inneneinrichtung von entscheidender Bedeutung. Ob der Raum eher zweckmäßig mit wahllos aufgestellten, funktionsbezogenen Gegenständen „gefüllt“ oder aber bis ins kleinste Detail feinfühlig dekoriert wird, entscheidet über den ersten Eindruck und bestimmt, ob Bewohner und Besucher sich wohl fühlen werden. Außerdem ist die Einrichtung auch repräsentatives Element und spiegelt die Einstellung, die soziale Stellung und die Vorlieben der Besitzer wider.

Nicht anders verhält es sich mit Text. Hier steht eine differenzierte Sprache für Niveau, Kultiviertheit und Lebensgefühl.
Ein guter Text unterscheidet sich von einem durchschnittlichen oder schlechten Text also nicht dadurch, dass die primitivsten Gebote der Höflichkeit eingehalten werden, und Sprachniveau ist nicht auf den Verzicht auf Rüpeleien beschränkt. Wer Rechtschreibung als Qualitätsmerkmal für einen Text zur Sprache bringt, würde den Immobilienmakler wahrscheinlich fragen, ob in der Wohnung auch wirklich eine Toilette vorhanden ist oder das Haus ein Dach hat.
Vereinfacht ausgedrückt: Sprache darf dann als differenziert aufgefasst werden, wenn Wortwahl und Satzbau ungeachtet des eigenen Geschmacks von einem breiten, kultivierten, anspruchsvollen Wortschatz und einem Sinn für subtile Nuancen und fein schattierte Unterscheidungen in der Synonymik zeugen.

Die Verbindung von Strukturen – dem Grundriss einer Wohnung und der Gliederung eines Textes – und individueller, ausgesuchter Einrichtung – stilvoller Möblierung und Dekoration und gehobenem Sprachniveau – entscheidet bei Immobilien und Text gleichermaßen über den Marktwert. Minimalanforderungen sollten nur für diejenigen eine Rolle spielen, die sich für gewöhnlich mit eben solchen begnügen.

05/18/09

Die Re-Writing-Lüge

Viele Textschaffende bieten eine Leistung an, die als Re-Writing bezeichnet wird. Doch worum handelt es sich genau? Die Antwort ist einfach: um etwas, was es nicht gibt.
Soll ein Text optimiert werden, handelt es sich um eine Lektoratarbeit. Ist er wirklich so schlecht, dass nichts Brauchbares damit anzufangen ist, ohne Tabula rasa zu machen, hilft es nur, die Inhalte als Stichpunkte zu betrachten und einen ganz neuen Text zu schreiben. Dies ist keine rätselhafte, besondere und eigene Leistung, sondern das, was der Texter jeden Tag tut: schreiben.
Wer ein Haus komplett abreißt und auf demselben Grundstück ein völlig neues baut, ist kein Verbesserungshandwerker, sondern ein Architekt, der seiner ganz normalen Aufgabe nachgeht, und niemand redet hier von Re-Building.

Dass der Begriff von Textarbeitern gern benutzt wird, um den Preis für eine komplexe und zeitintensive Lektoratleistung in die Höhe zu treiben, ist nachvollziehbar. Und was der Textdienstleister kann, beherrscht der Kunde wiederum schon lange – gibt er doch vor, einen fast fertigen Text vorgelegt zu haben, auch wenn nichts davon zu verwenden war.

Vergleicht man hier erneut die Textarbeit mit der Baubranche, käme das Re-Writing in etwa dem Entkernen gleich.
Eine solche Sanierungsmaßnahme mag aus wirtschaftlicher Sicht für den Bauherrn durchaus legitim sein: Der Gesamtabriss wird gespart, es muss kein Architekt beauftragt werden. Dass es sich um eine aus der (finanziellen) Not geborene Lösung, um einen Kompromiss handelt, dürfte ebenso klar sein – und meist haben die vier Wände, die man zu retten versucht, um den ökonomischen Schaden möglichst klein zu halten, selbst schon lange nicht mehr die Qualität, die ein Neubau aufweisen würde. Mit ihren Mängeln wird man leben müssen und kann nur versuchen, sie einzudämmen. Es geht hier um ein „gerade noch tauglich“, um eine letzte Rettungsaktion, die sich auch schnell als Milchmädchenrechnung erweisen kann. Ganz gleich, wie gut das Ergebnis letztlich sein mag, es handelt sich nicht um ein neues, modernes Gebäude, sondern um eine extrem aufwendige Renovierung – schlimmstenfalls mit allen Nachteilen eines Altbaus.

TextLoft versteht sich als kreativer Raum. Hier wird erdacht, erschaffen und geschrieben – und nicht aus einer Hülle mit schlechter Bausubstanz gerade noch etwas hinbekommen. Entkernen ist eine Sache der Bauunternehmer und Handwerker, nicht der Architekten und Designer.