08/19/13

Die Sache mit den Bildchen

Bilder beherrschen in unserer Zeit die private und berufliche Kommunikation mehr als je zuvor. Lediglich die Vorgeschichte könnte hier als Ausnahme gelten, müssten Wandmalereien nicht als Vorstufe zur Schrift verstanden werden. Anstatt Briefe werden Fotos verschickt, es wird mehr auf Pinterest oder Instagram gepostet als auf Twitter, telefoniert wird über Skype, gechattet wird nicht mehr an der Tastatur, sondern mit Webcam, ganze Lebensgeschichten werden nicht mehr in Tagebüchern, sondern auf YouTube festgehalten, und Werbeslogans werden bei weitem nicht so intensiv rezipiert wie die Filme, die sie untermauern. Rein visuelle Elemente sind so selbstverständlich geworden, dass sie als eine Art Bringschuld betrachtet werden. So fragte mich eine ältere und langjährige Kundin kürzlich, warum im ganzen Internet keine Fotos von mir zu finden seien.

In der Tat ist dies eine ganz absichtliche Vorgehensweise – geradezu eine Bekenntniserklärung.
Das TextLoft ist ein virtueller und somit geschützter Raum, ein Projekt, und soll virtuell bleiben. Im Mittelpunkt sollen weder ein konkreter Ort noch eine konkrete Person, sondern die Texte stehen. Sie sollen für sich sprechen, Assoziationen und Vorstellungen hervorrufen, sie sollen unbeeinflusst von Ablenkungen gelesen, beurteilt oder bestenfalls genossen werden. Wer sie schreibt oder wo, soll unwichtig sein und bleiben. Dies gehört ebenso zum Konzept von TextLoft wie der Name selbst – und deshalb ist sowohl von TextLoft als auch vom TextLoft die Rede.
Sicherlich mag es Interessenten geben, die sich im Zweifelsfall deshalb gegen TextLoft entscheiden. Ihr Bedürfnis, zu wissen und zu sehen, mit wem sie es zu tun haben, ist durchaus legitim, aber wenn sie nicht in der Lage sind, die Antwort auf diese Frage in meinen Texten zu finden, haben sie nicht verstanden, was TextLoft ist, und haben hier auch nichts zu suchen. Letztlich würde eine Zusammenarbeit nicht funktionieren, denn sie setzen die falschen Prioritäten. Zu den größten Komplimenten, die ich je über meine Arbeit bekommen habe, gehört der Satz „Wenn ich nicht wüsste, ob du ein Mann oder eine Frau bist – an deinen Texten würde ich es nicht merken.“ So soll es sein: Wer meine Arbeiten liest, soll nicht an mich denken oder über mich nachdenken, sondern idealerweise nur den Text genießen.
Manche werden diese Geisteshaltung sicherlich als ewig gestrig, wirtschaftlich unklug und menschlich arrogant betrachten. Es steht ihnen zu. In Wirklichkeit geht es um Selbsttreue und Selbstachtung – schlichtweg um Grenzen. Bei allem Bestreben, die eigene Existenz zu sichern, muss es erlaubt sein, zwischen Kundenfreundlichkeit einerseits und sinnloser Prostitution und Selbstverleugnung andererseits zu unterscheiden. TextLoft wurde nicht gegründet, um es jedem und allen recht zu machen, sondern um eine bestimmte Auffassung von Text auszuleben und durchzusetzen. Wird diese Linie verlassen, die das Markenzeichen von TextLoft ist, wird das ganze Projekt ad absurdum geführt, und der kaufmännische Erfolg käme in diesem Fall einem Scheitern gleich.
Es geht aber auch um Seriosität. Die systematische Einhaltung des TextLoft-Gedankens soll dafür sorgen, dass Erwartungen und Produkt im Einklang stehen. Eine Pizzeria, die Currywurst anbietet, mag mehr Umsatz erreichen, aber sie ist kaum vertrauenswürdig und als Pizzeria kaum ernst zu nehmen. Ein seriöser Gast, der ein solches Lokal betritt, würde sich zurecht verunsichert und schlecht aufgehoben fühlen. Es ist in der Textwelt nicht anders als in der Gastronomie: Wer hierherkommt, hat ein Recht darauf, zu wissen, was er bekommt.

Herrschen im TextLoft also ikonophober Starrsinn und Rechthaberei? Nein. Wer wissen will, mit wem er es zu tun hat, findet seit einiger Zeit unter ÜBER einen Kurzlebenslauf. Es ist ein akzeptabler Kompromiss: Wenn auch ein Werdegang nicht das geringste darüber sagt, ob und wie jemand schreiben kann, so ist zumindest eine textliche Antwort auf die Bildchenfrage gegeben.

NACHTRAG: Wer meinen Namen im Internet sucht, bekommt je nach Suchmaschine tatsächlich Bilder von unterschiedlichen Personen zu sehen. Teilweise handelt es sich um Kunden, für die ich geschrieben habe und die auf ihrer mit mir verlinkten Website ein Foto von sich oder eines Mitarbeiters gepostet haben, teilweise schlicht um einen Fehler der Suchmaschinen, die Inhalte fälschlicherweise miteinander verknüpfen. Ich kann es leider nicht unterbinden oder Einfluss darauf nehmen. Es steht aber fest: Es ist KEIN Bild von mir im Internet zu sehen.

07/28/13

Sommerzeit

Der Sommer ist im TextLoft wider Erwarten immer eine aufregende Zeit.
Dabei deutet zunächst nichts darauf hin. Viele Stammkunden gönnen sich eine Pause und entfliehen für ein paar Wochen dem Alltag, der eingespielte Rhythmus aus Aufträgen und Anfragen wird langsamer – als ließe er sich von Wärme und Sonne anstecken und wollte er sich herausnehmen, nach eigenem Gutdünken dahinzuplätschern und der allgemeinen Trägheit zu folgen. In der Tat könnten es ihm die Tage gleichtun und niemand würde sich darüber wundern. Am Abend, wenn Meisen und Amseln des Badens müde sind und die Terrasse freigeben, die für die kommenden Stunden zum Schreibplatz werden darf, tragen allenthalben fröhliche Stimmen, Gelächter und Musik den Duft von Holzkohle, noch heißem Kuchen und Gegrilltem ins Loft, Leben und Schreiben fühlen sich leicht an. Federleicht.
Doch die euphorische Unbeschwertheit verführt nicht nur zum Träumen. Es ist der richtige Moment, Bilanz zu ziehen, die kommenden zwölf Monate zu überblicken, Ideen niederzuschreiben, Projekte bis ins kleinste Detail durchzuplanen, Terminkalender auszufüllen, mit Überschwang Neues in Angriff zu nehmen. Akten werden umsortiert, neue Mappen beschriftet, Buchhaltung und Kundenverwaltung umorganisiert, Ordnerstrukturen auf der Computer-Festplatte gestrafft, Schreibwaren bestellt. Im Loft herrscht Aufbruchsstimmung.
Diese energiegeladenen Tage lassen durch das abergläubisch gepflegte Versprechen besserer Zeiten ein wenig vergessen, wie lange der letzte Urlaub zwischen Lavendel und blauen Wellen doch schon zurückliegt.

06/6/12

Idealbild Kolumnist

Zu Hause in Ruhe sitzen und den Alltag in all seinen Nuancen erzählen. Eine Seite lang die persönliche Sicht der Dinge schildern. Mal humorvoll, mal kritisch, mal polemisch. Sein Geld damit verdienen, Persönliches preiszugeben. Aus Anekdoten poetische Texte entstehen lassen … Amerikanische Serien wie Sex and the City, 8 Simple Rules for Dating my Teenage Daughter, Suddenly Susan zeigen es überdeutlich: Der Beruf des Kolumnisten ist der ideale Beruf schlechthin. Freie Zeiteinteilung, sicheres und überdurchschnittliches Einkommen – in diesem perfekten Leben gilt die einzige Sorge der Deadline und der Frage nach dem Thema des nächsten Artikels. In unmittelbarem Kontakt zu seinen Lesern, mitten im Zeitgeschehen und dennoch ohne Hektik arbeiten zu können – wer träumt nicht davon?
In den Vereinigten Staaten ist dieses Bild nach Abstrich der dramatisch notwendigen und unvermeidlichen Überzeichnung als nicht unrealistisch zu bewerten: Kolumnisten genießen ein hohes Ansehen, sind fester Bestandteil der Medienkultur und werden entsprechend entlohnt. Zum Verständnis ihrer Arbeit gehört die Tatsache, dass sie ein festes Gehalt beziehen. Die damit verbundene Absicht ist, zum einen, dass sie so an eine Zeitung oder zumindest an einen Arbeitgeber gebunden sein sollen, was nicht zuletzt von wettbewerbstechnischem Interesse ist, zum anderen, dass sie so ihre kreative Freiheit entfalten können. Dementsprechend ist das Einkommen eines Kolumnisten durchaus solide: Das Anfangsgehalt von 17000 $ entwickelt sich sehr schnell zu einem komfortablen Betrag, der je nach Region, Ansehen und Verbreitung der Zeitung zwischen 29000 $ (in einem Provinzstädtchen bei begrenzter Leserschaft) und 60000 $ (etwa in Boston oder Chicago) erreichen kann. New Yorker Kolumnisten verdienen bis zu 80000 $. Hinzu kommen nicht unerhebliche Prämien für besonders erfolgreiche Artikelserien, die sich durch steigende Leserschaft und eine entsprechende Anzahl Leserbriefe etwa verkaufsargumentativ bei Werbepartnern verwerten lassen.
Auch wenn Louboutin-Schuhe und eine 3-Zimmer-Wohnung im Herzen Manhattans also tatsächlich der Fiktion angehören, verfügt ein amerikanischer Kolumnist im Allgemeinen also über gute Arbeitsbedingungen und eine ausreichende finanzielle Sicherheit.

Im Land der Dichter und Denker ist das Bild bei weitem nicht so erfreulich. Kolumnisten werden kaum bis gar nicht als eigene journalistische Kategorie wahrgenommen. Kolumnen werden vorzugsweise nicht Schreibenden, sondern prominenten Namen oder der Reihe nach und mehr oder minder wahllos Honorarkräften überlassen, die sie neben anderen Artikeln übernehmen müssen, wenn sie schon darauf bestehen, von ihrer Schreibe leben zu wollen. Das Ergebnis ist qualitativ entsprechend, und während Kolumnen selbst kleinerer Zeitungen in den USA nicht selten literarischen Wert haben, tut man hierzulande gut daran, sie am besten zu überlesen.

Wie ein Land seine Kolumnisten behandelt, sagt viel über sein ethisch-soziales Wertesystem und sein wirtschaftliches Selbstverständnis aus – vor allem auch über die Ansprüche des Einzelnen, was das eigene Leben betrifft.
Die USA sind als multikulturelles Land mit dem Gedanken vertraut, dass Dinge nebeneinander bestehen können und einander nichts nehmen, sondern bereichern, dass unterschiedliche Betätigungsfelder einen eigenen Wert und einen eigenen Platz in der Gesellschaft haben, dass es daher gute Gründe gibt, Geisteswissenschaftler und insbesondere Schreibende in ihrem besonderen Umfeld der Qualität ihrer Arbeit entsprechend zu bezahlen. Ihr Marktwert definiert sich nicht im Vergleich zur Automobilindustrie oder zur Lebensmittelbranche, sonder innerhalb des eigenen Kulturbetriebs.
In Deutschland haben Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder ein klares Bild dessen geschaffen, was Leistungsethik anzustreben hat und was nicht. Industrielle Produktion wurde zur neuen Tugend und ist es heute noch. Wenn von Bildung die Rede ist, sind künftige Ingenieure oder Naturwissenschaftler gemeint. Intellektuelle werden bestenfalls kritisch beäugt, gar belächelt, nicht selten in Anführungsstrichen geschrieben, Das bereits provinzielle Denken verweigert Kreativen und insbesondere Schreibenden sowohl gesellschaftliche Anerkennung als auch angemessene Bezahlung. Und so lange Kolumnisten nicht dazu beitragen, dass alle ein Auto vor der Tür und eine Mikrowelle in der Küche haben, wird es so bleiben. Ich besitze übrigens weder das eine noch das andere. Ich schreibe lieber.

03/14/10

Textqualität

Jeder, der ein Auto, eine Couch, einen Anzug kaufen möchte, versteht, was es bedeutet, wenn die Werbung zu dem entsprechenden Objekt seiner Begierde in Begrifflichkeiten der Qualität ausgedrückt wird. Es ist auch nicht schwer zu begreifen. Assoziiert werden dabei sehr fassbare und messbare Daten wie Sicherheit, Langlebigkeit des Materials, Komfort, Funktionalität.

Bezieht sich das Qualitätsversprechen auf weniger materielle Dinge, stellt sich schnell heraus, dass der Kunde mangels konkreter Anhaltspunkte aus dem Alltag regelrecht überfordert ist. Für Texte zum Beispiel gibt es keine Skala, die es ermöglichen würde, Kriterien miteinander zu vergleichen. Erschwerend kommt hinzu, dass der primären Beurteilung von Texten (und oft der einzigen, die überhaupt bekannt ist), der Literaturkritik also, in der breiten Masse der Bevölkerung der Ruf der Subjektivität und der Willkür anhaftet. Negative Erinnerungen aus der Schulzeit, in denen schlechte Pädagogen es nicht vermocht haben, als ungerecht empfundene Noten im Schulaufsatz sinnvoll und nachvollziehbar zu begründen, sind schmerzhafte Narben im Gedächtnis vieler und machen es praktisch unmöglich, zu vermitteln, dass die objektive Beurteilung eines Textes in der Tat durchführbar wäre, wenn man es nur wollte.

Auf der verzweifelten Suche nach einer Möglichkeit, den Begriff „Textqualität“ zu interpretieren, greift der Kunde daher auf andere, ihm bekannte Maßstäbe zurück und reduziert sie im Allgemeinen auf Grammatik, Rechtschreibung und soziale Komponente. Ein guter Text ist demnach frei von Tippfehlern, korrekt orthografiert, weist eine den Regeln entsprechende Interpunktion auf und verzichtet auf Kraftausdrücke oder Beleidigungen. Auf diese Weise wird das, was als Mindestanforderung an einen Text anzusehen wäre, auf einmal zum einzigen Auswahl- und Bewertungskriterium.
Da aber davon auszugehen oder zumindest zu hoffen ist, dass von wenigen Ausnahmen abgesehen jeder Textdienstleister diese Grundsätze erfüllt, stellt sich die Frage der Unterscheidung zwischen den verschiedenen Angeboten ungelöst und immer weiter aufs Neue. Im Zweifelsfall wird die Entscheidung durch die Referenzenfrage, durch den Preis oder über den ersten persönlichen Eindruck getroffen.

Für Schreibende, die Wert darauf legen, auf hohem Niveau zu arbeiten, ergibt sich dadurch ein kaum überwindbares Problem: Eine deutliche Positionierung und eine Differenzierung von der sogenannten Konkurrenz wird auch dann mehr als nur schwierig, wenn eben diese Konkurrenz gar keine ist.

Vergleiche aus anderen Bereichen können als eine Art Erste Hilfe-Kasten angesehen werden.
Ein guter Text unterscheidet sich von einem durchschnittlichen Text wie ein Kleid von Dior von C&A-Ware, wie belgische Pralinen von Discounter-Schokolade, wie ein Diamant-Collier von Modeschmuck, wie ein Luxushotel von einer Jugendherberge.
Dieser Wink mit dem Zaunpfahl bietet zumindest einen Vorteil: Er ermöglicht eine sofortige Einordnung des potenziellen Kunden. Wer ihn versteht, wird wahrscheinlich in der Lage sein, mit einigen weiteren Erklärungen an die wirklichen Merkmale der Textqualität herangeführt zu werden. Wer ihn nicht versteht und damit argumentiert, dass er keinen Unterschied zwischen selbst gemahlenem und frisch gebrühtem Espresso einerseits und Instant-Kaffee aus dem Glas andererseits schmecke und dass man somit den Verbraucher nur düpiere, der bei gleichem Produkt für den Markennamen bezahle, darf in Begriffen der Textqualität als beratungsresistent gelten – eine schöne Umschreibung dafür, dass dieser Kunde keinen Geschmack hat und niemals welchen haben wird. Im TextLoft bedeutet dies, dass der Interessent höflich aber dezidiert hinauskomplimentiert wird.

Dabei ist eine Definition von Textqualität recht einfach und besteht aus zwei Aspekten: eine klare und übersichtliche Gliederung, eine differenzierte Sprache.

Eine sinnvolle Gliederung besteht der allgemeinen Meinung entgegen nicht aus den 3 Punkten „Einführung“, „Hauptteil“ und „Schluss“. Dieses mehr hilflose als hilfreiche Konstrukt aus der Schulzeit, das sicherstellen sollte, dass der Schüler niemals vergisst, eine Einleitung zu schreiben, und sein Text in Gottes Namen nicht wie das Hornberger Schießen ausgeht, ist zwar allgemein bekannt, hat mit der wirklichen Textarbeit aber wenig zu tun.

Eine Gliederung soll dem Leser in erster Linie als Reiseführer dienen. Er darf sich an keinem Punkt des Textes fragen müssen, wo er sich gerade befindet und was er dort überhaupt zu suchen hat.
Zudem soll der Aufbau des Gedankengangs mühelos erfasst, verstanden und verinnerlicht werden können. Die Gliederung ist ein Gerüst der Logik.

Der im TextLoft nur zu gern verwendete Vergleich mit Architektur und Innenausstattung mag für die Stammleser dieses Blogs mittlerweile etwas langweilig werden, er verdeutlicht aber sehr genau, nach welchen Kriterien die Gliederung eines Textes beurteilt werden kann und sollte. Sie ist das raum(ein)teilende Element und sollte auch als solches betrachtet werden.
Eine gut geschnittene Wohnung besteht aus klar abgegrenzten Bereichen, die einerseits eine eigene, festgelegte Funktion haben, andererseits die freie Entfaltung des Geschmacks und der Einrichtungsvorstellungen des Einzelnen unterstützen, indem unter anderem Stellflächen ausreichender Größe und viele klare, gerade Linien eine individuelle Möblierung ermöglichen. Diese Maßstäbe lassen sich auch auf eine Gliederung anwenden.

Die Einleitung eines Textes sollte wie die Diele oder der Flur einen einfachen Zugang zum gesamten Haus sowie die Öffnung und Verbindung zu allen anderen Räumen, sprich Kapiteln oder Absätzen, gewährleisten. Ungern betritt man als Erstes die Küche oder das Wohnzimmer, geschweige denn das Schlafzimmer.
Was für ein Haus selbstverständlich ist, sollte für einen Text erst recht grundlegend sein. Unklar, schlecht oder gar nicht gegliederte Texte erkennt man daran, dass weder die Funktion der einzelnen Abschnitte deutlich ist (ist das hier das Kinderzimmer oder der Abstellraum?), noch eine Grundlinie erkennbar ist. Sie verhalten sich bestenfalls wie Durchgangszimmer, in denen eine Abtrennung von Nutzbereichen nur bedingt gegeben ist oder erst mit zahlreichen Hilfsmitteln erreicht werden kann, schlimmstenfalls – ist die Gliederung überhaupt nicht vorhanden – wie ein unaufgeräumter Dachboden, in dem sich alles ungeordnet stapelt, was irgendwann vielleicht nützlich sein könnte – für eine Schnitzeljagd an einem regnerischen Novembertag ganz und gar reizvoll, aber niemand möchte dauerhaft in einem Labyrinth wohnen.

Ebenso wichtig ist der Zuschnitt – also die Form der Räume und ihr Verhältnis zueinander. Es ist kein Zufall, wenn Wohnungen, deren Zimmer in etwa gleich groß und quadratisch sind, auf dem Immobilienmarkt einen höheren Wert haben. Undurchsichtige Strukturen mit vielen Winkeln, engen Bereichen und Hindernissen werden als ungemütlich und unpraktisch empfunden.
In einem Text ist es nicht anders. Die Kapitel und Abschnitte sollten in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, die freie Entfaltung des Gedankens ermöglichen und inhaltlich einwandfrei zuzuordnen sein.

Neben dem Aufbau der Wohnung ist die Inneneinrichtung von entscheidender Bedeutung. Ob der Raum eher zweckmäßig mit wahllos aufgestellten, funktionsbezogenen Gegenständen „gefüllt“ oder aber bis ins kleinste Detail feinfühlig dekoriert wird, entscheidet über den ersten Eindruck und bestimmt, ob Bewohner und Besucher sich wohl fühlen werden. Außerdem ist die Einrichtung auch repräsentatives Element und spiegelt die Einstellung, die soziale Stellung und die Vorlieben der Besitzer wider.

Nicht anders verhält es sich mit Text. Hier steht eine differenzierte Sprache für Niveau, Kultiviertheit und Lebensgefühl.
Ein guter Text unterscheidet sich von einem durchschnittlichen oder schlechten Text also nicht dadurch, dass die primitivsten Gebote der Höflichkeit eingehalten werden, und Sprachniveau ist nicht auf den Verzicht auf Rüpeleien beschränkt. Wer Rechtschreibung als Qualitätsmerkmal für einen Text zur Sprache bringt, würde den Immobilienmakler wahrscheinlich fragen, ob in der Wohnung auch wirklich eine Toilette vorhanden ist oder das Haus ein Dach hat.
Vereinfacht ausgedrückt: Sprache darf dann als differenziert aufgefasst werden, wenn Wortwahl und Satzbau ungeachtet des eigenen Geschmacks von einem breiten, kultivierten, anspruchsvollen Wortschatz und einem Sinn für subtile Nuancen und fein schattierte Unterscheidungen in der Synonymik zeugen.

Die Verbindung von Strukturen – dem Grundriss einer Wohnung und der Gliederung eines Textes – und individueller, ausgesuchter Einrichtung – stilvoller Möblierung und Dekoration und gehobenem Sprachniveau – entscheidet bei Immobilien und Text gleichermaßen über den Marktwert. Minimalanforderungen sollten nur für diejenigen eine Rolle spielen, die sich für gewöhnlich mit eben solchen begnügen.

03/7/10

Ein Text ist kein Reinigungsmittel

TextLoft wirbt mit eindeutigen Botschaften. Begriffe wie Exklusivität, Differenziertheit und Individualität stehen im Vordergrund aller PR-Maßnahmen und auch dieses Blog lässt Zweifel gar nicht erst aufkommen. Zahlreiche plastische bis drastische Vergleiche mit namhaften Vertretern der Haute-Couture und des Designs sowie konkrete Anlehnungen an Bereiche der Innenarchitektur machen deutlich, in welcher Welt sich der potenzielle Interessent hier bewegt.

Mag die wiederholte Betonung der Qualitätsmaßstäbe und des Selbstverständnisses des Unternehmens mitunter überheblich, realitätsfremd und nicht zuletzt penetrant anmuten, sie ändert nichts daran, dass auch der Textkunde heutzutage in erster Linie Verbraucher ist und als solcher längst verinnerlichte Verhaltensmuster schlecht ablegen kann. Erstaunlicherweise betrifft dies weniger die Preisverhandlungen, die in den meisten Fällen fair und angemessen verlaufen, oder die Suche nach dem günstigsten Angebot als vielmehr ein grundsätzliches Missverständnis der Ware „Text“.
Während das TextLoft durch Namen, Motto, optisches Erscheinungsbild und erklärte Positionierung eine im deutschen Sprachraum einzigartige Dienstleitung anbietet, die sich weder in Kategorien noch in Brancheneinteilungen ausdrücken lässt, geht aus vielen Anfragen hervor, dass oft weniger ein Luxusprodukt denn eine Allzweckwaffe angestrebt wird. Erzielt werden soll etwas, das sich am besten für die Homepage, verschiedene Flyer, Handzettel und Anschreiben verwenden lässt. All-in-One.

Das Anliegen ist verständlich und hat am seltensten mit ökonomischen Beweggründen zu tun.
Die Werbung zeigt es – wir können heute mit einer einzigen Flasche in der Hand Bad, Küche, Fenster, Fernseher und Möbel mit modernen Oberflächen erfolgreich von Staub und Keimen befreien und sie sogar zugleich zum Glänzen und Duften bringen.
Der Gedanke hat einen Schönheitsfehler: Ein Text ist kein Reinigungsmittel.

Flyer etwa bestehen aus einer Titelseite und fünf beschriebenen Spalten. Das Format impliziert nicht nur eine Begrenzung der Gesamtlänge, es macht auch eine ausgewogene Auf- und Verteilung der Inhalte erforderlich, die nicht nur von der Papierhöhe, sondern auch von der Reihenfolge bedingt wird, in der der Prospekt aufgefaltet und gelesen wird. Ebenso genügt es nicht, für ein Anschreiben an eine präzise Zielgruppe die eher allgemeinen Informationen einer Internet-Präsenz einfach auf Briefpapier einzukopieren. Form und Inhalt sind in der Textarbeit nicht von einander zu trennen, das Medium ist Grundlage und Kontext einer jeden Konzeptentwicklung. Auch die Wahl von Papier, Farben, Abbildungen und Schriftbild gehören zu den Faktoren des Texterfolgs. Genau so wie eine sehr schöne Frau durchaus lächerlich erscheinen kann, wenn sie overdressed ein Flüchtlingslager besucht oder underdressed auf einem offiziellen Empfang auftritt, muss der Text dem Anlass angemessen sein, für den er verwendet wird.

TextLoft bietet Texte jenseits des Alltäglichen an – Unikate und Sammlerstücke, keine für alles taugliche Sprühflasche.

05/18/09

Die Re-Writing-Lüge

Viele Textschaffende bieten eine Leistung an, die als Re-Writing bezeichnet wird. Doch worum handelt es sich genau? Die Antwort ist einfach: um etwas, was es nicht gibt.
Soll ein Text optimiert werden, handelt es sich um eine Lektoratarbeit. Ist er wirklich so schlecht, dass nichts Brauchbares damit anzufangen ist, ohne Tabula rasa zu machen, hilft es nur, die Inhalte als Stichpunkte zu betrachten und einen ganz neuen Text zu schreiben. Dies ist keine rätselhafte, besondere und eigene Leistung, sondern das, was der Texter jeden Tag tut: schreiben.
Wer ein Haus komplett abreißt und auf demselben Grundstück ein völlig neues baut, ist kein Verbesserungshandwerker, sondern ein Architekt, der seiner ganz normalen Aufgabe nachgeht, und niemand redet hier von Re-Building.

Dass der Begriff von Textarbeitern gern benutzt wird, um den Preis für eine komplexe und zeitintensive Lektoratleistung in die Höhe zu treiben, ist nachvollziehbar. Und was der Textdienstleister kann, beherrscht der Kunde wiederum schon lange – gibt er doch vor, einen fast fertigen Text vorgelegt zu haben, auch wenn nichts davon zu verwenden war.

Vergleicht man hier erneut die Textarbeit mit der Baubranche, käme das Re-Writing in etwa dem Entkernen gleich.
Eine solche Sanierungsmaßnahme mag aus wirtschaftlicher Sicht für den Bauherrn durchaus legitim sein: Der Gesamtabriss wird gespart, es muss kein Architekt beauftragt werden. Dass es sich um eine aus der (finanziellen) Not geborene Lösung, um einen Kompromiss handelt, dürfte ebenso klar sein – und meist haben die vier Wände, die man zu retten versucht, um den ökonomischen Schaden möglichst klein zu halten, selbst schon lange nicht mehr die Qualität, die ein Neubau aufweisen würde. Mit ihren Mängeln wird man leben müssen und kann nur versuchen, sie einzudämmen. Es geht hier um ein „gerade noch tauglich“, um eine letzte Rettungsaktion, die sich auch schnell als Milchmädchenrechnung erweisen kann. Ganz gleich, wie gut das Ergebnis letztlich sein mag, es handelt sich nicht um ein neues, modernes Gebäude, sondern um eine extrem aufwendige Renovierung – schlimmstenfalls mit allen Nachteilen eines Altbaus.

TextLoft versteht sich als kreativer Raum. Hier wird erdacht, erschaffen und geschrieben – und nicht aus einer Hülle mit schlechter Bausubstanz gerade noch etwas hinbekommen. Entkernen ist eine Sache der Bauunternehmer und Handwerker, nicht der Architekten und Designer.

05/3/09

TextLoft ist keine Änderungsschneiderei

Oft werde ich gefragt, ob ich einen Text lektorieren würde. Dass ich es ablehne und TextLoft auch grundsätzlich eine solche Leistung in seiner Werbung überhaupt nicht anspricht, stößt oft auf Unverständnis. Zum einen weil viele Schreibende in der Tat eine sehr breite Palette anbieten, die sich vom Texten über Korrekturlesen bis hin zu Lektorat, Re-Writing und Coaching erstreckt, zum anderen auch weil Textarbeit von den meisten ganz unreflektiert als eine Art Einheitsbrei betrachtet wird, in dem die Aufgabenbereiche nicht wirklich abgegrenzt sind.

Ein Vergleich mit anderen kreativen Berufen ist hier hilfreich: Niemand geht zu Karl Lagerfeld, um sich zeigen zu lassen, wie man Fingerhut und Nadel richtig hält, oder um löchrige Socken stopfen und einen defekten Reißverschluss ersetzen zu lassen. Nicht dass Karl Lagerfeld solchen Aufgaben nicht gewachsen wäre, es ist im Gegenteil anzunehmen, dass er das durchaus ist. Aber nähen lernen können Anfängerinnen auf der Volkshochschule, und für Reparaturen sind eher Änderungsschneidereien zuständig – deren handwerkliche Fertigkeiten in keiner Weise minder wertvoll, solide und vielseitig sind, die aber nichts mit Haute-Couture und Kreation zu tun haben. Um es in eine allgemein verständliche Sprache zu übertragen: Karl Lagerfeld wäre zwar höchstwahrscheinlich dazu in der Lage, aber es ist schlichtweg nicht sein Job, und interessieren würde es ihn auch nicht.

Wer seinen Text zur Lektorierung zu einem kreativen Schreibenden bringt, verhält sich so, als würde er mit einem Topf versalzener Suppe unter dem Arm zu einem Vier-Sterne-Koch rennen und ihn anflehen, schnell zu retten, was zu retten ist.
Natürlich kann man eine misslungene Soße manchmal noch „retten“. Einen schlechten Text auch. Doch gerade in diesem Begriff liegt auch ein Teil der Problematik: „Retten“ bedeutet, aus etwas Schlechtem, Ungenießbarem, etwas Akzeptables zu machen. Akzeptables ist aber für TextLoft kein Qualitätsmaßstab.
Aus schlechten Zutaten lässt sich kein herausragendes Gericht zaubern, aus Tiefkühl-Früchten entsteht keine aromatische Marmelade, sondern fades Discount-Einerlei. Wenn die Rohstoffe nicht stimmen, ist das Ergebnis nur mittelmäßig, das weiß schon ein Koch-Lehrling. Bei der Textarbeit lässt sich eine schlechte Ausgangsware nur durch Vertuschung, Abstriche und Flickwerk, durch Kompromisse zu etwas Brauchbarem verwandeln. Aber „essbar“ ist nicht „köstlich“. Noch einmal: Sockenstopfen ist nützlich, aber kein Mode-Design – und auch hier sollte man die sprichwörtlichen Äpfel nicht mit Birnen vergleichen.

Ein guter Lektor muss zudem Eigenschaften mitbringen, die dem kreativen Schreibenden gänzlich fremd sind, ja gar seiner eigentlichen Tätigkeit im Wege stünden.
Dazu zählen zum Beispiel selbstverleugnerische Geduld und ein bewundernswertes diplomatisches Geschick. Es ist alles andere als einfach, einen Kunden, der zwar keine textpsychologischen oder stilistischen Kenntnisse besitzt aber von dem eigenen Satz so überzeugt ist, wie man es nur sein kann, eitelkeiten- und egoschonend zur Einsicht zu bringen. Es erfordert eine geradezu mütterlich-seelsorgerische Begabung, einem unbeholfenen Text positive Aspekte abzugewinnen, nur um den Kunden nicht zu verletzen. Die Wahrheit – in den meisten Fällen nämlich, dass der Text bei aller Liebe und Nachsicht den direkten Weg in die Rundablage nehmen sollte, weil er beim Leser die unangenehme Erinnerung an den typischerweise von einem Zahnarztbohrer verursachten Schmerz wachruft (das Bild von Fingernägeln auf einer Schiefertafel mag zuweilen treffender sein) – darf ein guter Lektor nicht aussprechen, er darf sie im Grunde nicht einmal denken.
Lektoratarbeit, wenn sie richtig verstanden wird, erfordert außerdem und paradoxerweiser ein erstaunliches Durchsetzungsvermögen – nicht zuletzt in kaufmännischer Hinsicht. Zu vermitteln, wie notwendig eine Textänderung ist, ist eine oft gesprächsintensive und kraftraubende Machtprobe.
Der Kreative wäre hier fehl am Platz. Er taugt zum nicht Therapeuten, er ist Künstler – auch wenn sein Schaffen abstrakter bleibt als auf die Leinwand aufgetragene Farbe.
Auch in anderer Hinsicht ist der kreative Schreibende per se ein schlechter Lektor – neigt er doch dazu, im Zweifelsfall zu glauben, dass eine stilistische Abweichung gewollt und durchdacht ist, weil er sich selbst solcher bedient. Zum Lektorat gehören – von den besagten schweren Fällen abgesehen, in denen der Text wirklich sehr schlecht und nicht zu gebrauchen ist – eine gewisse Anmaßung und der Glaube, die textliche Wahrheit gepachtet zu haben, die in der Regel der natürlichen Demut des Künstlers entgegenstehen, der allen ästhetischen Welten offen und (zu) tolerant gegenübersteht. Lektorat unterscheidet sich dahingehend von Textkritik, Rezension oder Kunstkritik, dass es die eigene Meinung nicht nur äußert und für einen Leser als Alternative und Denkanstoß vermittelt, sondern den eigenen stilistischen Geschmack subjektiv und gewaltsam durchsetzt – mit welchem Recht auch immer. Grenzfälle wie Texte von Designern oder Architekten, die ihre eigenen semantischen und stilistischen Gesetze haben, würde ein Kreativer aber als Ausdruck und Teil des Designs und des Zeitgeists betrachten und niemals zu dem machen wollen, was die allgemeine Öffentlichkeit als „richtiges“ oder „verständliches“ Deutsch betrachtet. Er wäre also für diese Aufgabe die falsche Besetzung.

TextLoft übernimmt keine Lektorat- und keine Korrektorat-Aufträge. TextLoft erschafft Texte. Weil Karl Lagerfeld keine Änderungsschneiderei betreibt.