Die Sache mit den Bildchen

Bilder beherrschen in unserer Zeit die private und berufliche Kommunikation mehr als je zuvor. Lediglich die Vorgeschichte könnte hier als Ausnahme gelten, müssten Wandmalereien nicht als Vorstufe zur Schrift verstanden werden. Anstatt Briefe werden Fotos verschickt, es wird mehr auf Pinterest oder Instagram gepostet als auf Twitter, telefoniert wird über Skype, gechattet wird nicht mehr an der Tastatur, sondern mit Webcam, ganze Lebensgeschichten werden nicht mehr in Tagebüchern, sondern auf YouTube festgehalten, und Werbeslogans werden bei weitem nicht so intensiv rezipiert wie die Filme, die sie untermauern. Rein visuelle Elemente sind so selbstverständlich geworden, dass sie als eine Art Bringschuld betrachtet werden. So fragte mich eine ältere und langjährige Kundin kürzlich, warum im ganzen Internet keine Fotos von mir zu finden seien.

In der Tat ist dies eine ganz absichtliche Vorgehensweise – geradezu eine Bekenntniserklärung.
Das TextLoft ist ein virtueller und somit geschützter Raum, ein Projekt, und soll virtuell bleiben. Im Mittelpunkt sollen weder ein konkreter Ort noch eine konkrete Person, sondern die Texte stehen. Sie sollen für sich sprechen, Assoziationen und Vorstellungen hervorrufen, sie sollen unbeeinflusst von Ablenkungen gelesen, beurteilt oder bestenfalls genossen werden. Wer sie schreibt oder wo, soll unwichtig sein und bleiben. Dies gehört ebenso zum Konzept von TextLoft wie der Name selbst – und deshalb ist sowohl von TextLoft als auch vom TextLoft die Rede.
Sicherlich mag es Interessenten geben, die sich im Zweifelsfall deshalb gegen TextLoft entscheiden. Ihr Bedürfnis, zu wissen und zu sehen, mit wem sie es zu tun haben, ist durchaus legitim, aber wenn sie nicht in der Lage sind, die Antwort auf diese Frage in meinen Texten zu finden, haben sie nicht verstanden, was TextLoft ist, und haben hier auch nichts zu suchen. Letztlich würde eine Zusammenarbeit nicht funktionieren, denn sie setzen die falschen Prioritäten. Zu den größten Komplimenten, die ich je über meine Arbeit bekommen habe, gehört der Satz „Wenn ich nicht wüsste, ob du ein Mann oder eine Frau bist – an deinen Texten würde ich es nicht merken.“ So soll es sein: Wer meine Arbeiten liest, soll nicht an mich denken oder über mich nachdenken, sondern idealerweise nur den Text genießen.
Manche werden diese Geisteshaltung sicherlich als ewig gestrig, wirtschaftlich unklug und menschlich arrogant betrachten. Es steht ihnen zu. In Wirklichkeit geht es um Selbsttreue und Selbstachtung – schlichtweg um Grenzen. Bei allem Bestreben, die eigene Existenz zu sichern, muss es erlaubt sein, zwischen Kundenfreundlichkeit einerseits und sinnloser Prostitution und Selbstverleugnung andererseits zu unterscheiden. TextLoft wurde nicht gegründet, um es jedem und allen recht zu machen, sondern um eine bestimmte Auffassung von Text auszuleben und durchzusetzen. Wird diese Linie verlassen, die das Markenzeichen von TextLoft ist, wird das ganze Projekt ad absurdum geführt, und der kaufmännische Erfolg käme in diesem Fall einem Scheitern gleich.
Es geht aber auch um Seriosität. Die systematische Einhaltung des TextLoft-Gedankens soll dafür sorgen, dass Erwartungen und Produkt im Einklang stehen. Eine Pizzeria, die Currywurst anbietet, mag mehr Umsatz erreichen, aber sie ist kaum vertrauenswürdig und als Pizzeria kaum ernst zu nehmen. Ein seriöser Gast, der ein solches Lokal betritt, würde sich zurecht verunsichert und schlecht aufgehoben fühlen. Es ist in der Textwelt nicht anders als in der Gastronomie: Wer hierherkommt, hat ein Recht darauf, zu wissen, was er bekommt.

Herrschen im TextLoft also ikonophober Starrsinn und Rechthaberei? Nein. Wer wissen will, mit wem er es zu tun hat, findet seit einiger Zeit unter ÜBER einen Kurzlebenslauf. Es ist ein akzeptabler Kompromiss: Wenn auch ein Werdegang nicht das geringste darüber sagt, ob und wie jemand schreiben kann, so ist zumindest eine textliche Antwort auf die Bildchenfrage gegeben.

NACHTRAG: Wer meinen Namen im Internet sucht, bekommt je nach Suchmaschine tatsächlich Bilder von unterschiedlichen Personen zu sehen. Teilweise handelt es sich um Kunden, für die ich geschrieben habe und die auf ihrer mit mir verlinkten Website ein Foto von sich oder eines Mitarbeiters gepostet haben, teilweise schlicht um einen Fehler der Suchmaschinen, die Inhalte fälschlicherweise miteinander verknüpfen. Ich kann es leider nicht unterbinden oder Einfluss darauf nehmen. Es steht aber fest: Es ist KEIN Bild von mir im Internet zu sehen.