Sabine Harmand – Die Verwundbarkeit des Augenblicks

Rau ist die Bretagne, die die deutsche Malerin Sabine Harmand zu ihrer Wahlheimat erkoren hat. Doch ihre Gemälde erzählen nicht von beständigen Klippen, steilen Felsen und unzähmbaren lauten Brandungen. Einschüchternde Naturgewalten sind ihnen fremd.

Die Landschaften der Sabine Harmand sind weitläufig fragil und überwältigend entblößt. Wasser und Himmel sind allgegenwärtig, oft still, nachdenklich. Menschen finden sich dort wenn überhaupt nur als Zeichen und Spuren wieder: Lediglich seltene Häuser und Boote erinnern gelegentlich an sie. Der Pinselstrich ist lebhaft, nimmt sich jedoch zurück und deutet mit beinahe ungläubiger Bewunderung, mit demütigem Staunen an. Die Ausdrucksstärke dieser Bilder liegt in dem impressionistischen Blick, der hungrig die Verwundbarkeit des Augenblicks festzuhalten versucht. Der eigentliche Gegenstand ist immer gerade das Implizierte, das Detail zu Zeit werden lässt.

Ziehen sich die Bilder ins Innere des Hauses zurück, werden die Motive zart, geradezu filigran. Von Stillleben kann nicht die Rede sein. Vergebens sucht man nach Arrangements und Kompositionen. Zufällig gepflückte Wildblumen in schlichten Glasvasen zittern noch im leichten Windhauch der Hand, die sie soeben noch berührt hat. Bescheidene Gartenpflanzen in ländlichen Tongefäßen zeugen von einer unaufgeregten, charmant tapferen Zerbrechlichkeit. Ihre schüchterne Vergänglichkeit gibt sich kostbar, fröhlich und selbstbewusst.

Die Bilder der Sabine Harmand sind mehr als nur Momentaufnahmen. Sie fangen die stetigen und fast unmerklichen Bewegungen der Natur ein und bewahren sie in ihrer flüchtigsten Form – in der Sekunde, in der sie sich auflösen und erschließen. Es ist eine nüchtern-sensible und höchst differenzierte Kunst, die kraftvoll die Verletzlichkeit des Augenblicks zelebriert.

TEXTDATEN:
Werkporträt.
Themenbereiche: Kunst
Textart: Artikel
Textfarben: bronzegrün