Spätestens seit dem Erfolg der US-amerikanischen Fernsehserie “The Big Bang Theory” haben wir gelernt, dass Sonderlichkeiten durchaus als Publikumsmagnet fungieren können – wenn auch in diesem konkreten Fall zugegebenermaßen mit tatkräftiger Hilfe einfallsreicher Autoren.
Aber auch im echten Leben halten Eigenarten allenthalben Einzug und sind mitunter sogar ausdrücklich erwünscht: In Bewerbungen und Online-Profilen etwa geben sich die skurrilsten Hobbys unterscheidend und persönlichkeitsstiftend. Es heißt, Personalchefs würden sie wohlwollend registrieren.
Papier kommt dieser Trend zugute.
Während Vintage und Retro eher der fad-spießige Beigeschmack gefühlsübersteigerter Nostalgie anhaftet, entdecken Blogs und Social Medias Papier als spleenige Coolness neu und integrieren es in das eigene Erscheinungsbild. Immer mehr Blogger wünschen sich Themes, die Papier, Bücher, Hefte oder Schreibblöcke als Hintergrund nachbilden, und verzichten dabei offenbar leichten Herzens auf viele üblich gewordene Funktionen, um die Illusion zu verstärken.
Die relativ neue Plattform lettrs propagiert ganz zwanglos und sehr zeitgemäß die aufregende Verbindung von eMail und Schneckenpost.
Waren Blogs über Notizbücher und Handschrift vor kurzem noch in erster Linie Nischenseiten von Sammlern für Sammler oder vermeintlich ewig gestrige Technikverweigerer, so steigen sie heute oftmals zur identitätsrelevanten Selbstverständlichkeit auf. Das alte Medium ist nicht mehr peinlich, vielmehr wird mit ihm selbstbewusst kritisches und vorausschauendes Denken, Individualität und Abgeklärtheit demonstriert. Die Schrulle wird nicht nur salonfähig, sie wird dezidiert gepflegt und eingesetzt. Unkompliziert wird unterstrichen, dass analoge und digitale Welt keine notwendigerweise antinomische Beziehung führen müssen, und der regelrecht konfessionelle Entscheidungszwang, der noch vor wenigen Jahren besiegelt schien, ist überholt.
Out ist also das neue Cool und darf somit in vollen Zügen ausgelebt werden.