Meg Hitchcock – am Anfang war das Wort

Den Ansatz eines Künstlers als einzigartig zu bezeichnen, ist ein Gemeinplatz. Bei Meg Hitchcock aber verbirgt sich hinter der Binsenweisheit mehr, als auf den ersten Blick scheinen mag.

Die Vielschichtigkeit ihres Werkes ergibt sich sowohl aus ihrer Collage-Technik und der filigranen und geduldigen Präzision ihrer Ausführung als auch aus der obsessiven Botschaft der fertigen Bilder.

In ihrem Werk verschmelzen Material und Ziel auf allen Ebenen. Im Mittelpunkt steht der Text in seiner menschheitsübergreifenden Bedeutung und Wirkung. Mit medizinischer Akribie wird er zerlegt, seziert, auf die Summe seiner grafischen Elemente reduziert, die nun als Potential, und doch bar ihrer Jungfräulichkeit, zurückbleiben. Ausgangs- und Ankunftspunkt sind heilige Schriften: Bibelstellen werden zu Koranversen, Zeilen der Thora zu Mantras … Immer wieder neue, unzählige Kombinationen entstehen. Aus den Buchstaben erwächst wieder die Linie aus Text, die zum verwobenen Faden, zum Strich, zur verdichteten und mehrdimensionalen Struktur werden kann. Die im doppelten Sinne meditative Arbeit lässt die Grenzen der Spiritualitäten verschwimmen, der Textfluss wird reißend, verschlingt sich zu festen, steinern-geschmeidigen Figuren. Jenseits des intellektuell-religiösen Weges wird die sakrale Absicht optisch transzendiert.
Die Tiefe und Komplexität des künstlerischen Ansatzes, der auf unvergleichliche Weise die gebieterische Dringlichkeit des inneren Bedürfnisses mit der erfüllenden und stets neu gesuchten Ruhe der Meditation vereint, sollte jedoch nicht die rein ästhetische, immanente Schönheit dieser Werke vergessen lassen.

Meg Hitchcocks Kunst-Credo und viele ihrer Werke sind auf ihrer Homepage zu sehen. Ebenfalls sehr empfehlenswert sind ihr Blog und ein wunderbares Interview mit der Künstlerin anlässlich ihrer ersten Installation im Februar 2011.

Meg Hitchcock hat freundlicherweise die Veröffentlichung von Bildern ihrer Werke auf Papier-Tinte-Schrift genehmigt. Hierfür danke ich sehr herzlich. Die Urheberrechte für alle hier gezeigten Bilder verbleiben bei der Künstlerin.

Gloria Patri, 2011. Die Buchstaben wurden aus dem Koran ausgeschnitten.

Gloria Patri, Detailbild

Exordium, 2010. Das Exordium ist das erste Kapitel des Korans. Die Buchstaben wurden aus der Bibel ausgeschnitten.