„Notizio“ von Avery Zweckform

Avery Zweckform ist in der allgemeinen Vorstellung untrennbar mit dem Thema „Büro“ verbunden. Etiketten, Visitenkarten, Formularblöcke … sollen – der Markenname macht es deutlich – bei zuverlässiger Qualität in erster Linie alltagstauglich sein und Unternehmen eine gute Arbeitsgrundlage sowie Verbrauchern professionelle Hilfsmittel zu einem angemessenen Preis bieten.
Notizbücher wiederum entwickelten sich nicht zuletzt in den letzten Jahren ungeachtet ihres tatsächlichen Nutzens und einer sehr breit gefächerten Preisspanne zu einem Lifestyle-Element. Neben der mitunter penetranten, doch zugegebenermaßen schlüssigen Marketingstrategie großer Marken kommt ihnen die Tatsache zugute, dass sie im digitalen Alltag eine Alternative, eine (selbst)bewusste Entscheidung darstellen. Sie stehen auch für entschleunigtes, vernunftorientiertes Arbeiten. Ein Notizbuch ist heute kein Muss, sondern ein Möchte. Es liegt also die Vermutung nahe, dass Avery Zweckform sich mit „Notizio“ schon gedanklich an einen Spagat wagt: Die Verbindung der traditionellen, unerschütterlich sachlichen Praxisorientiertheit der bisherigen Produktlinien mit der praktischen Individualität eines zunehmend emotional geprägten Gegenstands.

Vorab ist zu erwähnen, dass „Notizio“ kein Notizbuch ist, sondern eine Notizbuchreihe. Sie enthält Produkte mit Karton- und Kunststoffeinband, Hard- und Softcover, gebunden oder mit Doppelspirale. Die Ausstattung – innere Einstecktasche, Stifthalter, … – fällt je nach Variante unterschiedlich aus. Allen gemeinsam sind das Verschlussband und das Papier.

Ich erhielt für den Test das spiralgebundene Notizbuch mit Kunststoffeinband in DIN A5 kariert (Artikelnummer 7031).

Der Kunststoffeinband ist hochwertig und in der Haptik deutlich angenehmer als anzunehmen wäre. Allerdings verleiht er dem Notizbuch eine ausgeprägte „Büro- und Studium“-Note, die doch sehr ernüchtert.
Das Vorsatzblatt aus weißem Karton, das gleichzeitig auf der Rückseite die Einstecktasche aufweist, verstärkt diesen aufgabenbezogenen Eindruck noch. Die vorbestimmte Betitelung und das vorbereitete Inhaltsverzeichnis, das die Farben des versetzbaren Registers aufgreift, gehören mehr in den Bereich Aktenbeschriftung, als dass sie die freie Gestaltung unterstützen würden, die man gemeinhin von einem Notizbuch erwartet.

Nicht unklug ist das Angebot eines herausnehmbaren Registers, das nach Belieben versetzt oder vollkommen entfernt werden kann. So kann das Heft variabel für verschiedene Themen genutzt werden, ohne dass man sich auf eine – später vielleicht ungenügende oder im Gegenteil zu großzügige – Seitenmenge festlegen muss.

Die Seiten zeichnen sich ebenso durch kleine Details aus, die die Kernkompetenzen von Avery Zweckform vertraut widerspiegeln. Sie können dank der Mikroperforation herausgetrennt werden und sind gelocht – eine chronologische Verwendung des „Notizio“ kann also umgangen bzw. unterbrochen werden, wenn sie nicht länger gewünscht oder sinnvoll sein sollte. Ausreißhilfe und Kopfzeilenbereich sollen die Arbeit auf ästhetisch ansprechende Art erleichtern und steuern.
Anzumerken ist, dass das sehr weiche Papier der Qualität der Mikroperforation abträglich ist. Selbst wenn das Blatt an der Trennlinie sorgfältig vorgefaltet und angedrückt wird und die Bindeleiste während des Heraustrennens festgehalten wird, kann diese leicht reißen. Außerdem franst die Abrisskante leicht aus und könnte sauberer ausfallen.
Das Papier hat mit 90 g einen ausgewogene und für das tägliche Schreiben angenehme Grammatur. Die Oberfläche eignet sich hervorragend für Kugelschreiber und gut für Füllfederhalter. Selbst pigmentreiche und schwere Tinten scheinen nicht durch. Die matte, weiche Haptik ist glatt genug für einen sehr guten Schreibkomfort, und das Papier blendet nicht.
Die Besonderheit der „Notizio“-Reihe unterstreicht der Werbeslogan „Dunkle Linien stören – weiße nicht!“ Nun muss ein wenig differenziert werden. Beim Lesen eines auf „Notizio“-Papier geschriebenen Textes werden die Linien in der Tat vom Auge kaum wahrgenommen. Im Gegenzug ist beim Schreiben unbedingt eine ideale Beleuchtung erforderlich, sonst verschwinden die weißen Linien auf dem hellgrauen Papier, während der Blick nur die eigene Handschrift erfasst. Die besondere Erfindung gerät also zum zweischneidigen Schwert.

Insgesamt erscheint „Notizio“ weniger als Notizbuch, denn vielmehr als Notizheft. Es ist ein zuverlässiges Werkzeug für Büro und Studium, und kann als hochwertiger Collegeblock mit einigen Schwächen bezeichnet werden. Die vielbeworbenen weißen Linien sind mindestens gewöhnungsbedürftig, schlimmstenfalls kontraproduktiv, und kommen über den Gadget-Charakter nicht wirklich hinaus. Für Notizbuchanfänger mag die Alltagsbezogenheit durchaus attraktiv sein – vor allem, wenn edlere Produkte als einschüchternd empfunden werden sollten. Jedoch vermittelt „Notizio“ in keiner Weise das Gefühl, das mit dem Gebrauch traditioneller Notizbücher verbunden ist.
Es passt gut zu der Produktpalette und den Kernkompetenzen der Marke Avery Zweckform, gehört aber weniger zum Themenfeld „Notizbuch“.

Eine Rezension der gebundenen Variante – zudem mit sehr schönen Bildern – ist bei Marcus auf der Notizbuchseite zu finden

Verpackt

Ausgepackt

Das Vorblatt

mit Tasche

Register


Die Seiten

Ausreißhilfe und Mikroperforation





Die Linien

Verschlussband

Mit Text