Empirische Methodologie zur Prüfung einer Tinte – Teil II

Teil II: Das Grundmuster

Für das Grundmuster eignet sich ein DIN-A-4-Blatt am besten.
Zunächst sollte mit einem fast gesättigten Aquarellpinsel (bzw. einem runden Pinsel guter Qualität) der Stärke 12 am linken Rand des Blattes eine etwa 3 bis 4 cm breite Tintenspur von oben nach unten gezogen werden. Dies ermöglicht nicht nur eine erste Beurteilung des Farbtons an sich, hierdurch wird auch sichtbar, wie sich Pigmentdichte und -verteilung auf das tatsächliche Verhalten im eigenen Schreibgerät auswirken werden. Ist die Farbintensität im unteren Teil der Spur nicht viel schwächer als im oberen Teil, ist auch zu erwarten, dass sich die Farbe später relativ konstant in diesem Bereich bewegt. Ist im Gegenteil das Ende der Tintenspur wesentlich heller und erscheint es transparent oder gar wässerig, ist anzunehmen, dass die Tinte bei schmaleren Tintenleitern und z.B. F-Federn, aber auch unter Umständen bei sehr schnellem Schreibfluss und sehr langem Schreiben eher der blassen Variante entsprechen wird.
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Nicht unwichtig kann die „Lauflänge“ der Tinte sein. Viskosität etwa, oder auch Pigmentierung, haben eine direkte Auswirkung auf Trocknung und Fließverhalten. Um zu sehen, ob eine Tinte eher lang- oder kurzläufig ist, sollte versucht werden, einen kleinen Absatz mit dem Glasstift zu schreiben. Die Lauflänge einer Tinte steht nicht nur mit dem Verbrauch in Zusammenhang, sondern – zum Beispiel bei Verwendung einer Stahl- oder Zeichenfeder anstatt eines Füllfederhalters – mit dem Schreibkomfort: Je schneller eine Tinte am Glasstift austrocknet, um so häufiger muss später auch die Feder eingetaucht oder der Konverter nachgefüllt werden. Nicht zuletzt droht ein länger nicht benutzter Füller zu verstopfen. Die Lauflänge einer Tinte ist bei weitem nicht allein von ihrer Dichte, sondern auch von vielen anderen chemischen Faktoren abhängig, so dass sich nicht zwangsläufig aus ihrer optischen Erscheinung rückschließen lässt, wie sie sich beim Schreiben verhalten wird. Der Test mit dem Glasstift ist hier zuverlässiger und im übrigen schnell durchzuführen: Bereits 3 bis 4 Zeilen genügen, um ein Gefühl für die Lauflänge der Tinte zu ermitteln.

Bevor mit dem eigentlichen Schreibgerät getestet wird, sollte geprüft werden, wie sich die Tinte unter optimalen Flussbedingungen farblich entwickelt. Hilfreich ist hier das konsequente Schreiben eines längeren Absatzes oder gar eines ganzen Textes mit der Zeichenfeder. Eventuelle Eigenheiten oder Fehler, die von Feder, Tintenleiter oder Konverter verursacht werden könnten, werden so vollständig vermieden, und die Tinte zeigt ihr wahres Gesicht, was Farbe, Lauflänge, Fließverhalten, Geruch und Trocknung betrifft.

Danach sollte ein längerer Text – vorzugsweise bis zum unteren Seitenrand – durchgehend mit dem Schreibgerät geschrieben werden, in oder mit dem die Tinte später verwendet werden soll.

Tipp:
Auf der Rückseite des Grundmusters Hersteller und Farbe sowie das verwendete Schreibgerät notieren … und das Grundmuster archivieren.