Die Wahl des richtigen Schreibgeräts – Teil III

Teil III: Der Kauf im Geschäft – ein widersprüchliches Unterfangen

Wie bei Schuhen auch ist das An- bzw. Ausprobieren eines Füllfederhalters im Geschäft zwar unerlässlich, aber nicht wirklich aussagekräftig und dient lediglich einer ersten, sehr groben Auswahl: So werden die Kandidaten aussortiert, mit denen man auf gar keinen Fall zurechtkäme, aber ob und mit welchen der übrigen sich eine dauerhafte Freundschaft schließen ließe, bleibt oft ungewiss.
In der Tat sind die Testbedingungen beim Kauf in jeder Hinsicht verfälschend – und das hat mehrere Gründe.

In den meisten Geschäften findet die erste Begegnung mit dem Schreibgerät an einer als Theke gestalteten Vitrine statt, auf der Block und Tinte bereitstehen, was beinhaltet, dass im Stehen geschrieben werden muss. Durch diese unnatürliche Schreibhaltung ist auch der Winkel zwischen Arm und Schreibunterlage und somit zwischen Feder und Papier unrealistisch. In wirklich guten Schreibwarengeschäften stehen Tisch und Stuhl in einer ruhigen Ecke zur Verfügung, aber sie sind eher die Ausnahme. Vielen Händlern ist an einem schnellen, unkomplizierten, nicht allzu ausführlichen und vor allem erfolgreich abgeschlossenen Verkaufsgespräch gelegen und sie sehen es nicht gern, wenn ein Kunde den Mantel ablegt und sich allzu gemütlich niederlässt.
In diesem Zusammenhang spielt auch der Zeitfaktor eine Rolle. Um einen Füller richtig zu beurteilen, sind mehrere Stunden oder sogar einige Tage nötig. Die wenigen Minuten, in denen sich der potentielle Käufer im Geschäft mit dem Gerät beschäftigen kann, genügen bei weitem nicht, um einen einigermaßen konkreten Eindruck zu bekommen, und dürfen durchaus als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein betrachtet werden. Treuen und vertrauenswürdigen Kunden wird gegen das Versprechen, ausschließlich blaue löschbare Tinte zu verwenden, erlaubt, das Schreibgerät für zwei oder drei Tage nach Hause mitzunehmen, doch gerade Erstkäufern wird diese Möglichkeit aus naheliegenden Gründen nicht eingeräumt.

Werden Schreibhaltung und Testdauer grundsätzlich außer Acht gelassen, wird wiederum und kaufmännisch nachvollziehbar, wenn nicht legitim, Wert darauf gelegt, die Kaufentscheidung auf anderen Wegen ohne Rücksicht auf die Echtheit der Schreibbedingungen positiv zu beeinflussen, ja zu erzwingen.
Das Papier, das offen zur Verfügung steht, ist von so idealer Qualität, dass eine objektive Wahrnehmung der Federeigenschaften schlicht nicht möglich ist. Auf diesem – oft von den Herstellern selbst ausgesuchten – perfekten Untergrund gleitet die schlechteste Feder mühelos. Um dieser Verkaufsfalle zu entkommen, empfiehlt es sich, eigenes Papier mitzubringen. So kann die Feder in Zusammenhang mit dem Papier erlebt werden, mit dem sie später im wirklichen Leben verwendet werden soll. Eine Möglichkeit ist auch, vor Ort einen kleinen Schreibblock zu kaufen, damit das Papier noch originalverpackt ist, und der Verkäufer nicht argumentieren kann, Verschmutzungen könnten auf die Feder übertragen werden. Neben handelsüblichen Brief- und College-Blöcken eignen sich Moleskine-Hefte oder gewöhnliche Kalender. Betont der Verkäufer, dass das Schreibergebnis auf so durchschnittlichem Papier nicht optimal ausfallen kann, stimmt vermutlich etwas mit der Feder nicht. Verbietet er sogar die Verwendung eines anderen Papiers, selbst wenn es nachweislich sauber und allgemeintauglich ist, ist es sinnvoll, ein anderes Schreibwarengeschäft aufzusuchen.

Tragischerweise kann beim Kauf gerade die wichtigste Eigenschaft des Füllfederhalters nicht getestet werden: die Qualität des Tintenleiters bzw. seiner Zusammenarbeit mit der Feder.
Die Auslegung des Tintenleiters bestimmt viele Dinge, die Schreibbild, Schreibkomfort und Zuverlässigkeit unmittelbar beeinflussen: Wie schnell mit dem Füller geschrieben werden kann, ohne dass der Tintenfluss aussetzt; wie viel Tinte in Zusammenhang mit der Federbreite abgegeben wird, also wie satt der Strich bei gleicher Federbreite ausfällt; wie der Füller mit Tinten unterschiedlicher Pigmentdichte reagiert; wie ansatzlos der Füller nach längeren Pausen schreibt; wie er auf Tintenwechsel reagiert; ob er leckt oder schnell verstopft.
Da im Geschäft die Feder verständlicherweise nur in ein Tintenfäßchen getaucht werden darf, sind gerade die wichtigsten Kriterien ein Glücksspiel. Jeder Kauf ist also ein ambivalentes Unterfangen – wie bei besagten Schuhen auch stellt sich erst heraus, dass man sich falsch entschieden hat, wenn es zu spät ist.

Wie ein Füller idealerweise getestet werden sollte, wird Gegenstand der nächsten Artikelreihe sein.