Papierwaren: Von Schrullen und Nöten

Wenn es um Schreibwaren geht, bin ich entsetzlich kleinlich, wählerisch und unflexibel. Ich habe sehr festgefahrene Gewohnheiten und werde unleidlich, wenn ich sie nicht ausleben kann. Meine Papierwaren müssen meinen sehr eng gefassten ästhetischen Maßstäben gerecht werden, welche wiederum bei weitem nicht für jeden – wohl eher für überhaupt niemanden – nachvollziehbar sind.

Der Grund dafür liegt in der Natur der Sache: Jeder Schreibende braucht für seinen Arbeitsprozess bestimmte Grundbedingungen. Manch einer kann Lärm nicht ertragen, ein anderer schreibt nur an der frischen Luft, andere erschaffen sich Rituale, indem sie zum Beispiel zu festen Tageszeiten arbeiten, immer dieselbe Schreibmaschine verwenden oder nie zu schreiben beginnen, ohne eine Tasse Kaffee oder Tee zur Hand zu haben. Was sich dahinter verbirgt, ist ein Grundbedürfnis und ein Allgemeinplatz: Schreiben ist nur möglich, wenn der Kopf frei ist und alles „stimmt”.

Bei mir ist der entscheidende Faktor das „Werkzeug” im erweiterten Sinne. Wenn es nicht passt, wenn es auf unangenehme Weise die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, anstatt mit mir und meiner Denkweise zu verschmelzen, erfüllt es seine Aufgabe nicht. Dabei kann es um konkrete praktische Funktionen gehen, oder aber ebenso um Dinge, die das Auge – genauer gesagt in diesem Fall mein ziemlich überspitztes und ganz und gar kompromissfremdes Schönheitsempfinden – stören. Das, was ich zum Schreiben, aber auch für die Verwaltung meiner Arbeit (be)nutze, muss also mit mir im Einklang sein, damit ich mich wohlfühle und unbeschwert schreiben kann.

Diese seltsame Eigenart kann zu langwierigen Suchabenteuern führen, neben denen die Prüfungen eines Parzival und die Forschungen eines Indiana Jones wie ein gemütlicher Sonntagsspaziergang anmuten. So habe ich etwa dreißig verschiedene braune Tinten ausprobiert, bevor ich Diamines Row Sienna entdeckte, die allerdings „nur” zu 95 % der Idealfarbe gleichkommt. Den perfekten Aktendeckel – cognacfarben und aus einer sehr präzisen Kartonqualität muss er sein – suche ich noch immer; es gibt ihn, nur nicht in Deutschland oder von Deutschland aus zu kaufen.

Habe ich wiederum „das Richtige” für mich gefunden, entsteht eine sehr innige Verbindung, die, wenn es nach mir geht, ein Leben lang andauern kann. Problematisch wird es, wenn ein solches Lieblingsprodukt eines Tages vom Markt genommen wird, ohne dass ich die Möglichkeit habe, einen ausreichenden Vorrat anzulegen.
So gab es in der 80er-Jahren in jedem Copy-Shop bestimmte Karteikastenregister aus Pappe, die in den Farben rosa, blau, grau, gelb und grün in beschrifteter und unbeschrifteter Variante angeboten wurden. Für meine Bedürfnisse und meinen Geschmack waren sie perfekt. Als ich in diesem Jahr versuchte, genau diese Reiter nachzukaufen, stellte ich mit Entsetzen fest, dass es sie nicht mehr gibt. Mit den verschiedentlich angebotenen Scheußlichkeiten aus Holz, Plastik oder Spanmaterial konnte ich mich nicht anfreunden. So griff ich in Ermangelung passenden Werkzeugs und Ausgangsmaterials zum Trost zumindest zu einem schönen Karton.

Aus Römerturms Die Natürlichen in der Variante Stroh, einem minimalistisch gerippten Naturkarton mit Einschlüssen aus echtem Stroh, entstanden für meinen Blogplan 2014–2015 diese Trenner.

Was soll man sonst tun, wenn aus der Schrulle Not wird?

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