LAMY 2000 Ganzmetall

Der LAMY 2000-Füllfederhalter ist in vielerlei Hinsicht als Klassiker zu bezeichnen. Sein zeitlos funktionales, mehrfach preisgekröntes Design macht ihn seit 1966 zum vielleicht wichtigsten Botschafter der Marke LAMY, deren Renommee und Marktstellung er in nicht unerheblichem Maße mitbegründet hat – und für Liebhaber einzigartiger Schreibgeräte zu einem ungebrochen begehrten Kult- und Sammelobjekt. Seit etwa einem halben Jahr ist er nun als Ganzmetall-Ausgabe in Edelstahl erhältlich, und ich bekam ganz unverhofft die Gelegenheit, ihn in dieser Variante zu testen.

Ein neues Schreibgerät in Händen zu halten, ist immer ein besonderer Moment, und in diesem sinnlichen Erlebnis spielt auch die Verpackung eine durchaus nicht nebensächliche Rolle. Die des LAMY 2000 ist Programm und Versprechen zugleich: Edle non-colours-Schattierungen von Silber bis Schwarz prägen vom ersten Augenblick an die Begegnung. Das Wechselspiel zwischen der eigentlichen Schlichtheit der Formen und Materialien – Schachtel und Schutzschuber sind ausschließlich in Karton gehalten, wobei zwischen fein- und breitgerippter Optik variiert wird – und der perfekten Funktionalität schafft ein souveränes Gleichgewicht zwischen nüchterner Zurückhaltung und eindrucksvoller Präsenz.



Genau diesen Eindruck vermittelt der Füller selbst. Seine Form scheint eher solide denn originell und hat sicher gerade deshalb die Zeit überdauert. Entfernt man die Kappe, wirkt die bauchige, zigarrenförmige Konstruktion heute noch futuristisch-stylisch und doch vertraut.
Die Oberflächenoptik des handmattierten Edelstahls spannt den Bogen zwischen technisierender Zweckmäßigkeit und detailliebender Juwelierskunst. Je nach Lichteinfall schimmert die Farbe gleißend grau oder leicht gelblich.


Die Haptik ist eine wirkliche Überraschung: Der Füller fühlt sich trotz des Materials nie kalt an – selbst dann nicht, wenn die Umgebungstemperatur zu wünschen übrig lässt – und wirkt glatt, ohne in der Hand zu rutschen.

Die Balance ist herausragend. Ganz gleich, ob mit aufgesetzter Kappe oder ohne ergibt sich der Greifpunkt ganz natürlich und muss selbst in den ersten Augenblicken nicht gesucht oder ertastet werden. Es stellt sich niemals das Gefühl ein, der Füller würde nach hinten „ziehen“ oder kippen. Der LAMY 2000 passt sich hier sofort und mit größter Selbstverständlichkeit jeder Handhaltung, jedem individuellen Greifpunkt und jeder Schreibgewohnheit an, was vielleicht an seiner ausgewogenen Länge von 12,5 (ohne Kappe) bzw. 15,5 cm (mit aufgesteckter Kappe) liegt.
Nicht unproblematisch wiederum sind Gewicht und Durchmesser. Der LAMY 2000 wiegt mit aufgesteckter Kappe 56 g, ohne 36 g – ein horrendes Gewicht, das die elliptische Form und die ungewöhnlich gute Balance nicht wieder wett machen können. In dieser Ganzmetallversion ist das Schreibgerät offenbar für eine kräftige männliche Hand konzipiert, wobei bezweifelt werden muss, ob selbst dann stundenlanges Schreiben überhaupt schmerz- und ermüdungsfrei möglich ist. Zierlichere Hände haben keine Chance, mehr als eine halbe Seite problemlos durchzustehen. Ich konnte zu keinem Zeitpunkt meine Handschrift so ausformen, wie ich es gewohnt bin, weil der Füller zu schwer ist, um eine ausreichende Beweglichkeit zu ermöglichen. Trotz der Möglichkeit, den Greifpunkt frei und differenziert zu wählen, ist der Durchmesser an der stärksten Stelle sehr dick, was bei längerem Schreiben in Verbindung mit dem Gewicht Finger, Hand und Handgelenk erheblich belastet. Die Kuhle zwischen Daumen und Hand schmerzt schon nach wenigen Zeilen – selbst bei einem geübten und leidenschaftlichen Handschreiber wie mir.

Der LAMY 2000 ist ein Kolbenfüller, dessen Tank durch Schraubbewegungen der Mechanik an seinem oberen Ende mit Tinte befüllt wird. Der Vorgang ist selbst für Ungeübte unproblematisch. Der Anstieg der Tinte ist deutlich hörbar, was ein angenehmes Gefühl der Kontrolle vermittelt. Das System arbeitet stets zuverlässig. Je nach Tintenqualität ist es nicht ganz einfach, den eingetauchten Teil rückstandslos zu reinigen, und es stellt sich die Frage, wie schnell dauerhafte Verfärbungen zu erwarten sind. Wer nur Kolbenfüller mit Sichtfenster kennt, wird sich hier umstellen müssen: Es ist nicht möglich, zu prüfen, wie viel Tinte im Tank verbleibt. Ein sehr positiver Aspekt ist die Tatsache, dass das System bei einem Tintenwechsel blitzschnell und kinderleicht zu reinigen ist.

Ich testete den Füller in Federbreite F, meiner Standardfederbreite, die zudem den Vorteil hat, die Eigenschaften des Tintenleiters und die Zusammenarbeit zwischen Tintenleiter und Feder besonders kritisch zu beurteilen.
In diesem Punkt ist de LAMY 2000 unbestritten das beste Schreibgerät, mit dem ich je geschrieben habe. Die Zuverlässigkeit des Tintenleiters in Verbindung mit der Feder ist absolut vorbildlich und im Vergleich zu allen Füllfederhaltern, die ich je in Händen hatte, schlichtweg unerreicht.
Der Tintenleiter ist so herausragend ausgelegt, dass der Füller von der ersten Sekunde ansatzlos schreibt – und dies gilt bereits beim allerersten Befüllen des Tanks. Auch nach der Reinigung und einem Tintenwechsel ist keinerlei Verzögerung festzustellen. Wenn das Schreibgerät einige Tage nicht benutzt wurde, ist es dennoch und ungeachtet der Tinteneigenschaften sofort einsatzbereit.
Der Tintenfluss ist einwandfrei gleichmäßig, der Strich angenehm satt und vom ersten bis zum letzten Buchstaben gleichbleibend. Ich testete den LAMY 2000 mit fünf verschiedenen Tinten unterschiedlicher Dichte: die Original-LAMY-Tinte, aber auch pigmentreiche und dickflüssigere Tinten, wie fuyu-gaki, Noodler’s, Private Reserve und Diamine. Der Farbton der jeweiligen Tinte bleibt über Seiten einheitlich erhalten und verblasst nicht bei längerem oder schnelleren Schreiben. Ebenso bleibt die Strichbreite und –sattheit von problematischen Handschriftmerkmalen unbeeinflusst: Große und weite Bögen mit erheblichem Rückzug nach links, übermäßig Ober- und Unterlängen oder sehr hastiges Schreiben haben keine Auswirkung auf den Tintenfluss. Hier schafft LAMY eine beispiellose Leistung.

Der Lamy 2000 mit pigmentreichen Tinten …

… fuyu-gaki

… Private Reserve

… Noodler’s

… Diamine

Die Feder des LAMY 2000 ist eine handgeschliffene 14-karätige Goldfeder, die platiniert wurde und so Ton-in-Ton die Optik der Korpusoberfläche wiederaufgreift. Sie ist halb eingelassen, was nicht nur die elliptische Zigarrenform und den Vintage-Charakter unterstreicht, sondern zusätzlichen Schreibkomfort bietet, insbesondere wenn sehr schnell oder mit größerem Druck geschrieben wird. Daher eignet sie sich auch für Menschen, die normalerweise schlecht mit einem Füllfederhalter zurecht kommen.

Die Feder

Bei meinem Test war sie nach lediglich drei Seiten vollständig eingeschrieben, was ein überaus löbliches Ergebnis darstellt. Ist die Feder eingeschrieben, verzeiht sie schnell eine Fehlhaltung. Die Kornrundung folgt sehr bald der Handschrift und fühlt sich vertraut an. Außerdem ist die Feder nur mäßig empfindlich, was die Wahl der Papierqualität betrifft. Sie harmoniert zwar mit mittelglatten Papieren am besten, doch das Schriftbild ist auf hochwertigen, mittelpreislichen und sehr preiswerten Papieren gleichermaßen schön.

Das Einschreiben …

… auf einem preiswerten College-Block


… auf Gohrsmühle


… auf Clairefontaine

… auf Moleskine-Papier

Insgesamt ist der LAMY 2000 in der Ganzmetallvariante ein perfekt verarbeitetes, hervorragendes Schreibgerät mit in Optik und Haptik eher männlichem Charakter. Tintenleiter und Feder sind von ganz außergewöhnlicher und unvergleichlicher Qualität und rechtfertigen alleine schon die UVP von 260,– €. Klarer Minuspunkt ist das Gewicht, das ausdauerndes Schreiben sehr erschweren dürfte.
Weitere Informationen wie technische Daten, angebotene Federbreiten und andere Details sind natürlich auf der Internet-Seite von Lamy zu finden. Der Lamy 2000 Ganzmetall ist auch dort im Shop erhältlich