In der ewigen Gleichförmigkeit der Sonne ist das Leben nicht mehr individuelle Frage, sondern allgemeine Gewissheit. Es zu quantifizieren, in Kategorien einzuteilen, wird überflüssig. An Orten des Sommers haben Werte auf einem Thermometer deshalb keine wirkliche Bedeutung – sind sie doch relativ, subjektiv, ein wenig suspekt. Meteorologische Daten sind hier weder Planungshilfe noch wissenschaftliches Thema. Sie muten eher wie ein privater, kindlich-ältlicher Zeitvertreib an. Sie sind Anekdoten, selbstironische Sammelobjekte in Zeiten übergriffiger Unterbeschäftigung.
Die Hitze ist keine Zahl. Sie ist dunkle Süße.
In der schweren Luft, die sich nur noch widerwillig und viel zu selten bewegt, verschmilzt die verspielt blätterige Hülle gebrannter Erdnüsse und Mandeln mit dem allgegenwärtigen Duft vanilliger Sonnenmilch. Bleiern goldene Parfüms und Kokosöl auf brauner Haut verstören die ordentlich graphischen Schichten sahnig-fruchtiger Eiskreationen. Sandiger Mürbeteig und pappiges Brot entfliehen mürrisch in dumpfem Mehlstaub durch die weit offenen Türen verschlafener Bäckereien. Die grünen Noten von Fisch, Zitronen und Kräutern verstummen machtlos im brennenden Licht. Modrige Schwaden von Leder und Plastik besetzen regungslos die Straße, während wolkige Hauben pinkfarbener Zuckerwatte unerbittlich Parks und Bänke erfüllen.
Die Süße ist überall: im poppigen Strandspielzeug, in der pralinenhaften Eleganz verwaister Parfümerien, im makellosen Weiß des türkischen Honigs, im glühend heißem Metall der Waffeleisen und Crêpes-Platten und den schmelzenden Nougatcremes und Konfitüren, die ihre weich-knusprige Bräune zu einem unwiderstehlich dekadenten Genuss ergänzen.
Auch am Abend, wenn die letzten orangenen Strahlen sich nach und nach im stumpfen Graublau eines dunstbeladenen Himmels auflösen, hallt in frischem Teig, reifen Tomaten, gelblichem Anis und im Karamell dunkel gebratenen Fleischs diese aufdringliche Süße nach.
Sie macht müde und willenlos, besticht die Nase, betäubt den Geist.
Erst wenn sie im Wind vergeht, wenn sie die Vielfalt der Gerüche wieder ablöst, ist die Hitze wirklich vorbei.