Gerade in außergewöhnlichen Situationen und zu Anlässen, die einer besonderen Würdigung bedürfen, fällt es vielen schwer, die richtigen Worte zu finden.
Nicht nur Trauerfälle, Scheidungen oder Krankheiten, sondern auch freudige Ereignisse wie eine Geburt, Geburtstage, Jubiläen, Hochzeiten, ein Umzug oder andere Meilensteine des Lebens wie der erste Job, eine Beförderung oder der Ruhestand sind Momente, an denen die Worte sich den meisten einfach ganz zu entziehen scheinen. Besonders kompliziert wird es, wenn eine positive Nachricht auf eine tragische folgt: Jemandem zur Geburt eines Kindes zu gratulieren, ist heikel, wenn derjenige wenige Wochen zuvor einen geliebten Menschen verloren hat.
In der Tat ist hier ein emotionaler und persönlicher, sensibler und behutsamer Ansatz erforderlich, und diese Balance zwischen Aufrichtigkeit und Zurückhaltung wird als schwierig empfunden. Außerdem befürchten manche, sie würden „kitschig“ wirken, wenn sie so schreiben, wie sie es spüren oder gelernt haben. Gleichzeitig ist Originalität gefragt, wenn der Text, und damit seine Botschaft, unvergesslich sein und wirklich berühren soll. Schreibtechniken und die damit einhergehenden festen Formulierungen und Geflügelten Worte genügen hier nicht mehr.
Ein gelungener Text bleibt nicht nur in Erinnerung, er wird zu einem wichtigen Teil der Lebensgeschichte dessen, der ihn liest. Ich habe im Laufe der Zeit viele Trauer- und Gratulationskarten geschrieben. Allen gemeinsam ist die Tatsache, dass mir heute noch – mitunter zehn, zwanzig oder dreißig Jahre später – erzählt wird, dass sie immer wieder gelesen und geschätzt werden, dass sie zu einem wichtigen Element von Ritualen und Erinnerungen geworden sind und heute noch bewegen wie am ersten Tag.
Solche Briefe und Karten sind keine Pflichtübung. Sie werden nicht weggeworfen, sondern aufbewahrt, weil sie zu Recht als Geschenk empfunden werden und eine zutiefst menschliche Komponente haben, die intuitiv wahrgenommen wird. Sie vertiefen und gründen Freundschaften, zeigen den Wert, den der Absender in die jeweilige Beziehung projiziert. Sie schaffen zwischen den Menschen ein Stück Ewigkeit. Durch ihre Bedeutung für den Leser integrieren sie sich in seinen Alltag und werden zu einem unauslöschlichen und unentbehrlichen Teil seiner persönlichen Geschichte.
Was diese Texte so besonders macht, ist, dass sie keine Floskeln enthalten, sondern sich individuell in die Person einfühlen, für die sie bestimmt sind, und ihr Worte schenken, die sie nicht erwartet hatte, die ihr wirklich entsprechen und sich aufrichtig mit ihrem Leben und ihrem Wesen auseinandersetzen, die tatsächliches Interesse und Anteilnahme zeigen und eine psychologische Dimension haben.
Schreiben zu lassen, wenn die Worte versagen, steht mit Individualität und Aufrichtigkeit nicht im Widerspruch. Was im Gegenteil zählt, ist, dass die richtigen Worte ihre Wirkung so entfalten, wie der Absender es möchte, wie er sie selbst schreiben würde, wenn er es könnte.