In letzter Zeit hatte der Frust die Oberhand gewonnen: Das indiskutable Wetter, unangenehme Kunden mit unrealistischen bis unverschämten Preisvorstellungen, eine unterirdische Zahlungsmoral, die bevorstehende Zerstörung meines geliebten Vorgärtchens durch unumgängliche Bauarbeiten, Angst um das trotz beeindruckender Mieten marode Gebäude, das das TextLoft beherbergt, hatten den Alltag über viele Monate in ein breiiges Mosaik aus mittleren Katastrophen verwandelt, und das Leben verlief in einem nicht enden wollenden Tunnel kleiner und großer Ärgernisse und Sorgen, gegen die sich der durch zu kurze, seit einem halben Jahr regelmäßig von Bohr- und Hämmerlärm aus einer Dauerbaustelle im Nebenhaus und den stets zur Unzeit herausbrechenden Bellattacken eines neu eingezogenen, offenbar andauernd wütenden Hundes jäh beendete Nächte übermüdete Körper nicht mehr so recht zu wehren wusste.
In dieser düsteren Stimmung war ich nicht einmal bereit gewesen, der Wettervorhersage Glauben zu schenken, als angekündigt wurde, dass sich etwas wie Sommer einstellen sollte.
Aber die guten Dinge kommen eben unverhofft, und als ich an jenem Tag aufstand, war der Sommer wirklich da.
Es war nicht nur die Sonne, die einen ungetrübten und heißen Tag versprach. Der laue und weiche Wind, der die Haut sinnlich streichelte, trug den Duft von Gras, Holz, Phloxen und Lavendel zu mir herein. In jedem anderem Jahr hätte ich nun die Fenster geschlossen, das Loft abgedunkelt, um für die kommenden Tage für Mensch und Maschinen einen Rest Kühle in den Räumen zu bewahren. Aber nach diesen langen dunklen und hoffnungsfreien Wochen konnte ich es nicht und ich ließ die Wärme gewähren. Nachdem ich den Blumenuntersetzer, der unseren vielen gefiederten Besuchern als Schwimmbad dient und den sie offenbar jeder für sie erdachten und im Handel zu erwerbenden Luxusausgabe konkurrenzlos vorziehen, nachgefüllt und die Pflanzen des Töpfchengartens versorgt hatte, setzte ich mich mit einem längst vergessenen Glücksgefühl an den Schreibtisch. Wenige Tastenbewegungen später bemerkte ich ein morseartiges Tippen und ein seidiges Rascheln. Die erste kleine Blaumeise des Tages hatte den Weg ins Wasser gefunden.
Das tippend-tickende und raschelnde Geräusch unbeschwerten Vogelglücks begleitete mich durch die Arbeitsstunden bis in den Abend hinein, während Rotkehlchen, Heckenbraunellen, Kohl- und Blaumeisen, aber auch Amseln, für die die Schale genau genommen viel zu klein sein sollte, ihren ganz eigenen Pool in vollen Zügen genossen.
Der grüne Salat mit eingelegten Entenmagenstreifen, die Melone, der Orangensaft schmeckten so intensiv wie lange nicht mehr, der Kaffee duftete ganz ungewöhnlich, und dass ich den Einbruch der Nacht mit Schreibblock und Buch auf der Terrasse erleben durfte, ohne dass eine weitere Katastrophe oder schlechte Nachrichten die gute Stimmung zunichtemachten, war der perfekte Abschluss eines perfekten Tages.